Othmar Hermann Ammann (1879 – 1965) Würdigung

Othmar Hermann Ammann war Zeit seines Lebens ein arbeitsamer und ruhiger Ingenieur, der nie wirklich im Rampenlicht stehen wollte. Mit einer ihm eigenen Wissbegierde, konstruktiver Begabung und Phantasie gestaltete er schon während seines Studiums kühne Projekte. Der dabei aufkommende Hunger nach Wissen und Erfahrung trieb ihn nach seinem Studium ohne Pause nach Deutschland und schließlich bis in die Vereinigten Staaten von Amerika, wo zu diesem Zeitpunkt die Elite der Brückenbauer sich an gewaltigen Visionen und Projekten übte. Mit seiner akribischen und ruhigen Art gelang es ihm schließlich bis zum stellvertretenden Chefingenieur des erfolgreichsten Brückenbauer seiner Zeit, Gustav Lindenthal (1850-1935), aufzusteigen. Als er sich in dessen Büro im Streben nach größeren Projekten eingeengt sah, verließ Ammann Lindenthal und wurde selbstständig. Hier gelang es ihm, seine Träume zu verwirklichen und die bis dahin mit Abstand längste Brücke zu konstruieren. Selbst als Angestellter im öffentlichen Dienst bei der New Yorker Hafenbehörde gelang ihm in der Brückenbaukunst ein konstruktiver Meilenstein nach dem anderen. 

Der Sohn einer bürgerlichen Familie und späterer Diplomand der Züricher ETH wurde zu einem der größten und einflussreichsten Brückenbauer der Neuzeit. Seine Bauwerke, Thesen und Erkenntnisse sind bis heute Maßstäbe im Brücken- und Tunnelbau. Auch wenn Ammann nicht direkt an den gewaltigen Brücken, die nach ihm gebaut wurden, mitwirkte, so beeinflusste er sie doch durch sein Lebenswerk immens. 

Für sein Lebenswerk als Brückenkonstrukteur und Verfasser zahlreicher wissenschaftlicher Schriften zum Thema Brücken- und Stahlkonstruktion wurde Othmar Hermann Ammann bereits während seiner Schaffenszeit mit zahlreichen Ehrentiteln und Würdigungen ausgezeichnet. So erhielt er bereits 1930 eine Ehrenpromotion der ETH Zürich. Weitere Ehrenpromotionen folgten: 1932 New York University, 1937 Pennsylvania Military Academy, 1941 Columbia University, 1956 Brooklyn Polytechnic Institute und 1964 der Fordham University.

Bei Ingenieuren wie Architekten war er gleichermaßen anerkannt. 1960 erhielt er die „Ernest E. Howard“-Auszeichnung der American Society of Civil Engineering (ASCE) und 1961 den Award of Merit der New Yorker Sektion der amerikanischen Architektenvereinigung AIA unter anderem aufgrund der außerordentlichen Eleganz seiner Brücken und für die Inspiration der mit ihm zusammenarbeitenden Architekten. 1962 erhielt er die Goldmedaille der nationalen AIA. Im Laufe der Zeit wurden auch zahlreiche seiner Brücken von verschiedenen Institutionen wie dem ASCE und dem American Institute of Steel Construction ausgezeichnet. 

Der „Ritterschlag“ wurde Ammann aber am 13.11.1964 zuteil. Ihm wurde an jenem Tag durch den amerikanischen Präsidenten Lyndon B. Johnson die National Medal of Science überreicht. Ammann war der erste Bauingenieur, der diese Auszeichnung erhielt. In der Laudatio hieß es u.a.: „For a half century of distinguished leadership in the design of great bridges which combine beauty and utility with bold engineering concept and method.“ [WIDMER 1979, S. 4] 

[Stüssi 1974, S. 82-89; Widmer 1979, S. 49-96]