Heinz Isler (1926-2009) Biografie

Topografische Biografie

Tabellarische Biografie
JahrEreignis
1926Geburt von Heinz Isler am 26. Juli in der Schweiz, im Ort Zollikon bei Zürich.
1945Am 4. November Beginn seines Bauingenieur-Studiums an der ETH Zürich.
1950Studienabschluss mit Diplom. Als Einziger seines Jahrganges Wahl dünner Schalentragwerke als Thema der Diplomarbeit. Unmittelbar im Anschluss Arbeit für drei Jahre als Assistent an der ETH am Lehrstuhl für Statik und Massivbau.
1953Anmeldung zum Malereistudium an der der Akademie der Künste in München, Deutschland.
1953Neunmonatiges Grafikstudium an der Kunstgewerbeschule in Zürich.
1954Eröffnung des eigenen Ingenieurbüros in Burgdorf, Kanton Bern, Schweiz.
1954Entdeckung der natürlichen Schalenformen durch Heinz Isler.
1957Beginnende Präsentation seiner Arbeit auf Kongressen (u.a. in Oslo, Norwegen). (siehe Islers Publikationsliste)
1959New Shapes for Shells: Vortrag über seine Schalenkonstruktionen auf dem Gründungskongress der IASS (International Association for Shell and Spacial Structures, dt.: Internationale Vereinigung für Schalenkonstruktionen. Leitung des Kongresses: Eduardo Torroja (1899-1961). in Madrid, Spanien. Später sogar Ehrenmitglied dieser Gesellschaft.
1961Planung und Bau der vermutlich ersten großen Dachschale Islers, mit den Grundrissabmessungen 25 m x 25 m: Das Gartencenter Wyss in Zuchwil, Kanton Solothurn, Schweiz, 1961-1962.
1964Bau der eigenen Büroanlagen mit Labors, Werkstätten, Vortragsraum, Ausstellungen und Anlegen eines eigenen Versuchsgeländes für Modelle und Probebauten in Burgdorf, Kanton Bern, Schweiz.
1967Mitarbeit als Fachingenieur beim Entwurf des preisgewinnenden Projektes für den Olympiapark von München im Rahmen der Olympischen Spiele von 1972 im Team des Stuttgarter Büros Behnisch und Partner. Anschließende Mitarbeit vor allem an der Planung des Stadionrunds.
1970Heirat mit Dr. Maria Schmaderer.
1975Erwerb eines Eigenheimes mit Grundstück (Nutzung als winterliches Experimentierfeld) in Zuzwil, Kanton Bern, Schweiz.
1979Neben Felix Candela (1910-1997) Einladung zum erneuten Vortrag vor der IASS in Madrid zu deren Jubiläumskongress. Titel des Vortrags: New Shapes for Shells 20 Years after.
1983Verleihung der Ehrendoktorwürde der ETH Zürich an Heinz Isler. Im gleichen Jahr Berufung als Honorarprofessor an der Architekturfakultät der Universität Karlsruhe, Deutschland.
1986Honorierung seiner Arbeit mit einer umfangreichen Ausstellung inklusive Katalog [RAMM/ SCHUNCK 1986] an der Universität Stuttgart. Anschließend als Wanderausstellung unterwegs in Europa.
1997Fachgutachter für die Gewölbekonstruktion beim wettbewerbsgewinnenden Projekt von Ingenhoven, Overdiek und Partner (heute: Ingenhoven Architects) für den neuen Hauptbahnhof von Stuttgart/ Projekt DB 21 (Stuttgart 21).
1997Ehrung mit den Preisen: Torroja-Medaille, Matsui-Preis und Tsuboi-Preis.
2009Tod von Heinz Isler am 20. Juni in Bern, Schweiz.

Biografie in Textform

Heinz Islers Lebenswerk lässt sich in fünf Schaffensperioden unterteilen: Ausbildung, Methodenentwicklung, Verwirklichung, Weiterentwicklung und Lehre. Mit dieser Einteilung halten wir uns als Autoren dicht an den Ausführungen des Zeitschriftenartikels von Eberhard Schunck aus dem Jahr 2003 [SCHUNCK 2003] sowie dem Kapitel Biografie im Ausstellungskatalog „Heinz Isler. Schalen“ [RAMM/ SCHUNCK 2002, S. 9-10].

Ausbildung. 1926-1953

Heinz Isler wurde am 26. Juli 1926 in Zollikon, Kanton Zürich, Schweiz geboren. In einem einfachen von seiner Mutter geführten Haushalt wuchs Isler auf. Doch die einflussreichste Person während seiner Kindheit war sein Vater. Dieser entsprang ebenfalls einer einfachen aber kinderreichen Familie. Durch Arbeit finanzierte er sein Ingenieurstudium selbst und wirkte anschließend als Geometer-Ingenieur. Vater und Sohn unternahmen gemeinsam ausgedehnte Wanderungen. Durch seinen Vater wuchs schon in frühen Jahren das Interesse an Natur und Kunst. So ist es kaum verwunderlich, dass Heinz Isler bereits als Vierzehnjähriger sein erstes Ölbild schuf. Heinz Isler besuchte das sprachlich-naturwissenschaftlich orientierte Kantons-Gymnasium in Zürich. Seine Lehrer sahen in Isler einen allseits interessierten Schüler. In diesem Lebensabschnitt verbrachte er viel Zeit mit Rad- und Wandertouren und vertiefte seine Beziehung zur Natur. Zahlreiche Eindrücke dieser Erlebnisse hielt er in Zeichnungen und Aquarellen fest, in denen sich seine Beobachtungsgabe wiederspiegelte. Dies gelang ihm so gut, dass eine Ausstellung durch seinen Kunstlehrer organisiert wurde. Isler hatte sich entschieden Maler zu werden.

Als er 1945 in den Militärdienst eingezogen wurde und in einer Pioniereinheit seinen neunmonatigen Dienst leistete, fand er Gefallen am Bauen. Die wirtschaftliche Situation und die Eindrücke bei der Pioniereinheit ließen ihn dann doch das Studium des Bauingenieurwesens an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich antreten, welches er 1950 mit dem Diplom abschloss. Als Thema seiner Diplomarbeit wählte Heinz Isler als Einziger seines Jahrgangs den Entwurf dünner Schalentragwerke (Schalensheds). Professor Pierre Lardy (1903-1958) gefiel diese herausragende Arbeit so gut, dass er Isler an seinem Lehrstuhl für Statik und Massivbau einen Job anbot. Islers Berufung war es nun als Assistent am Aufbau einer nach Eduardo Torrojas (1899-1961) Ideen entwickelte Modellwerkstatt teilzunehmen. Dabei konnte Isler seinem Hang zur Genauigkeit und seine handwerklichen Fähigkeiten gut gebrauchen. In dieser Zeit entwickelte sich Islers  Markenzeichen einer sorgfältigen Vorgehensweise.

Nach der Assistenzzeit war in Isler der Wunsch nach einer künstlerischen Ausbildung so groß geworden, dass er sich in München an der Akademie der Künste anmeldete, wo er Malerei studieren wollte. Die Meisterklasse von Professor Nagel sollte jedoch erst im Herbst 1954 beginnen, weswegen er ein neunmonatiges Grafikstudium an der Kunstgewerbeschule in Zürich aufnahm und anschließend in einem Ingenieurbüro in Burgdorf, Kanton Bern, Schweiz arbeitete. Hier arbeitete er an einem Schalendach für einen Konzertsaal, welches sich durch seinen Einfluss von einer Zylinderschale zu einer doppelt gekrümmten Schale entwickelte.

Methodenentwicklung. 1954-1959

Kurz bevor sein Studium in München beginnen sollte, änderte Isler schließlich seine Meinung und gab seinem Leben einen neue Richtung. Er entschied sich dafür, ein eigenes Ingenieurbüro in Burgdorf zu eröffnen und an der Weiterentwicklung seiner Schalen zu arbeiten. Durch Beobachtungen und Experimente gelangte er zu seinen berühmten Formfindungsmethoden, mit denen er Schalenformen kreierte, die allein auf den Gesetzmäßigkeiten der Natur beruhten. Seine „natürlichen Schalenformen“ untersuchte Isler anschließend tiefgründig und lernte, sie auch zu berechnen. 1959 hatte Isler die Gelegenheit, einen Vortrag mit dem Titel „New Shapes for Shells“ beim Gründungskongress der Internationalen Vereinigung für Schalenkonstruktionen (Kurz: IASS, engl.: International Association for Shell and Spacial Structures.) in Madrid, Spanien zu halten (Abb. 2.03). Hier stellte er seine Arbeitsweise und die dabei gewonnenen neuen Schalenformen vor. Sein Vortrag wurde von den anwesenden Fachleuten, darunter Ove Arup (1894-1988), Nicolas Esquillan (1902-1989) und Eduardo Torroja (1899-1961), dem auch die Leitung des Kongresses oblag, kritisch „beäugt“ und anschließend kontrovers diskutiert, da man sich unter anderem nicht vorstellen konnte, wie seine kleinen Modellschalen in die Realität umgesetzt werden und dabei noch kostengünstig bleiben sollten. Der Vortrag in Madrid markiert den Abschluss der Entwicklungszeit seiner Arbeitsmethoden, die trotz aller Kritik beim Vortrag von Erfolg gekrönt werden sollte. In den folgenden Jahren entstand eine schiere Unmenge an Schalenbauten, wobei das Autohaus Fa. Moser sowie die Versandhalle Coop als Initialbauten angesehen werden können. Doch zur wirklich ersten Anwendung von Islers Buckelschalen kam es jedoch bereits im Jahre 1955 beim Bau der Hallen für Glas Trösch in Thunstetten/ OT Bützberg, Kanton Bern, Schweiz [BÖSIGER 2010, S. 34].

Verwirklichung. 1960-1969

Die sechziger Jahre waren für Isler geprägt von einer fast unermüdlichen Arbeitswut, in der er hunderte Bauwerke ausführte. Gleich zu Beginn dieser Schaffensperiode plante und realisierte er seine erste wirklich große Dachschale mit dem Bau des Gartencenters Wyss in Zuchwil, Kanton Solothurn, Schweiz, 1961-1962. Dessen Grundrissabmessungen belaufen sich auf 25 m x 25 m und decken so knapp 650 m² ab. In den folgenden Jahren arbeitete Heinz Isler an der seriellen Herstellung seiner Schalenbauten wie auch an deren Konstruktionsoptimierung. Im Industriebau verfeinerte er die Herstellungsmethoden für Buckelschalen und setzte diese in vielen seiner Projekte ein. Neben der strukturellen Entwicklung seiner Schalen arbeitete er an der architektonischen Verfeinerung seiner Einzelprojekte und interpretierte darin hervorragend den Zeitgeist; Beispiele dessen sind die Autobahnraststätte Deitingen-Süd und das Büro- und Fabrikationsgebäude der Firma Sicli in Genf, welches vermutlich die komplexeste Dachschale Islers darstellt. Um optimale Arbeitsverhältnisse für sein Schaffen zu haben, schuf Isler im Jahre 1964 in Burgdorf, Kanton Bern, Schweiz seine eigenen Büroanlagen mit Labors, Werkstätten, Vortragsraum, Ausstellungen. Darüber hinaus legte er sich ein eigenes Versuchsgelände für Modelle und Probebauten an.

Während dieser intensiven Schaffensphase wurde Isler durch den deutschen Architekten und Architekturtheoretiker Jürgen Joedicke (*1925) kontaktiert. Joedicke fragte Isler, ob er im Team von Günther Behnisch (1922-2010) und Partner als Fachplaner am Wettbewerbsentwurf für den Olympiapark in München im Rahmen der Olympischen Spiele von 1972 mitarbeiten wollte. Nachdem Isler zustimmte, befasste er sich mit den zahlreichen Dachtragkonzeptvarianten des Teams. Darunter befand sich auch die Idee der Zeltkonstruktion, die er nun beurteilen und bewerten musste; ein neues Feld, in das sich Isler schließlich einarbeitete und berechnen lernte. Das Stuttgarter Büro gewann schließlich 1967 den ersten Preis des Wettbewerbs. Für die Ausführungsplanung zog man zur Verstärkung Fritz Leonhardt (1909-1999), die bereits am hängenden Zeltdach des deutschen Pavillons für die EXPO 1967 in Montreal, Kanada zusammen gearbeitet hatten, zum Team hinzu.

Weiterentwicklung. 1970-1979

Nach seiner Hochzeit mit Dr. Maria Schmaderer im Jahr 1970 arbeitete Heinz Isler wieder betont an der Weiterentwicklung, der von ihm entwickelten Formfindungsmethoden und den damit erzielbaren architektonischen Ausdrücken. Seine Ehefrau unterstützte ihn bei all seinen Arbeiten aufopfernd (Abb. 4.04 (?)). 1975 kaufte die Familie Isler ein Wohnhaus in Zuzwil, Kanton Bern, Schweiz. Auch der zugehörige Garten wurde zum Experimentierfeld Islers. Bekannt wurde dieses Versuchsgelände vor allem durch die allwinterlichen Experimente Islers, die durch ihre Formenvielfalt und den Lichtinstallationen auffielen und daher aufmerksam und mit großer Neugier durch Medien, Zuzwiler Bürgern und Besuchern verfolgt wurden (Abb. 2.04 und 2.05). Als architektonisches Beispiel dieser Schaffensperiode soll hier das Theater in Grötzingen genannt werden, welches er mit dem Architekten Michael Balz plante.

Lehre. 1980-2009

„New Shapes for Shells 20 Years after“ war der Titel von Islers Vortrag beim Jubiläumskongresses des IASS in Madrid, zu dem er persönlich eingeladen wurde. Er hielt neben Felix Candela (1910-1997) einen der Hauptvorträge. Thematisch angliedernd an seinem Vortrag im Jahre 1959 sprach er nun von der breiten Anwendung seiner Schalen. Spätestens jetzt nach seinem Vortrag nahm das Interesse an seinen Bauwerken und seinem Schaffen stark zu. Infolgedessen wurden ab 1980 weltweit verschiedene Ausstellungen zu Heinz Isler und seinem Werk organisiert; zudem entstanden einige Publikationen. Im Jahre 1983 erhielt Isler eine Honorarprofessur an der Architekturfakultät der Universität Karlsruhe, Deutschland, an der er bereits seit 1980 lehrte. Des Weiteren unterrichtete er in verschiedenen Seminaren an mehreren europäischen und amerikanischen Universitäten als Gastprofessor (siehe RAMM/ SCHUNCK 2002, S. 109 und Abb. 2.06 bis 2.07). Isler widmete sich in dieser Schaffensphase vermehrt dem Schreiben. Seine Tätigkeiten im Bereich der Lehre und der Veröffentlichung seiner Arbeiten sowie sein bauliches Schaffen führte er bis zu seinem Tod im Jahre 2009 fort. Heinz Isler verstarb am 20. Juni in Bern, Schweiz.