Vademecum studendi

Im Studium geht es um die eigenständige Aneignung von Lernformen, um zu wissen. Die Aufgabe der Lehrenden ist es, Ihnen dafür geeignete Rahmenbedingungen zur Verfügung zu stellen. Umgekehrt können die Lehrenden damit rechnen, dass Sie sich mit den gestellten Aufgaben auseinandersetzen und entsprechend Zeit investieren. Das „Lernen des Lernens“ ist eine ganz wesentliche Kompetenz, die Sie im Laufe Ihres Studiums erwerben. 

Von der Zeitschrift des Deutschen Hochschulverbandes Forschung & Lehre wurde dies in einem fiktiven Gespräch mit dem Theologen und Philosophen Friedrich Schleiermacher (1768-1834) thematisiert:

F&L: „Die Universitäten sollen viele Aufgaben erfüllen wie zum Beispiel für den globalen Arbeitsmarkt ausbilden und für die Wirtschaft umsetzbare Forschungsergebnisse liefern. Was ist die Hauptaufgabe einer Universität?“

Friedrich Schleiermacher: „Die Universität hat es vorzüglich mit der Einleitung eines Prozesses zu tun, und zwar eines ganz neuen geistigen Lebensprozesses. Die Idee der Wissenschaft soll erweckt, ihr zur Herrschaft über die Studenten verholfen werden, und zwar auf demjenigen Gebiet der Erkenntnis, dem jeder sich besonders widmen will, so dass es ihnen zur Natur werde, alles aus dem Gesichtspunkt der Wissenschaft zu betrachten, alles Einzelne nicht für sich, sondern in seinen nächsten wissenschaftlichen Verbindungen anzuschauen, und in einen großen Zusammenhang einzutragen, dass sie lernen, in jedem Denken sich der Grundgesetze der Wissenschaft bewusst zu werden, und eben dadurch das Vermögen selbst zu forschen, zu erfinden und darzustellen, allmählich in sich herausarbeiten, dies ist das Geschäft der Universität.“

(Grigat, Felix (2018). Friedrich Schleiermacher: Auf die Vorlesung kommt es an. Forschung & Lehre. Alles was die Wissenschaft bewegt. 20.11.2018) Zum Originaltext

Verhaltenskodex Veranstaltungen Code of Conduct: Courses

An der BTU Cottbus-Senftenberg gibt es keine Anwesenheitspflicht in den Veranstaltungen. Sie haben sich für ein geistes- und sozialwissenschaftliches Studium entschieden, in dem das Lernen wesentlich auch im Diskutieren und Präsentieren stattfindet. Logisches Denken, die Entwicklung und Darstellung von Argumenten sind eine Frage der Praxis und wiederholter Einübung. Deswegen legen wir Wert darauf, dass Sie an den Veranstaltungen teilnehmen, auch wenn keine Anwesenheitslisten kursieren. 

Erscheinen Sie bitte pünktlich, lassen Sie sich während der Veranstaltung nicht ablenken durch Essen oder Daddeln, sondern nutzen Sie die Anwesenheit Ihrer Mitstudierenden und des Dozenten oder der Dozentin zum konzentrierten Denken und aktiver Redebeteiligung. Sie merken dann auch rechtzeitig, ob Sie die behandelten Themen verstanden haben und auch, inwiefern diese an Ihre eigenen Interessen anknüpfen. Wenn Sie ein wissenschaftliches Problem nicht selbst lösen können, fragen Sie Ihre Dozent*in und diskutieren Sie mit Ihren Kommilitoninnen und Kommilitonen. 

Auch bei der Erarbeitung Ihres schriftlichen Leistungsnachweises können Sie Ihren Dozent*in oder Ihre Kommilitonen einbeziehen. Wenn Sie etwas aus den Diskussionen direkt übernehmen oder von schriftlichen Anmerkungen der Dozentin oder des Dozenten, machen Sie die Quelle des fremden Gedankengutes deutlich. Das gilt auch für andere schriftliche Quellen, die Sie für Ihre Arbeit benutzen, aus denen Sie wörtlich zitieren oder paraphrasieren. 

Täuschungsversuche in schriftlichen Arbeiten sind recht einfach zu identifizieren. Stilbrüche, inkohärente Verwendung von Worten als Begriffe oder sprunghafte Argumentation sind nur einige Merkmale. Bevor Sie sich die Mühe machen diese zu kaschieren, empfehlen wir die Zeit doch lieber gleich in einen eigenen Text zu investieren.

Nachfolgend sind einige der wichtigsten Regeln aufgeführt, die Sie beachten müssen und die Ihre Arbeit zu einem eigenständigen Werk machen. Die Nichtbeachtung dieser Regeln verstehen wir als Täuschungsversuch und Ihre Arbeit wird als Plagiat behandelt.


Ethos des Studierens

  • Georg Christoph Lichtenberg

    Es ist heutzutage Mode geworden das Bücherschreiben als den Endzweck des Studierens anzusehen, daher studieren so viele, um zu schreiben, anstatt daß sie studieren sollten, um zu wissen.

    Georg Christoph Lichtenberg (1742–1799); Sudelbuch B, 1768–1771 [B 284]

Sie studieren zu einer Zeit, in der es nicht ganz selbstverständlich um die eigenständige Aneignung von Wissen und von Lernformen im Studium geht. Stattdessen wird das Studium in vielen Studienführern als eine Art Heranführung an die Berufswelt betrachtet. Was Georg Christoph Lichtenberg, ein Intellektueller der Aufklärungszeit, in seinen Sudelbüchern kritisch zum Bücherschreiben anmerkt, würde heute vielleicht als die Ausbildung offensichtlich marktfähiger Kenntnisse beschrieben.

Selbstverständlich ist nichts dagegen einzuwenden, sich frühzeitig über seine künftige Existenzsicherung Gedanken zu machen. Dennoch ist die Studienzeit mehr als eine Art Präludium des Berufslebens. Die Tätigkeit des Studierens selbst sollte als eine Profession angesehen werden, die ihren eigenen Regeln folgt und in einem bestimmten sozialen und institutionellen Kontext stattfindet. Was Sie im Studium lernen, ist etwas grundsätzlich Anderes als das, was Sie lernen, wenn Sie Ihren Beruf gefunden haben – oder der Beruf Sie. Mit dem Lernen ist eine Tätigkeit angesprochen, die Sie sich während Ihrer Studienzeit aneignen und die Sie während Ihres ganzen Lebens weiter praktizieren werden (Stichworte: Weiterbildung und lebenslanges Lernen). In diesem Sinne ist unser Ethos des Studierens eine Einführung in das professionelle Lernen an Ihrer Hochschule.

Tugenden im Studium?

Im Studium werden Verhaltensweisen eingeübt, denen Tugenden wie gegenseitiger Respekt, Pflichtbewusstsein und Verantwortungsgefühl zugrunde liegen. Denken Sie etwa an die Unterscheidung von eigenem und fremdem geistigen Eigentum oder die pünktliche und vorbereitete Teilnahme an Seminaren.

Jenseits dieser Einübung von Lebensgewohnheiten gibt es noch andere Facetten des Ethos einer „Geistige(n) Arbeit als Beruf“, wie der Kultur- und Sozialwissenschaftler Max Weber in seiner Vortragsreihe 1917/18 auf Einladung der „Deutschen Freien Studentenschaft“, einer akademischen Reformbewegung, ausführte. Weber beschäftigt sich hier unter anderem mit der Frage, was wissenschaftliches Wissen von anderen Wissensformen unterscheidet und was dies für Folgen für das Berufsverständnis hat. Er schlägt vor, dass dieses Wissen besonders „wissenswert“ sei, weil es auf der Tugend intellektueller Rechtschaffenheit beruhe. Es sei diese Tugend, im Kern charakterisiert durch Pflicht, Klarheit und Verantwortungsgefühl, die dem Einzelnen dabei helfe, „sich selbst Rechenschaft zu geben über den letzten Sinn seines eigenen Tuns“ (Weber, Max (1991). Wissenschaft als Beruf (8. Aufl.). Berlin: Duncker und Humblot, S. 32) Zum Originaltext.

Webers Überlegungen zur „Wissenschaft als Beruf“, der gesellschaftlichen und sozialen Wirkung von Hochschulen, werden bis heute rege diskutiert, beispielsweise durch den Literaturwissenschaftler Hans Ulrich Gumbrecht in seinem Aufsatz zur „Aufgabe der Geisteswissenschaften heute“ (Ders. (2012). Präsenz. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 145-168). Er liest Webers Schrift vor allem als eine These zur Zielsetzung von Wissenschaft, welche in der Hervorbringung von innovativem Denken bestehe. Dieses könne auch mit „unangenehmen Wahrheiten“ konfrontieren, bestätige aber letztlich die soziale Wirksamkeit der Universität in ihrem Wandlungspotenzial.

All diese Überlegungen sind vor allem ein Angebot an Sie darüber nachzudenken, was es für Sie bedeutet, wenn Sie Ihr Studium im Sinne der Aneignung eines professionellen Ethos als Lebensgewohnheit verstehen – welche Konsequenzen könnte das für Ihre individuelle Entwicklung und als gesellschaftliches Subjekt haben?

Tugenden an der Universität?

Institutioneller Ausdruck eines Ethos im wissenschaftlichen Umfeld sind Regelwerke zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis, der Plagiatskontrolle, zur Konfliktprävention oder zur Gleichstellung. An der BTU Cottbus-Senftenberg gibt es für alle diese Bereiche Ansprechpartner und Einrichtungen. Vertrauenspersonen stehen Ihnen zur Seite oder vermitteln Sie weiter, wenn Sie Probleme mit Dozierenden, Mitstudierenden oder mit sich selbst haben. Auf der persönlichen Ebene bedeutet dies, dass Sie die Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis verinnerlichen und einen sicheren Spürsinn dafür entwickeln, was Ihr eigenes Gedankengut ist und was Sie anderen Denkern verdanken.

Die Institution Hochschule ist ein kleiner Kosmos für sich, vermutlich könnte jede Hochschule als ein eigener Mikrokosmos angesprochen werden mit einer je eigenen Kultur. Jeweils anders können die Organisation von Studentenschaft und Hochschullehrern, die Bezeichnungen der Verwaltungseinheiten sowie die Studien- und Prüfungsordnungen sein – all dies für Sie relevante Stellen und Dokumente. Identifizieren Sie, wer für was die richtigen Ansprechpartner sind, also etwa Studierendenservice und Studiengangsleitung für organisatorische Fragen, die Lehrstühle für inhaltliche Fragen, die Fachschaft für praktische Fragen. Lesen Sie die für Ihren gewählten Studiengang relevante Prüfungs- und Studienordnung und informieren Sie sich an geeigneten Stellen über die Zusammenstellung Ihres Lehrplans, die Modul- und Lehrveranstaltungsbeschreibungen und auch die Lehr- und Forschungsgebiete der an Ihrem Studiengang beteiligten Lehrstühle. Kümmern Sie sich auch um die Veranstaltungsseiten der BTU, dort sind studentische und akademische Aktivitäten jenseits Ihres eigenen Faches respektive Studiengangs annonciert.

Große Ähnlichkeiten gibt es zwischen den Hochschulen, was die Qualitätssicherung des akademischen Personals betrifft und auch die akademischen Rollen. Grundsätzlich durchläuft der „Homo academicus“ (Pierre Bourdieu (1984). Homo academicus. Frankfurt am Main: Suhrkamp) eine Karriere vom Bachelor- und Masterabschluss und in den meisten Fächern, als Akademischer Mitarbeiter, zur Promotion bzw. zur Habilitation. Die Fachkulturen unterscheiden sich im Typ dieser Arbeiten, in den Naturwissenschaften sind sogenannte kumulative Promotionen und Habilitationen üblich, in der Philosophie beispielsweise wird als Habilitation „ein zweites Buch“ geschrieben. In künstlerischen Fächern und der Architektur muss für eine akademische Karriere nicht unbedingt promoviert oder gar habilitiert werden. Dass es nicht nur Unterschiede zwischen den Fachkulturen gibt, sondern die Promotion und der Titel „Dr.“ sich auch historisch sowohl im gesellschaftlichen wie universitären Kontext verändert haben, wird thematisiert im Aufsatz „Der falsche Doktor“. Lehrstühle (an der BTU auch Fachbereiche) werden per Ausschreibung und kompetitivem Berufungsverfahren besetzt (Univ.Prof., Prof. FH, Jun.Prof.), außerdem gibt es noch hochschulinterne Verfahren ohne Ausschreibung (Vertretungsprofessoren; außerplanmäßige (apl. Prof.) und Honorarprofessoren sind entweder gar nicht bzw. nicht auf Professorenstellen angestellt). Gastprofessoren werden ohne Auswahlverfahren für eine bestimmte Zeit eingestellt, sie sollen üblicherweise vor allem die Forschung stimulieren. An der BTU gibt es etwa 180 Professor*innen und 640 Akademische Mitarbeiter/innen (Stand April 2020, vgl. Zahlen und Fakten).