Studentisches Projekt sorgt für Mobilität trotz Sehbehinderung

Eine mobile Navigations-App aus dem Studiengang Medizininformatik der BTU Cottbus-Senftenberg soll Menschen mit Sehbehinderungen die Bewegung im Alltag erleichtern.

„Bushaltestelle in 650 Metern auf 11 Uhr“, verkündet die neue Navigations-App BlindNav ihrem Nutzer über das Handy in seiner Jackentasche. In Intervallen von 20 Sekunden wird diese Sprachnachricht wunschgemäß immer wieder aktualisiert. Im Rahmen seines Bachelorstudiums der Medizininformatik hat Johannes Höna am Institut für Medizintechnologie der BTU dieses hilfreiche Instrument für Sehbehinderte entwickelt. Über BlindNav erhalten die Nutzer*innen neben den Anweisungen, die sie zum jeweiligen Ziel führen,  Informationen zu ihrer unmittelbaren Umgebung. Beispielsweise können sogenannte Points auf Interest – wie Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel, Bildungs- beziehungsweise medizinische Einrichtungen, Restaurants, Supermärkte – in einem selbst bestimmten Radius ermittelt und Informationen zu diesen ausgewertet werden.

Der Fokus liegt auf dem Aspekt der Konfigurierbarkeit. So können sich die Nutzer*innen die Adresse, Richtung und Entfernung ansagen lassen, dabei Geschwindigkeit und Intervall der Sprachausgabe nach Belieben anpassen. Die neue mobile Navigitions-App BlindNav optimiert viele Funktionen der gängigen Apps auf diesem Gebiet und vereint diese. Ein beständiger Wechsel zwischen verschiedenen Apps ist somit nicht mehr erforderlich.

Als Student der Medizininformatik begann Johannes Höna bereits Ende 2019 im Rahmen eines Softwarepraktikums bei Prof. Dr. Ingrid Bönninger mit der Arbeit daran. Seither wurde die mobile App von ihm im Zusammenwirken mit dem blinden Diplominformatiker Marco Retzlaff stetig weiterentwickelt. Und gegenwärtig ist sie das Thema der Bachelorarbeit von Johannes Höna.

Marco Retzlaff, der die Navigations-App in Auftrag gab, ist Inhaber des SehNix® – Computer- und Beratungsservice in Senftenberg und Absolvent der Hochschule am Standort Senftenberg. „Bisherige Entwicklungen dieser Art erfüllten meine Bedürfnisse nur unzureichend“, erinnert er sich. „Ich benötige eine App, die nicht nur auf einzelne Bereiche wie den öffentlichen Nahverkehr fokussiert oder einen festgelegten Radius hat, sondern mich darüber entscheiden lässt, was ich angesagt haben möchte.“

Gegenwärtig testet Marco Retzlaff die App hinsichtlich Funktionalität und Bedienbarkeit. Geplant ist es, diese künftig einem größeren Kreis von Nutzer*innen zur Verfügung zu stellen.

„Die Navigations-App BlindNav verfügt über zahlreiche individuell einstellbare Filtermöglichkeiten“, weiß ihr Entwickler Johannes Höna. „So kann man sich in einem Radius von 50 Metern, aber auch von mehreren Kilometern bewegen. Das große Problem der Richtungsanzeigen konnte durch Uhrzeitangaben gelöst werden."
Ein weiterer Vorteil: Nutzer*innen können das Mobiltelefon in der Tasche tragen. Die Hände bleiben frei. Eine problemlose Umstellung vom Fußgängermodus auf den öffentlichen Nahverkehr ermöglicht, sich die nächsten Haltestellen in Kilometern oder Minuten ansagen zu lassen, um sich auf den Ausstieg vorzubereiten. Ihre Informationen bezieht die App von OpenStreetMap – einem freien Projekt, welches mithilfe der Community Geodaten sammelt und in einer Datenbank offen zugänglich macht.

"Das Studium der Medizininformatik ist  sehr anwendungsbezogen“, betont Prof. Ingrid Bönninger. Im fünften Bachelor-Semester treffen die Studierenden im Rahmen ihres Softwarepraktikums die Wahl aus ganz unterschiedlichen realen Themen, an deren Lösung wirklicher Bedarf besteht. Ihre Kompetenzen werden in völlig neuen Bereichen gefestigt. Es ist für jeden sowohl ein neues Abenteuer als auch ein großer Vorteil, sich ein halbes Jahr lang intensiv mit einem Thema zu befassen und dieses oftmals auch für die Bachelor-Arbeit nutzen zu können.“

Medizininformatik verbindet als Studiengang Wissen aus der Informatik und den Informationstechnologien mit Wissen aus der Medizin: Wissen mit viel Praxis. Medizininformatik (oder: Medizinische Informatik) ist ein interdisziplinäres Studium. Dort, wo zwischen Medizin und IT theoretisch eine Grenze verläuft, baut Medizininformatik Brücken zwischen den beiden Disziplinen – für eine Medizin, die den Patienten bestmöglich dient, für eine Forschung, die Grenzen überwindet.

Fachkontakt
Prof. Dr.-Ing. Ingrid Boenninger
Institut für Medizintechnologie
T +49 (0) 3573 85-613
E ingrid.boenninger(at)b-tu.de

Johannes Höna
E Johannes.Hoena(at)b-tu.de

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Student Johannes Höna mit Prof. Dr. Ingrid Bönninger in der Medizininformatik der BTU. Foto: Ralf-Peter Witzmann, BTU