Mehrsprachigkeit und Interkulturalität für die Fachkräftesicherung in der Strukturwandelregion

Am 15. Juni 2023 diskutierten Akteur*innen aus Wissenschaft und Wirtschaft im Workshop "Internationale Studierende der BTU Cottbus-Senftenberg - Fachkräfte für den regionalen Arbeitsmarkt?" über die Herausforderungen der Fachkräftesicherung in der Strukturwandelregion Lausitz.

Dabei gingen sie unter anderem der Frage nach, wie der Übergang internationaler Studierender in den regionalen Arbeitsmarkt optimiert und vor allem Sprachbarrieren abgebaut werden könnten. Immerhin studieren aktuell mehr als 2.500 internationale Studierende an der BTU, davon etwa 60 % in englischsprachigen Studiengängen.

Organisiert wurde die Veranstaltung vom Vizepräsidenten für Studium und Lehre, Prof. Peer Schmidt, und der Zentralen Einrichtung Sprachen im Rahmen des von der Stiftung für Innovation in der Hochschullehre 2021-2024 geförderten Verbundprojekts Profis D – Fach.Deutsch.Digital für Studium und Beruf mit der Gesellschaft für akademische Studienvorbereitung und Testentwicklung e. V. (g.a.s.t.).

In seiner Begrüßung hob Prof. Peer Schmidt  die Bedeutung eines intensiveren Dialogs zwischen der Universität und der Wirtschaft hervor. Nur wenn die Bedarfe, Herausforderungen und Risiken transparent seien, könne die Hochschule in der Ausgestaltung insbesondere ihrer internationalen Studiengänge dazu beitragen, die Fachkräfte von morgen qualifiziert auszubilden. Die Entwicklung von Maßnahmen zur Nutzung der Potenziale internationaler Studierender müsse zudem als gemeinsame Aufgabe von Wissenschaft, Hochschulverwaltung, Zentralen Einrichtungen wie dem Sprachenzentrum, dem Career Center, dem Weiterbildungszentrum und den Unternehmen verstanden werden.

In der Moderation von Dr. Johannes Staemmler, Leiter des Referates Strukturwandel der BTU Cottbus-Senftenberg, wurden vor allem die Perspektiven der verschiedenen Akteursgruppen herausgefordert:

Dr. Gunther Markwardt verfolgte Fragestellung Zeitenwende auf dem Lausitzer Arbeitsmarkt: Vom Sorgenkind zum Sorgenkind? Und zeigte die zu erwartenden Entwicklungen hinsichtlich des Fachkräftebedarfs für den regionalen Arbeitsmarkt. Er verwies auf die große Chance, das Potential internationaler Absolvent*innen der BTU und anderer Hochschulen in der Lausitz für den regionalen Arbeitsmarkt zu nutzen.

Heiko Witte, seit Mai 2023 Geschäftsführer der chesco GmbH, stellte dar, dass die Ansiedlungen großer internationaler Unternehmen und nationaler Forschungseinrichtungen, z.B. im Zusammenhang mit dem Lausitz Science Park, positive Effekte auf die Beschäftigungsstruktur haben können. Interkulturalität und Spracherwerb seien als wichtige Schlüsselkompetenzen bereits in der (vor-)schulischen Bildung auszuprägen. Gleichermaßen sind die Kooperationen zu den Nachbarländern Polen und Tschechien weiter auszubauen.

Peter Wendt, Personalleiter von ArcelorMittal Eisenhüttenstadt, präsentierte konkrete Beispiele für die Personalentwicklung aus der Unternehmenspraxis und stellte u.a. Maßnahmen wie das Traineeprogramm vor. Er unterstrich die Bedeutung von Deutschkenntnissen für die erfolgreiche Kommunikation mit Kund*innen, mit ausführenden Mitarbeitenden oder für die Gewährleistung der Arbeitssicherheit einerseits und anderseits  einer Einführung in die jeweilige Arbeits- und Unternehmenskultur.

Mareike Kunze, Leiterin des International Relation Office der BTU, informierte über die Kernpunkte des im März 2023 erschienenen Positionspapiers des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) Internationale Studierende als Fachkräfte von morgen. Laut diesem sind Hochschulen „Migrationsmagneten und -motoren für die Fachkräftezuwanderung“.

Geraldine Wolf vom Career Center der BTU präsentierte Befragungsergebnisse im Zusammenhang mit Recruiting-Veranstaltungen wie der Messe campus-X-change oder dem Matching Day, die verdeutlichten, dass  ein „klassisches Mis-Match“ vorliegt, wenn regionale Arbeitgeber*innen mehrheitlich Deutschkenntnisse auf den Niveaustufen des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (GER) B2, C1 oder sogar C2 voraussetzen - die Absolvent*innen englischsprachiger Studiengänge dagegen mehrheitlich eher nur Kenntnisse auf A2-Niveau nachweisen.

Zusammenfassend stellte Katja Brachmann, Leiterin der Zentralen Einrichtung Sprachen der BTU, dar, dass sprachliche und kulturelle Barrieren in der Internationalisierung des regionalen Arbeitsmarktes nur abgebaut werden können, wenn Sprachkurse einerseits inhaltlich und methodisch zielgerichtet auf die soziale Integration am Hochschulstandort, die sprachliche Begleitung im wissenschaftlichen Fachstudium, den Berufseinstieg oder eine Auslandsmobilität ausgerichtet und dazu im akademischen Lehrportfolio verankert seien. Mehrsprachigkeit und Interkulturalität von Berufseinsteiger*innen seien daher systematisch zu fördern. Dabei beschrieb sie, dass es aufgrund des hohen Zeitaufwands für die Entwicklung von Sprachkompetenzen unrealistisch sei, von  Studierenden im Rahmen ihres Fachstudiums den Erwerb von Deutschkenntnissen jenseits der Grundstufe zu erwarten, wenn die Sprachausbildung nicht curricular verankert sei.

In den Fragerunden sowie der anschließenden Panel-Diskussion wurde deutlich, dass die anwesenden Akteur*innen aus Unternehmen, Hochschule sowie lokalen und regionalen  Institutionen einen ganzheitlichen Ansatz zur Adressierung der Titel-Frage für unabdingbar erachten, der neben einer systematischen, d.h. curricular verankerten Förderung von Kompetenzen in mehreren Sprachen für internationale wie nationale Studierende in den Studiengängen und die Förderung von Englisch- und Deutschkenntnissen in Unternehmen auch die Sensibilisierung für erfolgreiche Kommunikation zwischen Menschen verschiedener Herkunft umfassen sollte. Nur mittels effizienter Maßnahmen sind die sprachlich-kulturellen Herausforderungen des Strukturwandels zu bewältigen. Um diese gemeinsam zu entwickeln wird der Dialog zwischen allen Akteur*innen weiterverfolgt.

 

Kontakt

Tino Fischer
ZE Sprachen
T +49 (0) 355 69-3741
tino.fischer(at)b-tu.de

Katja Brachmann
ZE Sprachen
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katja.brachmann(at)b-tu.de
Rasha Makhlouf, Mitarbeiterin Lehrstuhl Industrielle Informationstechnik der BTU (li.), und Hebat Hammash, Fachbereich Bildung & Integration der Stadt Cottbus. (Foto: Avishek Shovakar, BTU)
Während der Diskussion zum Thema (v.l.n.r.): Johannes Staemmler, Leiter des Referates Strukturwandel an der BTU Cottbus-Senftenberg. Peer Schmidt, Vizepräsident für Studium und Lehre an der BTU, Peter Wendt, Personalleiter ArcelorMittal Eisenhüttenstadt. (Foto: Avishek Shovakar, BTU)
Dr. Gunther Markwardt vom Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre an der BTU Cottbus-Senftenberg im Gespräch mit den Teilnehmenden des Workshops (Foto: Avishek Shovakar, BTU)