Stegreifentwurf „Diskursiver Tisch“ 2017/18 | Projekt

Der Lehrstuhl Allgemeine Technikwissenschaft nahm im Sommersemester 2017 seine Arbeit an der BTU auf. Zum Startkapital gehörten eine Reihe von Räumen, deren Nutzung und Ausstattung neu definiert werden konnten. Situiert waren die Räume in einem Plattenbau, dem sogenannten Lehrgebäude 10, der ursprünglich als Wohnheim konzipiert war. Die Herausforderung bestand darin, aus recht kleinen, teilweise miteinander verbundenen Räumen, ausgestattet mit eher minderwertigen Materialien und schlichten Funktionen, einladende Arbeitsräume zu gestalten.

Klar war von vorneherein, dass es einen Raum geben sollte, in dem lediglich ein Tisch und Stühle stehen. Die Aufmerksamkeit sollte damit ganz auf das fokussiert werden, was dem Lehrstuhl bei der Arbeit mit Studierenden wichtig ist, nämlich das konzentrierte Fachgespräch in einer Gruppe, die sich im Laufe des Semesters bestenfalls zur diskursiven Gemeinschaft entwickelt. Ebenso klar war, dass die Möbel schön aussehen, sich gut anfühlen und einen guten Sitzkomfort bieten sollten und damit zu einer Arbeitsumgebung beitragen, die anregend und kommunikativ ist. Gleichzeitig sollten damit auch die Themen des Lehrstuhls visualisiert werden, zu denen Technikkultur und Designtheorie ebenso gehören, wie kritische Fragen zur nachhaltigen Entwicklung oder zur Klimaethik.

Das Team des Lehrstuhls nahm sich also den dafür vorgesehenen, vollgepackten Raum vor, sichtete hunderte abgestellte Bücher und abgelegte Schriften, ausgefüllte Prüfungsbögen und Manuskripte, um sie an die Universitätsbibliothek, in andere Räume des Lehrstuhls, abschließbare Schränke oder den Papiercontainer zu verteilen. Nachdem Tische und Regale, Stühle und Kleinmöbel bewertet, verteilt und entsorgt waren, standen wir vor der gewünschten Leere, etwa 19 m² Raum in einem Verhältnis von Länge zu Breite von 2:1.

Die bereits bestellten Stühle konnten kommen, sie reisten an aus Weil am Rhein. Der Hersteller Vitra versteht seine Möbel als einen Beitrag zu einer Industriekultur, in der „ganz natürlich zum Nutzwert eines Möbels (gehört), dass seine Produktion, seine Verwendung und seine Entsorgung keinen Schaden verursachen“. Design steht hier für ökologische, soziale und ökonomische Verantwortung. Die einfache Form und der Komfort unserer neuen Stühle des Designers Maarten van Severen materialisieren also Fragen zur Technikkultur und sind, seit wir sie be-sitzen, immer wieder Anlass zu lebhaften Diskussionen über Form und Funktion, Komfort und Nachhaltigkeit.

Blieb noch die Frage, wie wir zu unserem Tisch kommen sollten, der, das ging aus einem Brainstorming hervor, idealerweise von Studierenden für Studierende gebaut werden sollte.

Einer unserer studentischen Mitarbeiter, Vito Bragato, schlug vor, die BTU-eigene Schreinerwerkstatt anzufragen, was letztlich zum Anfang eines Projektes wurde, das in Kooperation mit Frau Dipl.-Ing. Hanne Sommer (Architektur) zur Ausschreibung eines Steggreifprojektes im Studiengang Architektur führte. Ausgabe der Aufgabe war am 31.5.2017, wir trafen uns in unserem bestuhlten, ansonsten leeren Sitzungszimmer, etwa 25 Studierende drängten sich auf dem engen Raum. Die Aufgabe hatten wir folgendermaßen formuliert (siehe Ausschreibung Stegreifentwurf):

Der Tisch soll Studierende und Dozentin zusammen bringen. Es ist eine Form zu finden, die nicht nur in den Raum passt, sondern im Besonderen die Kommunikation zwischen den Nutzer*innen unterstützt und zum Gespräch einlädt. Des Weiteren soll der Tisch ein ansprechendes Design haben und zu den Stühlen passen. Die Aufgabe besteht darin einen Tisch bis ins Detail zu entwerfen und Materialien vorzuschlagen.

Die Studierenden hatten 3 Wochen Zeit um sich mit der Aufgabe zu beschäftigen, danach sichteten Hanne Sommer und Astrid Schwarz die Entwürfe. Wir wählten, dies unabhängig von der abschließenden Bewertung der Arbeiten, einen Entwurf aus, den wir für potentiell realisierbar hielten. Der Entwurf von Valentin Krase überzeugte uns sehr, die Kriterien waren konstruktiv und konzeptuell gut umgesetzt, der Tisch schien nach diesem Entwurf realisierbar. Valentin Krase nahm die Herausforderung an und machte sich daran einen Kostenvoranschlag zu erstellen. Er nahm weitere Detaillierungen der Pläne vor, die Vorstellungen vom Tisch veränderten sich in der Diskussion, Aussteifungselemente, Trägerelemente, Oberflächenbehandlung, Holzarten und -verarbeitung wurden diskutiert, der Kollege Jo Achermann hinzugezogen.

Verzögert wurde der Abschluss des Projektes durch diverse Kontingenzen, die ein studentischer Alltag mit sich bringt (Prüfungen, Praktikumstermine), die letztlich nicht überraschende Erkenntnis, dass das eingereichte Stegreifposter nicht ausreichen würde zur baulichen Realisierung des Tischs, und dass die in Cottbus und Umgebung angefragten Schreinerfirmen völlig überbucht waren oder mit dem Entwurf wenig anfangen konnten. Schließlich fassten wir den Beschluss, dass der Auftrag an die Firma Geyersbach in Berlin vergeben werden sollte, mit der Valentin Krase den Kontakt herstellte.

Uli Geyersbach hat sich zur Aufgabe gemacht „ausgedienten Hölzern ein zweites Leben als Möbelunikat (zu) schenken“. Er legt Wert auf die „historische und regionale ‚Gewachsenheit‘“ seiner Möbelmaterialien und verwendet entsprechend Hölzer, die in Häusern in Berlin und Brandenburg bereits verbaut wurden, zum Teil vor über hundert Jahren, und in seiner Werkstatt recycelt werden, indem er sie in neue Möbelstücke einbaut (Interview 11.3.2018 BM Online). Dadurch überlagern sich verschiedene Objektgeschichten, zufällige Fundstücke werden wieder in Gebrauch genommen, bekommen andere Funktionen und werden handwerklich umgeformt. Diese Praxis und Idee vom Umgang mit dem Material und die eigenwillige Implementierung im Design überzeugte uns und kam der ursprünglichen Projektidee sehr nahe.

Der Tisch Lux#31 steht seit Oktober 2018 bei uns. Er sieht schön aus, fühlt sich gut an und bietet einen hohen Arbeitskomfort, er materialisiert eine ökologisch geprägte Technikkultur und visualisiert Werte wie Nachhaltigkeit, lokale Herkunft und Verantwortung.

Herzlichen Dank an alle, die geholfen haben aus der Idee eines Tischs von Studierenden für Studierende einen realen diskursiven Tisch werden zu lassen.