Kreativität als Schlüssel für europäische Partnerschaften

Seit April pendelt die BTU-Professorin Christiane Hipp zwischen Brüssel und Cottbus. Von der brandenburgischen Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur Dr. Manja Schüle für diese Aufgabe ausgewählt, will sie ein europäisches Netzwerk auf den Weg bringen, welches die Kultur- und Kreativwirtschaft im Rahmen von Transformation und Wandel in den Mittelpunkt stellt.

Im Interview beschreibt die Wirtschaftswissenschaftlerin und Professorin an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) Christiane Hipp, was es mit der neuen Förderkulisse auf sich hat und welche Chancen sie für das Land Brandenburg und die Lausitzer Region sieht.

Frau Prof. Hipp, ein Netzwerk dieser Art aufzubauen, klingt nach einer Herausforderung mit vielen Chancen. Wie sehen diese aus?

Kultur kann wesentlich dazu beitragen, gesellschaftliche Veränderungsprozesse sichtbar und erfahrbar zu machen. Sie bietet Identifikation, Reibungspunkte für konstruktive Diskussionen. Sie kann Zukunftsvisionen neu denken helfen und sorgt für Lebensqualität, die auch für den Zuzug von Arbeitskräften und ihren Familien wichtig ist. Auch der touristische Aspekt ist wichtig. Ein Zugang zu Orten und Regionen wird über kulturelle Angebote für ein vielfältiges Publikum ermöglicht. Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist jedoch eine Branche mit besonderen Strukturen.

Oft sind es kleinere Unternehmen oder Projektgemeinschaften, die sich ohne Unterstützung kaum an große oder internationale Projekte heranwagen. Ich denke da beispielsweise an Organisationen, die regionale Festivals oder kleiner Kulturevents organisieren oder auch einzelne Künstlerinnen und Künstler. Es passiert in der Lausitz so viel, was es verdient, gefördert zu werden. Es ist aber auch so, dass es bei diesem Programm notwendig sein wird, über den „Tellerrand“ hinaus zu schauen. Und dafür bietet das Programm des European Institute of Innovation and Technology (EIT) aus meiner Sicht einen sehr guten Rahmen.

EIT Culture & Creativity hat das Ziel, Akteur*innen aus 20 Ländern Europas zu vernetzen. Wie muss man sich das organisatorisch vorstellen? Welche Benefits sind zu erwarten?

Mit Partnerunternehmen außerhalb Deutschlands zusammen zu arbeiten, ist eine Grundvoraussetzung, um an diesem Programm teilnehmen und davon profitieren zu können. Zu schauen, wie andere mit ähnlichen Themen und Problemen umgehen, kann nicht unerhebliche Vorteile bieten. Das Wichtigste scheint mir zunächst, Interessierte zusammen zu bringen und eine Plattform für einen unkomplizierten Austausch zu schaffen. Darin sehe ich zum Teil auch meine Aufgabe.

Was reizt Sie als Professorin für Organisation und Unternehmensführung besonders an dieser Aufgabe?

Das liegt auf der Hand: Unternehmen und deren unterschiedliche Organisationen und Strukturen sind unheimlich vielseitig. Entsprechende Untersuchungen gehören zu meinem Forschungsfokus. Im Rahmen des Projektes steht nun eine Branche im Mittelpunkt, die oft zu wenig oder nicht gesehen wird. Darüber hinaus liegt viel Potential in der enormen Vielfalt. Ich sehe aber auch den Unterstützungsbedarf, da die Transformationsprozesse, die derzeit in Europa, Deutschland und Brandenburg passieren, oft nur mit produzierenden, technologieintensiven Unternehmen verbunden werden. Kreativität in jeglicher Hinsicht, Kulturschaffende, Startups und Projekte, die in der Entstehung sind, aber auch Tourismus, Gastronomie, Sport – all das sind Themen, die wichtig sind. Hier haben wir die Möglichkeit, neu zu vernetzen, zu internationalisieren, und vor allem: etwas zu bewegen.

Am 23. Juni fand in Cottbus die Kickoff-Veranstaltung zu EIT Culture & Creativity statt. Wie wird die Initiative aufgenommen? Kann man zu ersten Reaktionen und Themen schon etwas sagen?

Mit unserem Kickoff wollten wir in erster Linie informieren. Ziel war es, Unterstützer*innen und Mitwirkende für das Netzwerk zu begeistern. Das soll in den zwei Anfangsjahren klare Formen annehmen und konkrete wirtschaftliche Benefits für Kultur- und Kreativunternehmen vorweisen. Erste Reaktionen und Fragen seitens der eingeladenen Unternehmen und Einrichtungen waren vielfältig. Wir haben sehr viel Anklang bei Organisationen und Menschen gefunden, die schon ein eigenes (kleines) internationales Netzwerk haben. Aber auch Kulturschaffenden fühlten sich angesprochen, die konkrete Projektideen gerne umsetzen würden.

Kritische Töne gab es zur Antragstellung, die - trotz aller angekündigten Vereinfachungen – teilweise als sehr komplex wahrgenommen wurde. Da das ganze Projekt noch in der Aufbauphase ist, fehlt es aktuell an bereits begonnen oder abgeschlossenen Projekten zum Erfahrungsaustausch. Es braucht Vorbilder, an denen sich Antragstellende orientieren können. Hier müssen und wollen wir noch stärker in die Kommunikation gehen und suchen den direkten Austausch mit neugierigen und mutigen Netzwerkpartner*innen, um die Startphase des Projektes erfolgreich zu gestalten.

Die Anlaufzeit für das Projekt beträgt zwei Jahre, insgesamt ist es auf sieben + sieben Jahre angelegt. Welche nächsten Schritte sind geplant?

Wir planen für den Herbst, voraussichtlich im Oktober oder November 2023 einen Folgeworkshop mit interessierten Akteur*innen, die bereits konkrete Projekte an den Start bringen möchten. Zudem sind wir daran interessiert, mit der Dachorganisation des EIT Culture & Creativity bis zum 1. Quartal 2024 einen Fahrplan zu verabreden, in dem wir  konkrete Ziele und Strategien, aber auch Umsetzungsvorhaben für die Lausitz vereinbaren. Auch führen wir aktuell bereits eine Reihe von Gesprächen mit interessierten Kulturschaffenden, die mit ganz konkreten Fragen zum Projekt auf uns zukommen.

Darüber hinaus sind wir im engen Austausch mit dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur, um uns noch viel stärker auf allen Ebenen zu vernetzen. Ein Ziel ist es, einen Kultur- und Kreativ-Hub in der Lausitz zu etablieren, um unsere regionalen Akteur*innen deutlich besser unterstützen zu können und die internationale Vernetzung und den Austausch weiter zu befördern.

Wie muss man sich den geplanten Kultur- und Kreativ-Hub konkret vorstellen? Welche Aufgaben soll er übernehmen?

Der Hub soll in der Lausitz aufgebaut werden, idealerweise gemeinsam mit unserem zuständigen Ministerium und in enger Verflechtung mit den Kulturschaffenden, dem Beauftragten für die Kulturentwicklung in der Lausitz, der Wirtschaftsregion Lausitz und anderen Lausitzer Organisationen und Institutionen und natürlich auch interessierten Akteur*innen aus den Hochschulen. Dabei wäre auch eine gemeinsame Orientierung am bereits bestehenden Kulturplan Lausitz wichtig. Der Hub soll auf Ausschreibungen aufmerksam machen sowie bei der Antragstellung und Projektabwicklung unterstützen. Darüber hinaus soll er internationale Partner*innen zusammenbringen und eine breite Mitgestaltung bei der strategischen Weiterentwicklung des Gesamtprojektes ermöglichen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Kontakt

Prof. Dr. rer. pol. habil. Christiane Hipp
ABWL; insbesondere Organisation und Unternehmensführung
T +49 (0) 355/69-3618
christiane.hipp(at)b-tu.de

Susett Tanneberger
Kommunikation und Marketing
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Prof. Dr. Christiane Hipp (Foto: BTU)