Wiederaufbauten englischer Landhäuser nach Bränden 1875–1914

Dr. Anne Bantelmann-Betz

Betreuung: Prof. em. Dr. Leo Schmidt

Englische Landsitze spielen eine wesentliche Rolle in der britischen Geschichte und der europäischen Architekturgeschichte. Als Besitztümer der englischen Oberschicht, der landbesitzenden Klasse, sind sie Ausdruck wirtschaftlicher, sozialer sowie politischer Macht und spiegeln in ihrer Gestaltung und ihren Funktionen die Ansprüche der Gesellschaft wider. Viele dieser Häuser blieben im Laufe ihres Bestehens von Bränden nicht verschont, die plötzlich und unvorhergesehen mitunter ganze Flügel, oder verheerender noch, den gesamten Baubestand vernichteten. Im Anschluss standen die Besitzer vor der Frage, wie mit dem zerstörten Gebäude umgegangen werden sollte.

Die Arbeit betrachtet Wiederaufbauten zwischen 1875 und 1914 und wählt damit einen Zeitraum, der sich durch extreme Veränderungen in allen Lebensbereichen der Besitzer und ihrer Landhäuser auszeichnete. Mit der Landwirtschaftsdepression, hohen Erbschaftssteuern und der zunehmenden Demokratisierung, um nur einige Einschnitte zu nennen, wurde vielen Landbesitzern die wirtschaftliche, aber auch soziale und politische Grundlage ihrer Existenz entzogen. Vor dem Hintergrund der sozialkritischen Reformstimmen und dem Streben nach einer neuen Gemeinschaft, einer Überwindung der durch die Industrialisierung hervorgerufenen Missstände galten insbesondere die herrschaftlichen, klassischen Landhäuser des 18. Jahrhunderts als Relikte einer vergangen Zeit. Sie verkörperten das alte Herrschaftssystem, den ostentativen Lebenswandel einer Elite, deren Privilegien nun in Frage gestellt wurden.

Wurden diese Landhäuser plötzlich und unbeabsichtigt von Bränden zerstört, stellte dies die Besitzer vor eine Entscheidung, die sie zwingenderweise mit den Neuansprüchen ihrer Zeit konfrontierte. Hatten ihre Landsitze in Anbetracht der schwierigen Lage überhaupt eine Zukunft? Sollten sie die Häuser wieder aufbauen? Und wenn ja, wie? Welche Aspekte galten als bewahrenswert, welche Bereiche sollten den neuen Umständen angepasst werden?

Die Dissertation untersucht neben zwei Fallbeispielen Wrotham Park und Sledmere House 44 Brände, die zu unterschiedlichen Umgangsweisen wie Wiederaufbauten, aber auch Neubauten oder Abrissen führten. Diese Maßnahmen werden in den historischen und architekturgeschichtlichen Kontext sowie in die denkmalpflegerischen Überlegungen der Zeit eingeordnet.

Publikation

Bantelmann-Betz, Anne: Historische Wiederaufbauten Englischer Landhäuser. Der denkmalpflegerische Umgang mit klassischen Landhäusern nach Bränden, 1875–1914. Gebr. Mann Verlag, Berlin 2013, ISBN: 978-3-7861-2685-0