Technik zur Erfassung von Personen und Personenbewegungen

Ziel des Projektes

Mit dem Projektvorhaben sollen marktgängige, unterschiedliche Personenerfassungssysteme beschafft, hinsichtlich ihrer Eignung zur Generierung simulationsrelevanter Parameter untersucht sowie mögliche Mehrwerte für die Simulation und die Ableitung von Verhaltensmuster durch eine Kopplung der unterschiedlichen Erfassungssysteme generiert werden.
Die computergestützte Beschreibbarkeit der Personenbewegung sowie die Analyse des Besucher- und Nutzerverhaltens über Messwerte liefern ein erhebliches Potential für die Betreiber von Verkehrssystemen oder öffentlicher Einrichtungen, wie bspw. Einkaufsstraßen oder Shopping-Malls.

Ausgangssituation und Entwicklung

Wie bewegen sich Menschen? Wie reagiert ein Mensch auf Informations- und Kommunikationssysteme in Gebäuden oder Verkehrsinfrastrukturen? Welchen Einfluss haben Informationssysteme auf die Bewegung und das Entscheidungsverhalten von Menschen? Diese und weitere Fragen stellen sich Forscher der Verkehrsdynamik seit mehr als vier Jahrzehnten. Mit Hilfe von Beobachtungen werden für verschiedene Phänomene von Fußgängerbewegungen Parallelen zur Naturwissenschaft gezogen. Mit Hilfe derer Gesetzmäßigkeiten werden Fußgängerbewegungen in Simulationsmodellen über verschiedene Modellierungsansätze (makroskopische oder mikroskopische Modelle) und unterschiedliche Modellkonzeptionen (z.B. Gitterstrukturen oder Nachbarschaften) beschrieben.

Die Bemühungen der Wissenschaft, Fußgängerbewegungen so realitätsgetreu wie möglich zu beschreiben, stoßen aus verschiedenen Gründen an unterschiedliche Grenzen. In erster Linie sind die derzeitig am Markt etablierten Simulationsmodelle zur Simulation von Fußgängern für Evakuierungssituationen ausgelegt. Hier kann die Simulation wichtige Erkenntnisse schaffen und eine unterstützenden Funktion bei der Analyse und Planung sowohl von Gebäuden als auch Veranstaltungen einnehmen.

Spontane Wechsel der Laufrichtung von Fußgängern in Einkaufzentren, die Magnetwirkung von Attraktionspunkten oder der Einfluss von Informationssystemen zur Lenkung von Personenflüssen sind schwer beschreibbare Phänomene der Verkehrsdynamik. Hier spielen sowohl soziologische und kulturelle als auch psychologische und physiologische Faktoren bzw. Einflüsse eine Rolle. Aufgrund ihrer Komplexität kann diesen teilweise irrationalen Verhaltensbewegungen von Fußgängern in Simulationsmodellen nur schwer Rechnung getragen werden.

Unabhängig von Simulationsstudien können vollautomatische Personenerfassungssysteme einen weiteren Erkenntnisgewinn über Besucherströme ermöglichen. In der Regel dienen die heutigen Erfassungstechnologien als Personenzählsystem und basieren oft auf optischen Verfahren. Ein Erfassungsnetz einer Technologie ermöglicht somit neben der Erfassung die Analyse von Besucherströmen sowie die Ableitung von Lauf- und Aufenthaltszeiten. Eine einzelne Technologie ist dabei oft auf ein bestimmtes Anwendungsszenario oder eine konkrete Fragestellung beschränkt. In der Regel handelt es sich dabei um die quantitative Erfassung von Besucherströmen. Darüber hinaus gibt es weitere Erfassungssysteme zur Erkennung von Gestik und Mimik. Diese Systeme sind in der Lage die Emotionen oder den Einfluss von Wahrnehmungen der Besucher zu interpretieren. Ein Netzwerk mit verschiedenen Erfassungs- und Erkennungssystemen kann über die unterschiedlichen Messwerte und den damit entstehenden Pool von Daten zur Analyse von Besucherströmen und zur Ableitung von Regeln über das Verhalten der Nutzer und Besucher beitragen.

Einen vielversprechenden Ansatz zur Ergänzung bzw. Lösung zur eingangs beschrieben Diskrepanz zwischen „Beschreibung und Beschreibbarkeit“ von irrationalen Personenbewegungen in öffentlichen Gebäuden oder Verkehrsinfrastrukturen liefert die Methodik der Inversion. Das bedeutet, dass über technologische Hilfsmittel und mittels einer gezielten Erfassung von Personen Messwerte erzeugt und daraus Rückschlüsse auf die Bewegung der Fußgänger gezogen sowie Verhaltensmuster abgeleitet werden können.

Wissenschaftlicher Hintergrund

Wie bereits im Ausgangspunkt beschrieben, ist der aktuell betriebene Forschungsaufwand in Universitäten aber auch in Unternehmen im Bereich der Personenerfassung und der daraus resultierenden Personenbewegung stark an sicherheitsrelevanten Aspekten ausgerichtet. Die Betrachtung von Sicherheitsrisiken und deren Entwicklung in öffentlichen Infrastrukturen wird insbesondere im Rahmen der Forschungsarbeit für die „zivile Sicherheit“ vorangetrieben. Allgemeine Versorgungsnetze werden hierbei als Lebensnerven der Gesellschaft betrachtet und können trotz robuster Technik schon durch kleine Störungen ausfallen. Vor allem die Risiko- bzw. Schadensbetrachtung durch kleine terroristisch oder kriminell motivierte Gruppen und die damit verbundenen möglichen Schadens- und Gefährdungspotentiale waren und sind Schwerpunkte der Forschungsvorhaben aktueller Überlegungen. Hierzu hat die Bundesregierung selbst in diesem Jahr eine Fortschreibung des Sicherheitsforschungsprogramms für die zivile Sicherheitsforschung eingebunden. Ziele sind vor allem die Entwicklung innovativer Lösungen für die zivile Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger, wobei neben technologischen Entwicklungen auch innovative organisatorische Konzepte und Handlungsstrategien angestrebt werden.

Neben der generellen Sicherheitsforschung, bei der die Szenarien-orientierte Sicherheitsforschung einen wesentlichen Schwerpunkt darstellt, eröffnen sich genau in diesem Bereich neue Möglichkeiten und Einsatzfelder für weitere wissenschaftliche Betrachtungen. Personenerfassungen und Personenbewegungen werden auch zunehmend in weniger kritischen Infrastrukturen relevant und haben neben dem evtl. vorhandenem sicherheitstechnischen Aspekt vor allem das Ziel Personenflüsse zielorientiert zu lenken, präferenzorientierte Informationen zur Verfügung zu stellen und auch oftmals verkaufsfördernde (Marketing)-Maßnahmen bereit zu stellen. Typische Einsatzfelder wären hier beispielsweise Personenbewegungen auf Messen oder Konferenzen,  Personenbewegungen in Stadien oder Personenbewegungen in Einkaufszentren. Für die Betreiber solcher großen Infrastrukturen würden auch hier die Ergebnisse der Forschungsaktivitäten aus der zivilen Sicherheitsforschung insbesondere in der Szenarien-orientierten Visualisierung oder auch Simulation von Personenbewegungen von besonderer Bedeutung sein.

Wirtschaftlicher Hintergrund

Wie im Absatz zuvor beschrieben, werden Personenerfassungen und Personenbewegungen auch für zunehmend weniger kritischen Infrastrukturen interessant. In der sicherheitskritischen Betrachtung des BMBF werden im Sicherheitsforschungsprogramm vor allem gesellschaftlich relevante bzw. lebensnotwendige Infrastrukturen betrachtet, die ein hohes Gefährdungspotential aufweisen (Bahnhöfe, Flughäfen, etc.). Im privatwirtschaftlichen Sektor würde die Szenarien-orientierte Beschreibung von Personenbewegungen im sicherheitsrelevanten Bereich eher Themen wie die Visualisierung der Brandgefährdung oder Rettungswegeplanung in Infrastrukturen (z.B. auf einem Messegelände) beinhalten. Weiterführend wäre für die Betreiber solcher Infrastrukturen die Lenkung von Personenflüssen interessant, weil sich gerade in diesem Bereich Gefährdungspotentiale bzw. Verbesserungspotentiale insbesondere für die bautechnische Betrachtung beschreiben lassen würden und mittels Simulationsmodell berücksichtigt werden könnten (z.B. Personenflüsse in Stadien). Darüber hinaus spielt auch die durch Personenbewegung abgeleitete Zurverfügungstellung von Information eine wichtige Rolle. Beispielseise können in großen Infrastrukturen Wegeleitsysteme implementiert werden, die bedarfsgerechte Informationen über unterschiedliche Medien vorhält (z.B. Anzeigetafeln, Bildschirme, POIs ). Darauf aufbauend können moderne IKT-Systeme  auch digitale „location based“-orientierte Inhalte bezüglich unterschiedlicher Nutzergruppen bereitstellen (z.B. über ein Smartphone), damit bedarfsgerechte oder präferenzorientierte Informationen in Personenflüssen zur Verfügung stehen. Ein weit wesentlicher Betrachtungspunkt stellt auch der Bereich der verkaufsfördernden (Marketing)-Maßnahmen dar. Betreiber öffentlicher Infrastrukturen, wie beispielsweise von Einkaufszentren oder „Malls“ sind besonders daran interessiert, ihre Zentren für Besucher besonders attraktiv zu gestalten. Oftmals fehlen jedoch Werkzeuge, die den entsprechenden Erfolg von beispielsweise „verkaufsoffenen Sonntagen“ oder „besonderen Aktionen“ evaluieren können. Gerade der Aspekt von Personenerfassung und Personenbewegung sind jedoch hierbei ein wesentliches Merkmal zur Erfolgsbestimmung. Die Erfolgsbestimmung selbst würde die Betreiber auch in die Lage versetzten, ein nachhaltiges und den Mieter- und Besucherbedürfnissen angepasstes Facility- und Vermietungsmanagement zu betreiben und die Servicequalität ihrer eigenen Einrichtung zu erhöhen.

Aus der wirtschaftlichen Betrachtung gibt es eine Vielzahl von Einsatzmöglichkeiten bei denen die Bestimmung und Erfassung von Personen und die daraus abgeleitete Bewegung von Personenflüssen einen wesentlichen Ansatzpunkt zur Verbesserung von einfachen öffentlichen Infrastrukturen darstellen.