Stand der Forschung (1. Phase)

Am Ilmenauer Fass, dem bis dato weltweit größten Rayleigh-Bénard Experiment, soll der Wärmetransport zwischen einer beheizten Bodenplatte und einer gekühlten Deckplatte untersucht werden. Der Durchmesser der Konvektionszelle beträgt 7,15 m und der Abstand der Platten kann von 0,7 m auf 6,3 m eingestellt werden. Die Relation von horizontaler zu vertikaler Ausdehnung beschreibt das Aspektverhältnis. Dieses ist von 1,13 bis 100 einstellbar. Auf Grund dieser Abmessungen ist eine Untersuchung von sehr kleinen Strömungsstrukturen mit Hilfe von kommerzieller Messtechnik möglich. Von zentralem Interesse ist der dimensionslose Wärmetransport, welcher durch die Nusselt Zahl ausgedrückt wird. Die Nusselt Zahl beschreibt das Verhältnis von konvektivem zu diffusiven Wärmetransport zwischen Kühl- und Heizplatte.

Mit Hilfe von Wärmestromsensoren, die durch eine Reihenschaltung von Thermoelementen realisiert werden, soll der zugeführte bzw. abgeführte Wärmestrom bei unterschiedlichen Aspektverhältnissen an Heiz- bzw. Kühlplatte untersucht werden. Anhand dieser Daten können globale Strömungstrukturen (Einwalzen-, Zweiwalzen- bzw. Mehrwalzenstruktur) beobachtet werden. Die Untersuchung von lokalen Wärmeströmen erfolgt mit Hilfe einer Thermografiekamera. Hierzu wird auf die Heizplatte ein Gummi (Dicke ca. 5 mm) flächendeckend aufgeklebt. Über dieser Gummischicht entsteht ein Temperaturabfall der mit Hilfe der Thermokamera gemessen werden kann. Ausgehend von dieser Temperaturdifferenz ist die Berechnung des lokalen Wärmestroms möglich.

Ziel dieses Projektes ist unter anderem die Erforschung des Einflusses der Seitenwände auf den Wärmetransport, sowie die Untersuchung des lokalen und globalen Wärmestromtransportes in Abhängigkeit vom Aspektverhältnis

Das Ilmenauer Fass ist ein Großgerät zur Untersuchung turbulenter Konvektions-strömungen.

Der Treibhauseffekt erwärmt die Erde. Wie wird unser Klima morgen sein? Eine zuverlässige Antwort auf diese Frage ist heute noch nicht möglich. Zu wenig wissen wir über turbulente Strömungen die den Wärme- und Schadstofftransport in der Atmosphäre sowie in den Ozeanen kontrollieren. Das "Ilmenauer Fass" ist ein weltweit einzigartiges wissenschaftliches Großgerät, welches faszinierende Einblicke in die noch unerforschte Feinstruktur turbulenter Strömungen gestattet. In dem Fass wird Luft zwischen einer Heizplatte und einer frei hängenden Kühlplatte in turbulente Bewegung versetzt, ähnlich wie Luft über einer heißen Asphaltstraße oder Wasser in einem Kochtopf. Die große Abmessung und hohe Präzision des Ilmenauer Fasses machen es möglich, selbst kleinste Wirbel millimetergenau auszumessen. Dies geschieht mittels hochmoderner Laserverfahren und neu entwickelter Miniaturströmungssensoren. So hilft uns der "Sturm im Wasserglas", unsere Umwelt besser zu verstehen.

Um Reynoldszahlen von 106 zu erreichen und das Drehmoment zu messen, wurde ein bisher laufendes Taylor-Couette Experiment in verschiedenen Punkten modifiziert. Zum einen war es nötig den Antrieb zu erneuern um die nötigen Reynoldszahlen zu erreichen. Hierbei wurden die bisherigen Motoren der Zylinder durch deutlich stärkere ersetzt. Dies machte es auch nötig die Übersetzung zu überarbeiten. Nun stehen an der Anlage ein 1,5 kW Motor für die Rotation des Außenzylinders sowie ein 1,3 kW Motor für die Innenrotation zur Verfügung. Die bisherigen Motoren werden nun genutzt um die Deckelplatten anzutreiben. Im Laufe der bisherigen Projektlaufzeit wurde ein neuer Innenzylinder mit Drehmomentmesseinrichtung konstruiert, gefertigt und in das Taylor-Couette Experiment integriert. Verschiedene Modifizierungen zur Verbesserung der Stabilität des Experimentes wurden vorgenommen. Die Messungen des Drehmomentes bei unterschiedlichen Rotationsparametern sind nun möglich. Im Falle, dass der äußere Zylinder rotiert während der innere ruht wurden deutlich höhere Momente beobachtet als erwartet. Dieses Phänomen wird noch eingehender untersucht werden.

Die Strömung wurde durch optische Methoden (PIV, LDA) beobachtet und analysiert (Video). Insbesondere sollen die Geschwindigkeitsprofile bei relativ niedrigen Reynoldszahlen genutzt werden um das Experiment (TC-1) mit der Numerik in Marburg (TC-2) zu vergleichen. Ebenfalls werden die Drehmomentdaten zu Rate gezogen. Aus der Analyse einer PIV Messung mit Lichtschnitt in meridionaler Ebene konnten bei Reynoldszahlen von 50.000 auch noch stabile Wirbelstrukturen nachgewiesen werden. Dabei sind diese starken turbulenten Schwankungen ausgesetzt. Für einen besseren Zugang optischer Messungen haben wir ein weiteres Taylor-Couette Experiment mit identischer Geometrie aufgebaut. Hierbei sind die Deckelplatten transparent gehalten und rotieren mit dem Außenzylinder. Untersuchungen der azimuthalen und radialen Geschwindigkeiten sind mit diesem Experiment mit höheren Genauigkeiten möglich. Beide Experimente sind vollständig aufgebaut und betriebsbereit.

Das Drehmoment für turbulente Taylor-Couette Strömungen wurde bei Scher-Reynoldszahlen (Re) von bis zu 30000 mit Hilfe von direkten numerischen Simulationen studiert. Die Rechnungen wurden für ein axial-periodisches System mit einem Aspektverhältnis (Höhe/Spaltbreite) von 2 durchgeführt. Das untersuchte System wies ein Radienverhältnis (η) von 0.71 auf. Dies ermöglicht direkte Vergleiche mit bestehenden experimentellen Drehmomentdaten und mit zwei Experimenten, die innerhalb der Forschergruppe aufgebaut werden. Verschiedene Gesamtrotationszustände wurden für die untersuchten Scher-Reynoldszahlen realisiert. Anhand von drei unabhängigen Konvergenzkriterien haben wir die Genauigkeit der Rechnungen überprüft.

In diesen Simulationen wurden sowohl der Transport der Winkelgeschwindigkeit an Hand des Winkelgeschwindigkeitsstroms Jω, welcher das Drehmoment ergibt, als auch die Energiedissipation ε studiert. Wir haben die räumlichen und zeitlichen Fluktuationen des Stroms auf zylinderförmigen Querschnitten an den Wänden und in der Mitte des Spalts untersucht. In der Mitte sind die Fluktuationen viel stärker. Die Wahrscheinlichkeitsdichten der räumlichen Fluktuationen an den Zylinderwänden wurden erfolgreich mit experimentellen Beobachtungen verglichen.

Unsere Simulationen zeigen die Entstehung eines Drehmomentmaximums für eine moderate Gegenrotation, wenn die Reynoldszahl 30000 erreicht. Dieses Maximum ist bekannt von Experimenten mit signifikant höheren Reynoldszahlen ( Re~105−106 ). Schließlich ermöglicht die Berechnung von radialen Profilen der Winkelgeschwindigkeit die Identifikation von Grenzschichtdicken, welche mit der funktionalen Abhängigkeit des Drehmoments von der Scherung und der Gesamtrotation in Verbindung gebracht werden kann.

Gleichzeitig zu dieser Arbeit analysieren wir auch den Limes η→1, unter dem die Taylor-Couette Strömung in die rotierende ebene Couette-Strömung übergeht. Für diese Simulationen verwenden wir eine parallelisierte Version von channelflow. Hier werden analoge Größen auf ähnliche Weise studiert um den Einfluss der Krümmung auf die Dynamik zu untersuchen.

Trotz der Tatsache, dass die voll entwickelte laminare Rohrströmung (RS) linear stabil ist, wird in der Realität eine Transition der laminaren Strömung zu einem turbulenten Strömungszustand beobachtet. Wird in der Strömung bei niedriger Re-Zahl eine lokalisierte Störung induziert, treten bestimmte Strömungsstrukturen vor und während der Transition auf. Als solche Strömungsstrukturen sind seit geraumer Zeit Puff- und Slug-Strukturen bekannt. Vor kurzem wurden numerisch vor der Transition großskalige Strömungsstrukturen, sogenannten Traveling Waves (TW), die exakte instationäre numerische Lösungen der Navier-Stokes Gleichungen sind, nachgewiesen. Es ist jetzt von großem Interesse, diese Strömungsstrukturen auch experimentell zu untersuchen, da noch keinerlei Erkenntnisse über die Art und die Stärke der Störungen vorliegen, welche zu diesen Strukturen führen. Ferner ist die Entwicklung der Transitionsstrukturen bei zunehmender Re-Zahl, noch nicht vollständig klar. So ist zum Beispiel unbekannt, ob sich nur bestimmte TW-Typen zu turbulenten Puffs oder Slugs weiterentwickeln. Unabhängig von dieser dynamischen Beschreibung der Turbulenzvorgänge haben kinematische Untersuchungen der Anisotropie von Geschwindigkeitsfluktuationen gezeigt, dass Anisotropie-Invarianten von Geschwindigkeitsfluktuationen während der Transition bestimmten Pfaden folgen. Was nun aussteht, ist eine Zusammenführung der Ergebnisse der Betrachtungen zur Dynamik der transitionalen Strömungsstrukturen mit denen der kinematischen Untersuchungen. Das vorgeschlagene Projekt zielt deshalb darauf ab, den Mechanismus der Entstehung von TW in Rohren, den Zusammenhang zwischen den TW und den turbulenten transitionalen Puff- bzw. Slug-Strukturen sowie die Grenzen zwischen ihnen experimentell zu untersuchen. Darüber hinaus soll die Verbindung zwischen den dynamischen und kinematischen Befunden über transitionale Strukturen hergestellt und daraus Strategien zur Kontrolle der Transition konzipiert werden. Dazu werden Geschwindigkeitsmessungen mit der Hitzdrahtanemometrie und mit Stereo-PIV durchgeführt und für die direkte Bestimmung der Lebensdauer von Puff-Strukturen werden Drucktransienten gemessen. Mit Hilfe von Strömungsvisualisierungen in Verbindung mit Mustererkennung und Optimierungsalgorithmen werden die optimalen Störungsparameter zur Erzeugung der verschiedenen TW-Typen identifiziert. Die Entwicklung einer Technik zur gezielten Erzeugung von verschiedenen Formen von TW auf eine reproduzierbare Art und Weise, ermöglicht es, in der zweiten Projektphase das Geschwindigkeitsfeld in den TW quantitativ zu untersuchen und die Entwicklung von TW im Rohr bis ins turbulente Stadium zu verfolgen. Schließlich werden die gemessenen Profile der turbulenten Spannungen und deren Anisotropie, die Wahrscheinlichkeit des Auftretens und die Lebensdauerstatistik sowie die räumliche Topologie der kohärenten Strömungsstrukturen analysiert im Vergleich mit denjenigen, die in Taylor-Couette-Strömungen (TC) und der Rayleigh-Bénard-Konvektion (RB) vorgefunden werden. Übergreifendes Ziel ist es, die gemeinsamen Transportmechanismen in diesen Strömungen aufzuzeigen.

Dieses Projekt umfasst drei Teile:

Die Dynamiken und Kinematiken von Puff, Puff-Splittung und Slug werden mit Hilfe von Hitzdraht- und Druckmessungen am verfügbaren Versuchstand für Transition in einer Rohrströmung untersucht. Durch Modifikation des Versuchstandes sollen turbulente Spannungen und deren Anisotropien innerhalb der Transitionsstrukturen genau gemessen werden. Hierzu wird ein Rohr mit größerem Durchmesser eingesetzt um eine höhere räumliche Auflösung der Hitzdrahtsonden zu erreichen.

Es sollen Untersuchungen der verschiedenen TW- Formen, welche mittels einer effizienten Störung, basierend auf genetischen Optimierungsalgorithmen, generiert werden, erfolgen. Für die Messungen kommen zwei High-Speed-Kameras gekoppelt mit Strömungsvisualisierungsmethoden zum Einsatz.

Mit Hilfe von Stereo-PIV-Messungen sollen Untersuchungen von Dynamiken und Kinematiken innerhalb jeder TW-Form und anderer Transitionsstrukturen durchgeführt werden.

Hierarchisches Auftreten von turbulenten Transitionsstrukturen

Der erste Teil des Projekts wird am bestehenden Transition-Rohrströmungsversuchstand des LSTM-Erlangen durchgeführt. Allerdings haben Vorstudien gezeigt, dass die Bestimmung der Reynolds-Zahl und der zuverlässige Betrieb der Störeinheit während einer Messreihe, welche mehr als eine Woche dauert, Schwankungen unterliegt und somit nicht alle einzelnen Messungen für eine Auswertung nützlich sind. Daher ist die Anlage mit zusätzlichem Druck-Transducer für eine genaue Bestimmung der Reynolds-Zahl ausgestattet und die Störeinheit für eine bessere Zuverlässigkeit weiterentwickelt worden. Die Integration aller eingesetzten Geräte in ein umfassendes DAQ-Programm ermöglichte es, Langzeitmessungen durchzuführen. Zur effizienten Verarbeitung der großen Anzahl von Realisierungen und zur Objektivierung der Transitionsstrukturerkennung wurde ein automatischer Erkennungsalgorithmus entwickelt und programmiert. Die ausgewerteten Daten werden aufgetragen als Eintrittswahrscheinlichkeit der verschiedenen transitionellen Strömungsstrukturen am Rohrende bei unterschiedlichen Rohrlängen und Reynoldszahlen.

Verfolgung der turbulenten Transitionsstrukturen

Die Wahrscheinlichkeitsstatistiken, welche mit dem vorliegenden Versuchstand bestimmt wurden, sind nicht an jene aus der Literatur angepasst. Es bestand der Verdacht, dass die Funktionsweise der Störeinheit in unserem Versuchstand möglicherweise nicht immer eine turbulente Struktur generiert. Deshalb wurde beschlossen, jede einzelne Störung entlang des Rohres zu verfolgen und die Konsistenz in unserer Evaluierung zu erhöhen. Für diesen Zweck wurde ein Hitzdrahtsensor entwickelt, dessen Draht über den gesamten Rohrdurchmesser gespannt und dessen Hochtemperaturbereich in der Rohrmitte gelegen ist. Durch die Wahl eines sehr dünnen Drahtes wird der Einfluss auf die maximale Re-Zahl um den Draht unter 100 gehalten, sodass im Nachlauf kein instationärer Zustand erzeugt wird. Aktuell stehen nur 8 neuentwickelte Sensoren und Brücken zur Verfügung. Die Messungen mit diesem System zeigen, wie sich eine Störung entlang des Rohres entwickelt. So können Störungen durch mehrfaches Splitting und Merging zerfallen (Re < 2200) oder beginnen zu wachsen (Re > 2200). Darüber hinaus darf die Abhängigkeit des Störtyps nicht vernachlässigt werden.

Unsere Vorversuche haben gezeigt, dass die Länge unserer Rohrleitung nicht ausreicht, um den Bereich (Re <2200) der Dissipation zu untersuchen. Darüber hinaus ist der Splitting-Effekt außerdem eine Frage der Laufzeiten der Strukturen. Deshalb ist mit dem Aufbau einer Rohrleitung von 47 m begonnen worden, in der 35 neu entwickelte Sensoren eingebaut sind. Dadurch kann jede einzelne induzierte Störung in der Strömung verfolgt werden.

Anders als in vielen anderen Strömungen tritt bei der druckgetriebenen Strömung durch ein zylindrisches Rohr Turbulenz auf, ohne dass das parabolische, laminare Profil linear instabil wird. Die 2003 von uns entdeckten dreidimensionalen Strömungstrukturen, die in Sattel-Knoten Bifurkationen entstehen und transient in der Strömung sichtbar werden, öffnen einen neuen Zugang zum Verständnis und zur Beschreibung des Übergangs. Im Rahmen des Projektes numerische Simulationen werden durchgeführt um drei noch offene Fragen bei mittleren und kleinen Reynoldszahlen aufzuklären: (i) warum klafft wischen dem Auftreten der ersten dieser Strukturen (bei Re unterhalb von 800) und den experimentellen Sichtungen (ab etwa 1600) eine Lücke? (ii) welcher Zusammenhang besteht zwischen den bisher identifizierten räumlich +ausgedehnten laufenden Wellen und der Lokalisierung der Turbulenz in Puffs bzw. dem Wechsel von Puffs zu Slugs bei höheren Reynoldszahlen? (iii) wie hängen die Phasenraumstrukturen mit der Lebensdauer turbulenter Strömungen zusammen?

In der zweiten Phase des Projektes liegt der Fokus bei den globalen Bifurkationen die zum Entstehen des Repellors führen, der weiteren Charakterisierung des Verhaltens in der Umgebung des kritischen Punktes, der Entwicklung von Kontrollverfahren, mit denen laufende Wellen numerisch und experimentell (in Zusammenarbeit mit Projekt RS-2) stabilisiert werden können und bei der Entwicklung reduzierter Modelle.