Spannverfahren mit nachträglichem Verbund in Deutschland 1945 – 1990

Masterarbeit am Lehrstuhl Bautechnikgeschichte und Tragwerkserhaltung, verfasst von Dipl.-Ing. Katrin Saloga im Winter 2010

Die Anfänge des Spannbetons reichen bis ins 19. Jahrhundert zurück. 1886 wurden in Amerika und 1888 in Deutschland erste Patente zum Prinzip des Spannbetons angemeldet. Diese und weitere Ideen konnten sich jedoch zunächst nicht durchsetzen, da die vorhandenen Baustoffe nicht die hohen Festigkeiten besaßen, die dauerhaft vorgespannte Bauteile erst ermöglichen.
Zur Anwendungsreife brachte der Franzose Eugene Freyssinet den Spannbeton, als ihm höherfester Stahl und druckfesterer Beton zur Verfügung stand und er diese Werkstoffe zielgerichtet einsetzte. 1928 meldete er ein Patent an für ein Spannbettverfahren und 1939 ein Patent, dass die Grundlage der Spannverfahren darstellt, um die es in der hier vorgelegten Arbeit geht. Er ordnete in Baukörpern Ausnehmungen an, in die nach dem Erhärten des Betons Stähle eingelegt und gespannt werden. 1942 verpresste Freyssinet erstmals bei einem Fußgängersteg in einem kleinen nordfranzösischen Ort die Spannkanäle nachträglich mit Zementsuspension und verzichtete so bewusst auf die Möglichkeit des Nachspannens – um einen besseren Korrosionsschutz zu erreichen. Damit kann Freyssinet als Erfinder der Vorspannung mit nachträglichem Verbund gelten.
Nach der kriegsbedingten Verzögerung setzte eine Entwicklung ein, die den Ingenieurbau in kurzer Zeit vollständig änderte. Die besonderen Eigenschaften des Spannbetons überzeugten die Ingenieure. Der Spannbeton ermöglichte Brückenbauwerke, an die vorher mit dem Baustoff Beton oder Stahlbeton nicht zu denken war. Spannweiten konnten vervielfacht, Querschnitte wesentlich reduziert werden. Es wurden Bauverfahren entwickelt, die erst durch die Spannbetonbauweise möglich wurden und dieser zu besonderen Vorteilen verhalf. In der allgemeinen Aufbruchstimmung dieser Zeit gaben die deutschen Ingenieure und die Bauverwaltungen dieser jungen und noch nicht vollständig ausgereiften Bauweise mehr als nur eine Chance. Die Risikobereitschaft der ersten Jahre führte dazu, dass die Spannbetonbrücken mit nachträglichem Verbund heute einen großen Teil des Brückenbestandes ausmachen und wir uns oft mit den anfänglichen Defiziten der Bauweise auseinandersetzen müssen.
In der Masterarbeit wird die Entwicklung der Spannverfahren mit nachträglichem Verbund zwischen 1945 und 1990 in der BRD/ Westberlin und in der DDR hinsichtlich der technischen Entwicklungen und der bauaufsichtlichen Regelungen betrachtet. Das Hauptaugenmerk wird auf den Brückenbau gelegt, das Gebiet, in dem diese Verfahren ihr überwiegendes Anwendungsgebiet hatten und haben.
Weiterhin werden die einzelnen Konstruktionselemente  - z.B. Spannstähle, Verankerungen, Hüllrohre - systematisch geordnet und beschrieben. Dabei werden sie auch hinsichtlich der Schadensanfälligkeiten der Werkstoffe sowie der sich aus der Technologie ergebenden Risiken erörtert, womit Grundlagen zur Beurteilung der Dauerhaftigkeit und Standsicherheit von Spannbetonbrücken geschaffen werden und Anhaltspunkte sowie Hilfestellungen für Bauwerksuntersuchungen abgeleitet werden können.
In den Anlagen werden alle wesentlichen Spannverfahren mit einem Anwendungszeitraum bis 1990 in der BRD/ Westberlin und in der DDR stichwortartig beschrieben und typologisiert. Dabei wurden Spannverfahren aufgenommen, denen man heute in Deutschlands Brückenbauwerken noch in größerer Anzahl begegnen kann. Die Masterarbeit enthält Zusammenstellungen zu den möglichen Anwendungszeiträumen, zu den Arten der Verankerungen und Kopplungen, zu den maximalen Vorspannkräften sowie über die bei den einzelnen Spannverfahren verwendeten Spannstähle – das Wissen über die verwendeten Spannstähle ist insbesondere im Hinblick auf die nach wie vor aktuelle Spannungsrisskorrosionsproblematik von großer Bedeutung und
zusammen bilden diese Aufstellungen ein sehr wichtiges Arbeitsmittel im heutigen Umgang mit Bestandsbrückenbauwerken.