Einführung des Eisenbetonbaus in Berlin (1880 bis 1918) – Gründungsmentalitäten und Wachstumsmanagement

Bachelorarbeit am Lehrstuhl Bautechnikgeschichte und Tragwerkserhaltung, verfasst von Janos Pasderski im Wintersemester 2016.

Basierend auf verschiedenartigen historischen Quellenbeständen untersucht die Arbeit Einführung und Wachstum des Eisenbetonbaus in Berlin im Zeitraum von 1880 bis 1918 mit Hilfe heutiger betriebswirtschaftlicher Modelle und Kategorien. Sie zielt darauf ab, am Beispiel des frühen Berliner Eisenbetonbaus die Entwicklung der kommerziellen Verwertung und die sie beeinflussenden wirtschaftlichen Faktoren näher aufzuzeigen.

Das Potenzial des Eisenbetons war in seinen materialtechnischen Eigenschaften bereits früh erkennbar. Eine durchaus effiziente Marketingpolitik nutzte dann gezielte Vermarktungsstrategien wie Öffentlichkeitsarbeit und mögliche Rationalisierungsprozesse im Eisenbetonbau, um ihn tatsächlich zu verbreiten. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht besonders interessant ist die Konkurrenz mit dem um 1900 bereits fest etablierten Eisenbau, die in einer Umwelt- und Branchenanalyse genauer behandelt wird. Obwohl ein durchschnittliches Marktwachstum vorherrschte, entwickelte sich zwischen den beiden Konkurrenten ein enormer Wettbewerb. Er wurde auch dadurch befeuert, dass sich das neue Absatzgebiet mit den für den Eisenbetonbau benötigten Rundeisen für die Eisenhüttenindustrie als weniger lukrativ erwies als zunächst angenommen. Für die Zementindustrie hingegen stellte der Eisenbetonbau ein profitables neues Absatzgebiet dar und wurde folglich von ihr gezielt gefördert.

Am Standort Berlin gestaltete sich die Entwicklung zu Beginn allerdings schwierig. Erst ab 1904 gab es baupolizeiliche Vorschriften, die Bemessung und Konstruktion in Ansätzen definierten. Auch der Umstand, dass in den Bauordnungen vor dem 1. Weltkrieg keine explizite Erwähnung der Eisenbetonbauweise zu finden ist, deutet darauf hin, dass die staatlichen Behörden dem neuartigen Baustoff eher reserviert gegenüberstanden.

Vor diesem Hintergrund ist vor allem für den frühen Eisenbeton die Sonderrolle vereinzelter Firmengründer hervorzuheben, die in Eigenleistung notwendige Grundlagen für ein besseres Verständnis schufen. Am Beispiel zweier Eisenbetonfirmen, der "Beton- und Monierbau Actien-Gesellschaft" und der Firma "Dyckerhoff & Widmann" werden vergleichend die unterschiedlichen Gründungsmentalitäten und das jeweilige Wachstumsmanagement untersucht. Es zeigt sich, dass der Eisenbeton deutliches Potential für eine positive Wachstumsentwicklung hatte und sich als Garant für nachhaltiges Wachstum erwies.

Die erfolgreiche Etablierung des Eisenbetonbaus in Berlin bis hin zur nachhaltigen kommerziellen Verwertbarkeit lässt sich im Ergebnis auf fruchtbare Wechselbeziehungen zwischen der Schaffung ingenieurtechnischer Grundlagen (1880-1904) und ordnungspolitischen sowie betriebswirtschaftlichen Ansätzen (ab 1904) zurückführen - anders ausgedrückt: auf die positive und ergebnisorientierte Zusammenarbeit von Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung.