Forschung

NEUE PRODUKTE AUS NACHWACHSENDEN ROHSTOFFEN

Die Natur synthetisiert eine beeindruckende Vielfalt von nieder- und makromolekularen Strukturen, die nach geeigneter Aufbereitung als Ausgangsstoffe für Biopolymerprodukte verschiedenster Art dienen können. Nachhaltige Innovationen für die stoffliche Nutzung nachwachsender Rohstoffe stellen daher, in Einklang mit dem gesellschaftlichen Megatrend der Nachhaltigkeit und in Richtung auf eine biobasierte Ökonomie, das Grundanliegen der Biopolymerforschung am Fraunhofer IAP dar.

Wichtige Ausgangsstoffe sind dabei Lignocellulose (z.B. Holz), Zellstoff, Lignin, Stärke und Proteine, aber auch Kohlenhydrate für Fermentationen sowie Reststoffe aus der Agrarwirtschaft wie Stroh, Rübenschnitzel oder Haferspelzen. Andererseits spielen (teil)biobasierte Thermoplaste eine zunehmende Rolle. Weitreichende Möglichkeiten der Compoundierung gestatten die Kombination der Thermoplaste mit den o.g. nativen Polymeren und die Realisierung biobasierter Materialentwicklungen. Für anschließende Verarbeitungsversuche stehen Spritzguss, Flach- und Blasfolienextrusion, Extrusionsblasformen, Faserspinnen und Thermoformen in verschiedenen Maßstäben zur Verfügung. Alle Entwicklungen werden durch eine vielfältige chemische und physikalische Analytik sowie Materialprüfung und Strukturanalyse begleitet.

 

Fasern, Folien und Nonwovens

Für die Herstellung von Fasern, Folien und Nonwovens werden neue Verfahren entwickelt aber auch etablierte Verfahren optimiert und an alternative Rohstoffe angepasst. In der Anwendung von Celluloseregenerat-Technologien stehen neben dem Viskoseverfahren umweltfreundliche Alternativen wie die Lyocell-Technologie und das Carbamatverfahren im Vordergrund. Darauf angepasste, umfangreiche und variable Anlagen zum Lösungsspinnen stehen im Labor- und Technikumsmaßstab zur Verfügung. Besonderes Highlight ist eine modular aufgebaute, anpassbare Nassspinnlinie mit der Garne mit bis zu 3000 Filamenten ersponnen werden können. Die Forschungsarbeiten in diesem Bereich konzentrierten sich auf cellulosische Systeme in Kombination mit anderen biobasierten Komponenten, sowie deren Spinnbarkeit und Eignung als Precursor für Carbonfasern.

Für das Schmelzspinnen steht eine Biokomponentenanlage mit einer Abzugsgeschwindigkeit von bis zu 1800 m/min zur Verfügung, mit der industrielle Schmelzspinnprozesse abgebildet werden können. Im Vordergrund standen in den letzten Jahren das Verarbeitungsverhalten biobasierter und konventioneller Thermoplaste und Untersuchungen zur Bikomponentenfasern auf der Basis von PP und MSA-PP einerseits und PLAandererseits, wobei PDLA und PLLA kombiniert wurden, um höhere thermische Beständigkeiten zu erzeugen.

Zur Konvertierung von Precursoren zu Carbonfasern stehen zwei Dreizonenöfen bis 900 °C und ein Carbonisierungsofen mit 6 Zonen bis 2000 °C zur Verfügung. Über die spannungsgeregelten Fadenführungen können Multifilamentgarne während der Prozesse gezielt deformiert und so optimierte Konvertierungsregimes realisiert werden. Es erfolgen detaillierte Prozessoptimierungen ausgehend von selbst ersponnenen alternativen Precursormaterialien.

Biobasierte Mehrschichtfolien und optimierte Rezepturen für die Blasfolienverarbeitung sowie Tiefziehen 3D-Druck und Herstellung von Minigranulaten waren und sind Themenfelder, die im Verarbeitungstechnikum Biopolymere des Fraunhofer IAP in Schwarzheide bearbeitet werden. In enger Kooperation mit den Unternehmen werden Lösungen erarbeitet, um die anwendungsspezifischen Anforderungen auf der Basis biobasierter bzw. bioabbaubarer Materialsysteme zu erfüllen und Verarbeitungsverfahren zu validieren.

Alle Strukturbildungsprozesse werden durch eine detaillierte Analytik und Strukturcharakterisierung (Elektronenmikroskopie, Röntgenbeugung, Spektroskopie, etc.) begleitet. Auf diese Weise werden Verarbeitungs-Struktur-Eigenschaftskorrelationen aufgeklärt, die eine effektive Optimierung der Prozesse gestatten.

 

Biobasierte Composite und Blends

Faserverstärkte biobasierte oder partiell biobasierte Spritzguss-Compounds mit cellulosischer Verstärkung bilden seit langem ein Thema im Bereich »Biopolymere«. Einerseits werden lignocellulosische Produkte aus Restströmen (z.B. Bagasse) aufbereitet und auf deren Eignung zur Verstärkung von Thermoplasten hin untersucht und entsprechende Rezepturen und Verfahren entwickelt. Andererseits spielen Celluloseregeneratfasern als Verstärkungsmaterial nach wie vor eine wichtige Rolle. Besonders im Vergleich zu PLA höher schmelzende (teil)biobasierte Thermoplaste wie Polyamide oder Terephthalsäurepolyester stellen eine Herausforderung für die Celluloseregeratfaserverstärkung dar. Durch geeignete Faservorbehandlungen mit Stabilisatoren konnten hier Fortschritte erzielt werden.

Die Verwendung von lignocellulosischen agrarischen Reststoffen in Verbindung mit Commodity-Thermoplasten, wie Polyethylen oder Polypropylen, stellt einen weiteren Forschungsgegenstand dar. Es wurden mit dem Ausgangsstoff Bagasse Füllgrade von 80 Prozent erreicht, wobei die mechanischen Eigenschaften auf einem hohen Niveau blieben und die Eignung des Stoffsystems für Anwendungen im Bereich der Holz-Polymer-Verbunde (WPC) zeigen. Hohe Wärmeformbeständigkeiten zusammen mit ausgezeichneter Rezyklierbarkeit und geringen Erfordernissen an die Faseraufbereitung sind weitere Vorteile der Materialkombination.

Die Überführung lignocellulosischer Komponenten aus Restströmen in thermoplastisch verarbeitbare Materialien stellt einen weiteren Ansatz zur Nutzung biobasierter Roh- bzw. Reststoffe dar. Ausgehend von Erfahrungen bei der Veresterung von Lignocellulose in ionischen Flüssigkeiten wurden kostengünstigere Reaktionsmechanismen identifiziert und auf Bagasse als Rohstoff angewendet. Die anschließende thermoplastische Verarbeitung und Materialtestung zeigten die Tragfähigkeit dieses Ansatzes.

 

Derivate für weitere Anwendungen

Die heterogene und homogene Derivatisierung von Cellulose, Stärke und weiterer Polysaccharide sowie von Lignin zur gezielten Einstellung gewünschter Produkteigenschaften stellt ein Gebiet dar, auf dem eine Reihe von Spezialprodukten für verschiedene Anwendungsfelder entwickelt werden. Verfahren zur Herstellung von perlförmigen Trenn- und Trägermaterialien, Folien mit Barriereeigenschaften, Verdickungsmittel, Adsorber, Thermoplaste und Duroplaste sowie Derivate für den Einsatz in der Medizin wurden bis zur Überführungsreife entwickelt. Durch die Erzeugung von spezifischen Substitutionsmustern an den freien OH-Gruppen in den Zuckereinheiten der Polysaccharide bzw. an den aliphatischen oder aromatischen Einheiten im Lignin kann das Eigenschaftsprofil der Endprodukte hydrophil oder hydrophob variiert werden. Die Arbeiten an neuen Derivaten sind in der Regel mit einer Prozessentwicklung gekoppelt, die bis in den Technikumsmaßstab (50 L-Reaktor) reicht.

 

Stärkeprodukte nach Maß

Der Rohstoff Stärke bietet ein sehr vielfältiges Entwicklungspotenzial. Neben physikalischer, säurehydrolytischer und enzymatischer Behandlung der Stärke gewinnt die chemische Funktionalisierung zunehmend an Bedeutung. In Abhängigkeit von der molekularen Struktur sind gewünschte Eigenschaften für eine Vielzahl von Anwendungsbereichen einstellbar; beispielsweise für biobasierte Verpackungsmittel, Papier, Wellpappe, Klebstoffe, Coatings, Bindemittel und Flockungsmittel. Auch im Klebstoffsektor spielen biobasierte Lösungen eine immer größere Rolle. Hier werden sowohl bilaterale Projekte mit Industriepartnern als auch von der öffentlichen Hand geförderte Projekte in Zusammenarbeit mit der Industrie bearbeitet. Stärke- und Proteinprodukte mit dem Vermögen zur Bildung transparenter, flexibler und reißfester Schichten für wasserlösliche und wasserstabile Filme und Coatings stellen die Ziele in weiteren Projekten dar.