Das Volkshaus Riesa - Ein Stahlbetonbau von 1930

Diplomarbeit am Lehrstuhl Bautechnikgeschichte und Tragwerkserhaltung, verfaßt von Tino Kohl im Sommer 1995

Das Volkshaus in Riesa ist ein denkmalgeschütztes Bauwerk mit vorwiegend regionaler Bedeutung.

1. Die Geschichte des Gebäudes als Haus der Gewerkschaften war recht wechselhaft. Den eigentlichen Zweck konnte es nur kurze Zeit erfüllen. 1933 wurde es durch die national-sozialistischen Machthaber enteignet und der Deutschen Arbeitsfront zur Nutzung übergeben. Nach dem Krieg ging es in den Besitz der sowjetischen und später der GUS-Truppen über. In dieser Zeit wurde es hauptsächlich als Unterkunft für Soldaten oder Offiziere verwendet. Nach dem Abzug der GUS-Truppen aus Deutschland wurde das Objekt von der Treuhand bzw. dem Land Sachsen verwaltet. Wie die Zukunft aussieht, steht noch nicht eindeutig fest. Sehr wahrscheinlich ist der Verkauf an einen Investor, der es entsprechend seinem ursprünglichem Charakter als Büro- und Versammlungsgebäude mit gastronomischen Einrichtungen nutzen wird.

2. Der Baustil des Gebäudes lässt sich mit dem Gedankengut des Bauhauses vergleichen. Anhaltspunkte sind dabei die klare funktionale Gestaltung der Grundrisse, die Fassadengestaltung mit einem senkrechten Fensterband im Treppenhaus sowie das Flachdach. Ein Detail, das auch für einen Vergleich benutzt werden könnte, ist die Gestaltung von Balkons als eine Betonplatte mit einem Stahlrohrgeländer.

3. Das Bauwerk ist ein Eisenbetonbau, an dem man die übliche Bautechnik aus dieser Bauzeit erkennen kann. Die Bemessung wurde zu großen Teilen mit Tabellen nach Weese bzw. Bemessungsverfahren nach Löser durchgeführt. Grundlage für diese Berechnungen bildet das n-Verfahren mit einem Wert von n=15. Die statischen Berechnungen, die noch im Bauarchiv der Stadt Riesa vorhanden waren, sind recht übersichtlich und leicht nachvollziehbar. Fehler finden sich an einigen Stellen in Form von Ungenauigkeiten oder auch falschen Ergebnissen. Zumeist haben sie aber keine sehr große Bedeutung, so dass man nicht von einer Gefährdung der Standsicherheit sprechen kann.

4. Eine vergleichende Dimensionierung des Rahmentragwerkes nach heutigen Vorschriften, aber mit den alten Lastannahmen zeigte, dass die Querschnitte zumeist nicht ausgelastet sind. Probleme gibt es maximal bei der Übertragung der Schubkräfte. Diese sind aber nicht so groß, dass man von einer Gefährdung sprechen kann. Da die genaue Führung der Bewehrung nicht bekannt ist, wären an dieser Stelle noch nähere Untersuchungen von Nöten. Das Volkshaus in Riesa ist nicht nur aus bautechnischen, sondern auch aus geschichtlichen Gründen unter Denkmalschutz zu stellen und zu erhalten. Hoffentlich lassen sich auch die Kriterien des Denkmalschutzes mit den Investorenentscheidungen in Einklang bringen. Ver-ständnis wird da auf beiden Seiten nötig sein.