Die Aneignung von Militärarchitektur der Habsburger Monarchie im Mitteleuropa der Gegenwart

Imperiale Herrschaft bedeutet immer auch militärische Beherrschung. Und da militärische Aktionen eng mit der physischen Umwelt verbunden sind, findet der Wille zur dauerhaften militärischen Beherrschung eines Ortes immer seine Umsetzung in bauliche Aktivitäten. Was aber geschieht mit diesen Architekturen der Herrschaft und Unterdrückung, wenn das Herrschaftssystem, das sie aufrechterhalten haben, verschwindet? Das Projekt analysiert am Beispiel der Habsburgermonarchie die komplexen Aneignungsprozesse militärischer baulicher Überreste in ihren Nachfolgestaaten im 20. und 21. Jahrhundert.

Die Komplexität dieser Aneignung ergibt sich aus einer doppelten Schwierigkeit der imperialen Militärarchitektur. Einerseits kann sie im Sinne von Sharon Macdonalds Begriff des schwierigen Erbes als unerwünschte Reminiszenz an eine unbequeme Vergangenheit verstanden werden, mit der man sich nicht identifizieren will oder kann. Dementsprechend versinnbildlicht die habsburgische Militärarchitektur bis heute, dass trotz des Mythos eines friedlichen Zusammenlebens dieser multinationale Staat nicht zuletzt durch Gewalt zusammengehalten wurde. Der Wille, den Staat gegen Bedrohungen zu verteidigen, richtete sich aber nicht nur gegen innere nationale und sezessionistische Bestrebungen, sondern auch gegen äußere Feinde. Aufgrund dieser doppelten Verteidigungsfunktion waren alle militärischen Einrichtungen immer in gesamtstaatliche strategische Überlegungen eingebettet, woraus sich der zweite Aspekt der Schwierigkeit ergibt: Mit der Verschiebung von Grenzen und dem Wechsel von Staatszugehörigkeiten verlieren immobile Militäreinrichtungen den strategischen Rahmen, für den sie konzipiert wurden. Dies macht eine einfache Fortführung der bisherigen militärischen Nutzung schwierig. Hinzu kommt, dass militärische Architekturen besondere Arten von Gebäuden und physischen Strukturen mit spezifischen Anforderungen sind, die oft im Gegensatz zu zivilen Architekturen stehen. Daraus ergeben sich große Herausforderungen und die Notwendigkeit, erhebliche Ressourcen bereitzustellen, wenn eine zivile Nachnutzung angestrebt wird. Der Umgang mit diesen Aspekten der Schwierigkeit habsburgischer Militärarchitektur ist in erster Linie eine Aufgabe, die in lokalen Kontexten durchgeführt wird. Sie stehen daher im Zentrum des Forschungsinteresses.

Das Projekt identifiziert in der ersten Phase relevante Fälle, entweder aufgrund ihrer historischen Bedeutung oder ihres exemplarischen Charakters. Die anschließende Analyse und der Vergleich der einzelnen Fälle bildet die Grundlage für die Ermittlung von Herausforderungen und Potenzialen im Umgang mit ehemaligen habsburgischen Militärgebäuden, insbesondere während verschiedener politischer und gesellschaftlicher Transformationsphasen. Die Herausarbeitung von Best- und Worst-Case-Praktiken hilft, Voraussetzungen für einen erfolgreichen und nachhaltigen Umgang mit diesem schwierigen Erbe zu erkennen. Aufbauend auf der gemeinsamen Geschichte der Orte und ähnlichen Problemen, mit denen die beteiligten Akteur_innen konfrontiert sind, soll dieses Projekt das Bewusstsein für den Wert des kulturellen Erbes der habsburgischen Militärarchitektur über den lokalen, regionalen und nationalen Rahmen hinaus stärken.

Dieses Projekt zielt darauf ab,

  • das Bewusstsein für die Bedeutung der Militärarchitektur für die moderne Stadtgeschichte, die Geschichte des Staatsaufbaus, die (post-)imperiale Geschichte und die Geschichte politischer und gesellschaftlicher Transformationen zu schärfen,
  • einen Beitrag zu Diskursen über die transnationale Geschichte der mitteleuropäischen Region zu leisten,
  • Muster für die Aneignung der gebauten Umwelt in postimperialen, nationalen und postnationalen Kontexten herauszuarbeiten,
  • ein internationales Netzwerk aufzubauen, um die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den Akteur_innen zu fördern,
  • eine Datenbank mit Best- und Worst-Case-Studien für lokale Akteure bereitzustellen, um Konzepte für eine nachhaltige Nachnutzung von (imperialen) Militärarchitekturen zu entwickeln.

Bearbeiter: Dr. Frank Rochow