BTU-Expertise für eine Cold Case-Analyse zu einem 40 Jahre alten Kriminalfall
Studierende des Master-Studiengangs Forensic Sciences and Engineering sind involviert.
Mehr als 40 Jahre ist es her, dass in Niedersachsen in einem Wald in der Nähe zu einer Kleinstadt ein ausgebranntes Auto gefunden wurde, in dessen Kofferraum sich ein toter Mann befand. Der Kriminalfall um den aus Schottland stammenden Mann gab den ermittelnden Beamten eine Vielzahl von Fragen auf, die unter den damaligen Bedingungen nicht beantwortet werden konnten. Der Todesfall blieb ungeklärt.
Kriminaldirektor a.D. Karsten Bettels ist Leiter des im Jahr 2020 initiierten International Cold Case Analysis Project (ICCAP). Er lehrt an der Polizeiakademie in Niedersachsen und vermittelt Studierenden an echten Cold Case-Fällen Herangehensweisen und Techniken kriminalistischer Arbeit. Während in der Vergangenheit Untersuchungsmethoden mit einem anderen technischen Standard im Mittelpunkt standen, können heute neue analytische Verfahren und Möglichkeiten der Digitalisierung genutzt werden. So auch in diesem Fall, der Gegenstand einer Folge von arteRE: sein soll, die im Herbst 2024 ausgestrahlt werden soll. Das ICCAP wird seit Ende 2023 unter dem Dach des Europäischen Zentrums für vermisste Kinder, Amber Alert Europe, durchgeführt.
Um mehr über das Zusammenspiel moderner Tatortanalysen, Simulationen zu Tatabläufen und die Rückschlüsse der Expert*innen zu erfahren, kam am 27. Juni 2024 ein Filmteam unter Leitung von Claudia Bäckmann nach Cottbus an die Brandenburgische Technische Universität. Während einer Lehrveranstaltung mit Studierenden, einer Expertenrunde und bei der Brandanalyse im Labor entstanden die Aufnahmen, die Teil der Ausstrahlung werden sollen.
Grundlage für die erfolgversprechende Ermittlungsarbeit unter neuen, modernen Voraussetzungen ist das Zusammenspiel zwischen Partnereinrichtungen. So arbeiten im Fall um den Toten im ausgebrannten Fahrzeug unter Federführung von Karsten Bettels die Hochschule Mittweida mit Michele-Nadine Wagner und Robin Keppler eng mit Prof. Thomas Fischer und Sylvia Friedrich, einer Studentin aus dem aktuellen Jahrgang des Forensic Sciences-Studienganges, an der BTU Cottbus-Senftenberg zusammen. Während sich Mittweida auf die digitale Forensik spezialisiert hat, stehen an der BTU Laboranalysen und naturwissenschaftliche Betrachtungen im Mittelpunkt. So entstanden anhand der Fallakten und Zeugenaussagen aus dem Jahr 1983 zwei 3D-Modelle: eines zum Auffinde-/Tatort, was Rückschlüsse auf den Tathergang vermuten lässt. Ein Modell zum Brand- und Abkühlungsverhalten gibt Hinweise auf einen möglichen Tatzeitpunkt.
In einer Expertenrunde diskutieren die Projektbeteiligten die Erkenntnisse, die sich aus den neuen Überlegungen ergeben haben. Im weiteren Projektverlauf sollen die beiden Modellierungsansätze zusammengeführt werden, um – auch unter Berücksichtigung der Ermittlungsergebnisse anderer Arbeitsgruppen des Projekts – eine gezielte Nachsuche von Spuren am Tatort zu veranlassen.
Prof. Dr. Thomas Fischer, Leiter des Zentralen Analytischen Labors (ZAL) an der BTU Cottbus-Senftenberg sagt dazu:„Sollte durch das Projekt eine Wiederaufnahme polizeilicher Maßnahmen ermöglicht und der oder die Täter ermittelt werden, so bereiten wir uns auf das Einbringen von Sachverständigengutachten zum Fahrzeugbrand in das Verfahren vor.“
Den Studiengang Forensic Sciences and Engineering gibt es an der BTU bereits seit 13 Jahren. Seit diesem Jahr gehört er zu einem Netzwerk internationaler Universitäten, in dem Forschende und Studierende längst vergangene, nicht aufgeklärte Kriminalfälle mithilfe moderner technischer Möglichkeiten neu untersuchen. Im Labor und am Computer werden kalte Spuren analysiert, rekonstruiert und interpretiert. Ein wesentliches Ziel des Studienganges ist es, den Studierenden vertiefte Kenntnisse in kriminaltechnischen Sachverhalten zu vermitteln. Dies erfolgt insbesondere in Bezug auf praxisrelevante naturwissenschaftliche, ingenieurtechnische und rechtliche Fragestellungen in Ermittlungs- und Strafverfahren. Die Studierenden werden befähigt, sich auch nach dem Studienabschluss selbstständig neues Wissen und neue Fähigkeiten im Bereich der Kriminaltechnik anzueignen. Lehrveranstaltungen in den Bereichen kriminalistische Tatortarbeit, Recht und Qualitätssicherung sowie die Vermittlung der Methodenkompetenzen in der forensischen Analytik ergänzen das Studium. Die Bewerbung für den zweisemestrigen Master ist noch bis zum 31. August 2024 möglich.
Darüber hinaus wird seit 2022 im fachübergreifenden Studium (FÜS) an der BTU Cottbus-Senftenberg das Modul „Kriminalistik“ angeboten, welches bei Studierenden der unterschiedlichsten Studienrichtungen auf großes Interesse stößt.
Kontakt
Dirk Marx, Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg (BTU), Koordinator Studiengang „Forensic Sciences and Engineering“ und Initiator des Forensischen TransLAB, T +49 (0) 355 693139, E dirk.marx(at)b-tu.de, https://www.b-tu.de/forensic-sciences-ms
Kontakt
Zentrales Analytisches Labor (ZAL)
T +49 (0) 355 69-2840
thomas.fischer(at)b-tu.de