„Wessen ostdeutsche Kunst ist das?“
„Wessen ostdeutsche Kunst ist das?“, fragte die amerikanische Kunsthistorikerin April Eisman bereits 2017. Um diese Frage in einem größeren Kontext zum wissenschaftlichen Umgang mit der Kunst aus Ostdeutschland ab 1945 bis heute erörtern zu können, veranstalten Prof. Dr. Sylvia Claus (Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg (BTU), Institut für Bau- und Kunstgeschichte), Prof. April Eisman (Iowa State University/Transatlantic Institute for East German Art - TIEGA) und Dr. Angelika Weißbach (Museum Utopie und Alltag / Kunstarchiv Beeskow) vom 19. bis 22. Juni 2024 gemeinsam mit der Ostdeutschen Sparkassenstiftung ihre erste Sommerakademie für ostdeutsche Kunst.
„Die Geschichte der ostdeutschen Kunst auf den Zeitraum von gerade einmal 40 Jahren DDR zu reduzieren, bedeutet diese Kunst zu marginalisieren und ihre aktuelle Relevanz gerade für die Gegenwart nicht zu begreifen. Auf der Sommerakademie werden wir daher nicht nur fragen, was ostdeutsche Kunst eigentlich ist, sondern auch, welche historische und gesellschaftliche Bedeutung sie etwa für die gegenwärtige Ost-West-Debatte hat und wie wir ihre künstlerischen Qualitäten erfassen können“, erklärt Prof. Dr. Sylvia Claus, Professur Kunstgeschichte und Leitung Institut für Bau- und Kunstgeschichte an der BTU.
Eingeladen sind Doktorand*innen, Nachwuchswissenschaftler*innen sowie etablierte Wissenschaftler*innen und Kurator*innen auf dem Gebiet der ostdeutschen Kunst. Insgesamt werden zwölf Personen teilnehmen, damit tiefgehende Auseinandersetzungen mit originalen Kunstwerken genauso möglich sind wie intensive Diskussionen zum verwendeten Vokabular oder das Hinterfragen von Stereotypen. Dabei sollen weniger die politischen Strukturen im Vordergrund stehen, sondern vielmehr eine differenziertere Auseinandersetzung mit der Kunst und den Künstler*innen in der DDR.
Ein zentrales Ziel der Sommerakademie ist, eine Grundlage für zukünftige Forschung zu schaffen und gleichzeitig ein Netzwerk von Wissenschaftler*innen aufzubauen, das dazu beitragen soll, der Isolation entgegenzuwirken, der sich viele Doktorand*innen und Nachwuchswissenschaftler*innen aufgrund der Marginalisierung des Themas innerhalb des Universitätssystems gegenübersehen.
„Nach der erfolgreichen Tagung Ostdeutsche Kunst: Bestandsaufnahme und Perspektiven, die wir gemeinsam mit dem Kunstmuseum Moritzburg in Halle (Saale) und dem Dresdner Institut für Kulturstudien im September 2023 durchgeführt haben, freuen wir uns, beim Aufbau eines Netzwerkes mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verschiedener Generationen unterstützen zu können. Uns geht es dabei nicht nur um einzelne Projektförderungen, sondern darum, ostdeutsche Kunst bundesweit und international zu stärken und mit dazu beizutragen, mögliche Vorurteile abzubauen“, so Patricia Werner, Geschäftsführerin der Ostdeutschen Sparkassenstiftung.
Die erste Station wird Beeskow sein, wo der amerikanische Germanist und Filmwissenschaftler Prof. Dr. Stephen Brockmann in einem Abendvortrag eine Außenperspektive auf das Thema vorstellt, indem er anlässlich seiner neuesten Publikation über 1990 und die „letzte DDR“ sprechen wird. Danach bietet das Kunstarchiv Beeskow mit seinem speziellen, in der DDR öffentlich erworbenen Bestand an Malerei, Grafik und Skulptur zahlreiche Anknüpfungspunkte für Bildanalysen und Kontextualisierung. Über Eisenhüttenstadt, wo Alltagskultur sowie Architektur und Städtebau in der DDR beispielhaft zu erleben sind, zieht die Sommerakademie weiter nach Cottbus. Hier sind durch die wichtige Kooperation mit dem Brandenburgischen Landesmuseum für Moderne Kunst tiefe Einblicke in eine klassische Kunstsammlung möglich, deren Entstehungsgeschichte sich stark von Beeskow unterscheidet. Auf einer Abschlussdiskussion in der Cottbuser Universität werden schließlich Ergebnisse und Ideen für die Zukunft formuliert.
Dazu April Eisman: „Mit der Sommerakademie für ostdeutsche Kunst wollen wir sowohl etablierte als auch junge ExpertInnen zusammenbringen, um die Herausforderungen zu diskutieren, die uns bei der Forschung und der Schreiben über Kunst aus der DDR begleiten. Wir möchten außerdem ein Netzwerk aufbauen, das WissenschaftlerInnen unterstützen kann, insbesondere diejenigen, die gerade erst am Anfang stehen, und um Ressourcen zu schaffen, auch SchülerInnen und StudentInnen etwas über Kunst aus der DDR zu vermitteln."
Angelika Weißbach ergänzt: „Ein wichtiges Instrument der Sommerakademie wird die konkrete Beschreibung von Kunstwerken sein. Wir wollen uns den Objekten mit den Methoden der Kunstgeschichte nähern, indem wir zuerst genau hinschauen und danach die politischen und sozialgeschichtlichen Aspekte hinzuziehen. Wir freuen uns sehr auf diesen intensiven Austausch mit Wissenschaftler*innen verschiedener Generationen, deren Forschungsthemen breit gefächert sind.“
Sommerakademie mit Unterstützung durch die Ostdeutsche Sparkassenstiftung
„Bewahren, Stärken, Begeistern.“ Die Ostdeutsche Sparkassenstiftung fördert in diesem Sinne seit 1996 Kunst, Kultur und Denkmalpflege. Die Stiftung ist ein Gemeinschaftswerk aller Mitgliedssparkassen des Ostdeutschen Sparkassenverbandes (OSV) in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt.
Insgesamt 2.538 Projekte wurden gemeinsam mit den aktuell 43 OSV-Sparkassen gefördert, begleitet oder selbst realisiert. Dafür standen rund 116 Millionen Euro aus den Vermögenserträgen der Stiftung, dem überörtlichen Zweckertrag des PS-Lotterie-Sparens sowie den projektbezogenen Zusatzspenden der Sparkassen und ihrer Verbundunternehmen zur Verfügung. Davon wurden allein in Brandenburg rund 25 Millionen Euro für 636 Projekte bereitgestellt. Die Sparkassenorganisation ist einer der größten nicht-staatlichen Kulturförderer in Deutschland.