Gerhard Mensch: Bauingenieur zwischen Moderne und Nationalsozialismus

Masterarbeit am Lehrstuhl Bautechnikgeschichte und Tragwerkserhaltung, verfaßt von Ines Tetzlaff im Sommer 2001

Die vorliegende Arbeit gibt erstmals einen Überblick über das Gesamtschaffen von Herrn Gerhard Mensch, der von 1880 bis 1940 lebte und mit seinem Bauingenieur-Büro für bedeu­tende Stahlhochbauten Berlins die Tragwerksplanung erstellte.

Nach einem Zeitraum von 17 Jahren intensiver Tätigkeit im Büro des berühmten Bauinge­nieurs Karl Bernhard machte Gerhard Mensch sich selbständig. In den 20 Jahren des Beste­hens entwickelte sich sein Büro zu einem der größten und leistungsfähigsten Bauingenieur-Büros Berlins, wenn nicht ganz Deutschlands. Die Tätigkeit des Büros erstreckte sich auf alle Bauweisen - die Spannweite reichte vom Massivbau über den Holzbau bis zum Grundbau. Schwerpunkt seiner Arbeit bildeten die Konstruktionen in Stahlbauweise, die er in zahl­reichen Veröffentlichungen publizierte. In seinen Aufsätzen plädierte Gerhard Mensch be­ständig für eine gute Zusammenarbeit zwischen Bauingenieuren und Architekten, was ihn von anderen Mitgliedern seiner Zunft hervorhob und neben seinem fundierten Wissen und seiner Vielseitigkeit die Basis seiner erfolgreichen Arbeit war. Die Recherche bei den bis dato bestehenden Baufachvereinen und -institutionen bestätigte eine Fülle von ehrenamtli­chen Aufgaben, die Gerhard Mensch in Ergänzung zu seiner Tätigkeit als beratender Inge­nieur, Prüfingenieur und Gutachter ausübte.

Im Verlauf der Nachforschungen konnten über 50 große Bauvorhaben nachgewiesen wer­den, für die das Bauingenieur-Büro G. Mensch tätig war. Es ist anzunehmen, dass diese Bauten lediglich die "Krönung" einer bedeutend höheren Anzahl von Bauplanungen des Bü­ros bildeten. Nur die herausragenden Bauten wurden in Fachzeitschriften, die eine wichtige Quelle für die vorliegende Arbeit waren, veröffentlicht. Die Bauwerke ließen sich in fünf Ka­tegorien einordnen, die gleichfalls den Aufbau des Kapitels "Bauwerke" definierten. Neben der Auflistung aller Bauten wurde von jeder Kategorie exemplarisch ein Bauwerk ausgewählt und ausführlich erläutert.

Mit dem bedeutenden Architekten Jean Krämer plante Gerhard Mensch fast alle in Berlin zwischen 1924 und 1930 gebauten Straßenbahndepots. Beispielhaft wurde die Halle des Depots Charlottenburg erläutert. Des Weiteren plante das Büro große Hallen für die Berliner Industrie; insbesondere für das ehemalige AEG-Areal in Oberschöneweide, dessen Höhe­punkt die Montagehalle für Transformatoren war. Stahlskelettbauten bildeten einen weiteren Schwerpunkt der Tätigkeit Gerhard Menschs. Die Bauten weisen die verschiedenen Kon­struktionssysteme der 1920er- und 1930er-Jahre auf und verkörpern die kurze erfolgreiche Epoche des Stahlskelettbaues in Konkurrenz zum Stahlbeton-Skelettbau. Das Shell-Haus, mit seiner langwierigen Sanierungsgeschichte, wurde als Vertreter der in der Weimarer Re­publik errichteten "Berliner Wolkenkratzer" vorgestellt. Nach 1933 setzte Gerhard Mensch seine erfolgreiche Tätigkeit fort und plante u. a. hochrangige Bauwerke für die Nationalsozia­listen. Das größte Bauwerk dieser Zeit ist der Erweiterungsbau der Reichsbank in Berlin-Mitte, dessen Konstruktion und Baugeschichte ausführlich dargestellt wurde.

Fast alle Bauwerke sind erhalten und gehören zu den Baudenkmalen Berlins. Neben der Würdigung der Ingenieurpersönlichkeit Gerhard Mensch soll die Arbeit das Verständnis für den Stahlbau wecken und für den Umgang mit dem historischen Bestand sensibilisieren.