Der Eiserne Dachstuhl der Neuen Eremitage in St. Petersburg - Dokumentation, historische und statisch-konstruktive Untersuchung eines frühen Eisentragwerks von europäischem Rang

Diplomarbeit am Lehrstuhl Bautechnikgeschichte und Tragwerkserhaltung, verfasst von Bernhard Heres im Winter 2002/2003

Im Gebäude der ab 1839 vom bayrischen Architekten Leo v. Klenze geplanten und 1852 eröffneten Neuen Eremitage in St. Petersburg wurden sämtliche Dachstühle in Eisenbauweise errichtet. Mit dem Dachtragwerk über dem Südostpavillon wird in der vorliegenden Arbeit ein in konstruktiver Hinsicht repräsentativer Teil dieser um 1845 aufgestellten und bis heute im wesentlichen erhaltenen Eisenkonstruktionen untersucht.

Hauptsächliches Ziel ist die Bewertung der Tragfähigkeit und der konstruktiven Qualität des Dachtragwerkes über dem Pavillon und, in den Grenzen einer möglichen Übertragbarkeit der Ergebnisse, der anderen Dachbereiche des Gebäudes. Dazu werden Literatur und Archivmaterialien zum bau- und konstruktionsgeschichtlichen Hintergrund ausgewertet. Eine spezifische Bauaufnahme dient der Erfassung des Erhaltungszustandes und schafft die Grundlagen für die dann folgenden statischen Berechnungen.

Die Baugeschichte der Neuen Eremitage zeigt die eisernen Dachkonstruktionen nicht als Bestandteil der Klenzeschen Architektur, sondern als Aufgabe der für die Bauleitung zuständigen russischen Kommission. Damit rücken sie in den Kontext der kurz zuvor errichteten Eisenkonstruktionen des Winterpalastes und der Entwicklung des russischen Eisenbaus in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Die Ergebnisse der statischen Berechnungen am Tragwerk des Pavillons, die teilweise deutlich an die verschiedenen Parameter der Modellierung des verwendeten statischen Systems gebunden sind, ermöglichten eine Betrachtung der Wirkweise der räumlichen Tragwerksstruktur und die Lokalisierung und Bewertung von Querschnitten mit hoher Auslastung. Zusammen mit den Ergebnissen der Bauaufnahme lassen sich vorläufige Empfehlungen zum weiteren Umgang mit dem untersuchten Dachtragwerk ableiten.

Als Teil des einzigartigen Ensembles von Eisenkonstruktionen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts im heutigen Eremitagekomplex zeigt das untersuchte Tragwerk beispielhaft die Originalität und Vielfalt des sich in dieser Zeit stark auch unter europäischen Einflüssen entwickelnden russischen Eisenbaus. In seiner Bau- und Konstruktionsgeschichte spiegeln sich darüber hinaus gleichzeitig die Entwicklungen des Ingenieurwesens sowie von Industrialisierung und Architektur im Rußland dieser Zeit wider.