Neues Bauen in der Fremde: Wege, Wandel und Wirken der Weimarer Architekturmoderne unter den Bedingungen des Exils

Im Zentrum des von 2008 bis 2013 laufenden Forschungsprojektes steht ein vergleichender Blick auf die facettenreiche Transformation der Weimarer Architekturmoderne unter den Bedingungen von Flucht und Emigration.

Die Studie gibt einen Überblick zu den wechselvollen Lebens- und Werkgeschichten jener Akteure, deren personell-institutionelles Netzwerk 1933 unwiderruflich zerbricht, die aber in den folgenden Jahrzehnten verstreut in alle Welt entscheidenden Anteil an den theoretischen Debatten und gebauten Manifestationen der sich globalisierenden Architekturmoderne erhalten. Erstmals werden ausgehend vom aktuellen Stand der internationalen Exilforschung sowie auf Grundlage einer netzwerktheoretisch generierten Architektenauswahl die bislang isolierten Einzelmonographien und auf einzelne Zufluchtsorte ausgerichteten Länderstudien systematisch ausgewertet und ergänzt um neu erschlossene Archivquellen zu einer konzeptionell geordneten Darstellung zusammengefasst.

Im Unterschied zu früheren, enzyklopädisch ausgerichteten Forschungsbemühungen wird eine begründete Auswahl von exilierten Architekten des Neuen Bauens generiert, die das spezifische Weimarer Netzwerk zum Ausgangpunkt wählt und die historische Zugehörigkeit zu diesem Personenkreis zum entscheidenden Kriterium erhebt. Vor diesem gemeinsamen Hintergrund werden die Protagonisten in die ›Fremde‹ begleitet und ihre Werkgenesen nachgezeichnet. Damit ist es möglich, gezielt nach dem Fortwirken alter Gruppenverbindungen, nach dem Verlust eben dieser Kontakte oder aber nach der Neuformation von Netzwerkkonfigurationen zu fragen. Die gewählte Perspektive erlaubt endlich auch jene Architekten des Neuen Bauens in einen historiographischen Gesamtzusammenhang zu stellen, deren Exilwerke in den vorherrschenden Repräsentationsmustern als vermeintlich isolierte Einzelphänomene marginalisiert werden. Neben einer Auswertung der Sekundärliteratur werden die Biographien und Exilwerke der Architekten quellenkundlich aufbereitet, um damit die in der Fremde entstandenen Bauten, Projekte und theoretischen Schriften auf neue Weise umfassend zu kontextualisieren.


Die Forschungsergebnisse werden in Form eines Text-Bild-Bandes publiziert, der deutlich mehr als den Charakter eines biographischen Handbuches erhält. Ein umfassender Essay wird ebenso rezeptionskritisch wie methodologisch in das Thema einführen. Auf den nach Architekten geordneten Hauptteil folgt ein ausführliches Resümee, das jenseits von autonom-stilgeschichtlichen Werkplatzierungen und über die herkömmlichen Entwürfe homogener Stilbewegungen hinaus das theoretisch-inhaltliche Spektrum möglicher zukünftiger Forschungsbemühungen skizziert. Damit wird gleichsam ein erster Schritt in Richtung einer komparativen Wirkungsgeschichte der exilierten Weimarer Architekturmoderne getan.
Die Studie demonstriert, dass das Neue Bauen in der Fremde nicht nur von den Kontinuitäten einer gemeinsamen Herkunft gekennzeichnet ist, sondern durch die fortschreitende Entfremdung von eben diesem nationalen Entstehungsrahmen determiniert wird. Das Forschungsprojekt erkennt die Kontinuität des Wandels als ein Grundmuster architektonischen Schaffens im Zeitalter von kultureller Dislozierung und Globalisierung an.

Projektleitung
Dr. Regina Göckede

Ehemalige Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt Dr. Gabriele D. Grawe

Laufzeit Oktober 2008 bis Ende März 2013; Publikation der Forschungsergebnisse 2015

2/2010 forschung - Das Magazin der Deutschen Forschungsgemeinschaft

...Schwierige Wege in der Fremde - Wie die Exil-Erfahrung die Architekten des "Neuen Bauens" bis nach 1945 prägte... Seite 22 bis 26 PDF