175 Jahre Eisenbahn in Deutschland

175 Jahre alt und dennoch jung geblieben

„Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit“. Dieses Genscher-Zitat ist vielen bekannt. Und da wir am 7. Dezember das 175jährige Jubiläum der Eisenbahn in Deutschland begehen, müssen über so viele Jahren hinweg die Deutschen Eisenbahnen mit der Zeit mitgegangen sein, sonst wäre sie längst von der Bildfläche verschwunden, eben mit der Zeit gegangen, von uns gegangen. Ständige Veränderung ist – und das ist keine neue Erkenntnis -  systemerhaltend, auch bei der Bahn. Doch was ist bei ständiger Veränderung dann wirklich 175 Jahre alt? Ganz nüchtern betrachtet, lediglich die Spurweite von 1435 mm! Selbst auf den ältesten Bahntrassen sind längst Schienen, Schwellen, Schotter, Brücken und Bahnsteige etc. ausgetauscht, eben alles mit der Zeit mitgegangen.

Die erste deutsche Bahnstrecke zwischen Nürnberg und Fürth, am 07.12.1835 eröffnet, gibt es längst nicht mehr. An ihre Stelle ist eine der U-Bahnlinien des Nürnberger Stadtnetzes getreten. Kein Gebäude der ersten Eisenbahn Deutschlands existiert mehr, kein Stück Gleis, kein Stück Rohrleitung der Wasserversorgung der ersten Dampflok Adler usw. usf. Der historische Adler-Zug von 1835 mit den historischen Waggons ist ein Nachbau, genauso wie die erste funktionstüchtige Dampflok Deutschlands aus dem Jahre 1839, die Saxonia, die ebenfalls nur als Nachbau unter Dampf steht. Die Nostalgiefahrten des Adler-Zuges rundum Nürnberg müssen wegen elektrifizierter Bahnanlagen unter Fahrleitung stattfinden, was für ein Kuriosum! Letztlich ist das 175jährige Bahnjubiläum ein eher mentaler Höhepunkt im gesellschaftlichen Leben. Und die Eisenbahn hat tatsächlich das gesamte gesellschaftliche Leben vom 19. Jahrhundert an bis heute ganz gravierend verändert. Nichts ist im menschlichen Leben geblieben, wie es zuvor über alle Jahrhunderte hinweg war.

Die erstmals maschinengetriebene Fortbewegung ließ Raum und Zeit in völlig neuen, bis dahin unbekannten Dimensionen erlebbar machen. Und das für jedermann, sofern man sich eine Fahrkarte leisten konnte, aber das unabhängig vom gesellschaftlichen Stand. Erst der massenhafte Transport von Kohle, Holz, Erzen, Düngemitteln, Rohstoffen, Halb und Fertigprodukten mit der Eisenbahn war Voraussetzung der Industrieproduktion. Ohne die Eisenbahn gäbe es den heutigen Wohlstand nicht. Der schnelle Gütertransport erlaubte Lebensmittel über größere Distanzen zu transportieren und nur so konnten die Einwohner der immer größer werdenden Städte versorgt werden. Eisenbahnen brachten auch rationelle Kühltransporte hervor. So bekam die bis dahin ausschließlich lokale Bierbraukunst mit der Eisenbahn erstmals überregionale Absatzmärkte und aus kleinen Brauereien entstanden große Getränkekonzerne. Amerikanische Börsenspekulanten, die mit Eisenbahnaktien handelten, gönnten sich keine üppige Mittagspause und durch sie kam das schnelle Essen auf: Fast food! Ein findiger Eisenbahndirektor ließ zuerst einzelne Bauteile transportieren und kam dann auf die Idee, komplette Wohnhäuser zu transportieren - die Geburtsstunde des Fertighausbaus! So lassen sich in der Geschichte der Eisenbahn zahlreiche Erfindungen ausmachen, die unseren Alltag bis heute nachhaltig prägen. Die Eisenbahn verlangte nach einer einheitlichen Zeit, die individuellen Ortszeiten waren für netzweite Fahrpläne wenig praktikabel. Die Einführung der Weltzeitzonen geht auf die Eisenbahn zurück, nicht etwa auf die Schifffahrt auf den Weltmeeren.

Was vor 175 Jahren zwischen Nürnberg – Fürth begann, blieb den Cottbuser Kaufleuten und Unternehmern nicht verborgen. Doch mussten noch 31 Jahre vergehen, bis die erste Dampflok Cottbus erreichte. Mit der Eröffnung des Bahnbetriebs zwischen Berlin und Cottbus begann am 13. September 1866 in der Niederlausitz das „richtige“ Bahnzeitalter, und fast im Jahrestakt folgten Bahnbauten in alle Himmelsrichtungen. Allerdings verbanden Bahngleise bereits Jahre zuvor Cottbus mit dem Goyatzer Hafen. Die Pferdebahn der Cottbus-Schwielochsee Eisenbahngesellschaft (CSE) sorgte ab 1846 nach dem Vorbild der ersten öffentlichen Pferdebahn auf dem europäischen Kontinent zwischen Linz, Budweis und Gmunden für den preiswerten Transport der Rohstoffe und Handelswaren für die aufstrebende Textilindustrie in und um Cottbus.

Seit 1872 ist Cottbus ein Bahnknoten. Direkte Zugläufe z. B. nach Berlin, Breslau, Dresden, Hirschberg (Riesengebirge) und Kassel, später bis Frankfurt (Main), Krakau und Stralsund. In den Jahren des Zweiten Weltkriegs passierten Truppentransporte die Stadt, wurden auch die Züge des Holocausts hier mit Dampfloks bespannt. In und um den Cottbuser Bahnhof siedelten sich zahlreiche Bahnwerkstätten an, zeitweise waren weit über 3.000 Eisenbahner hier beschäftigt. Nach 1945 war Cottbus Sitz einer von acht Verwaltungszentren der Deutschen Reichsbahn. Eisenbahner und ihre Familien waren und sind in der Stadt präsent. Cottbuser Einwohner kennen die bahnhofsnahen Eisenbahn-Wohnhäuser in der Räschener und Senftenberger Straße, viele von ihnen sind Mitglied des Eisenbahnsportvereins.

Die 175jährige Bahngeschichte lässt sich unmöglich im Ganzen darstellen, weder bei den großen Verkehrs- und Technikmuseen in Berlin, Dresden, München und Nürnberg noch bei den zahlreichen in Deutschland unter Denkmalschutz stehenden Bauwerken und Fahrzeugen, auch nicht bei den Vereinen der Touristik- und Museumsbahnen oder bei den nahezu 400 Eisenbahnunternehmen Deutschlands. Seit März dieses Jahres finden deutschlandweit Festveranstaltungen, Sonderfahrten, Tagungen und Ausstellungen statt, die ihren Höhepunkt mit einem Festakt am 7.12. in Nürnberg haben werden. Mit einer Rundfahrt durch Südbrandenburg würdigt der Lausitzer Dampflok-Club e. V. (LDC) an diesem Tage das große Bahnjubiläum, ein zweites Mal am 11.12. Mit Dampflok und Personenwagen aus der Reichsbahnzeit lässt der LDC seinen Fahrgästen das Flair des Reisens der 1970er Jahre aufleben! Dem Bahnjubiläum ist im laufenden Wintersemester an der BTU auch die Seminarreihe „Kulturerbe der Schienenbahnen“ gewidmet. In den Wochen vor und nach dem Jahreswechsel werden Studentinnen und Studenten mehrerer Studiengänge ihre Arbeiten präsentieren.

www.lausitzerdampflokclub.de

www.heimatverein-cottbus.de