Interview mit BTU Alumnus Fabian Homberg (Environmental and Resource Management)

"Ich habe meine berufliche Laufbahn ganz der Sonnenenergie und dem nachhaltigen Bauen gewidmet."

Fabian Homberg hat eine Ausbildung in einer Schreinerei in Süddeutschland gemacht und arbeitete kurzzeitig als Zimmermann bevor er zum Bachelor in Environmental and Resource Management an die BTU nach Cottbus kam. Später machte er noch einen Master in Kassel und arbeitete in vielen Bau- und Photovoltaik-Projekten über die Grenzen Deutschlands hinaus. Inzwischen ist er freiberuflicher Solarplaner für Indach Photovoltaik und integrierte Solaranlagen. Man findet ihn online unter https://www.homberg.solar

Hallo Herr Homberg, Sie sind viel rumgekommen in Ihrem Leben und Sie sprechen auch ungewöhnlich viele Sprachen mit Deutsch, Englisch, Spanisch, Lettisch, Französisch und Russisch. Was reizt Sie am Interkulturellen?
In jungen Jahren war das Reisen mein Lebenselixier. Mich interessieren andere Landschaften, Kulturen und besonders die Menschen. Deshalb reise ich gerne mit Verkehrsmitteln, die den Kontakt zur regionalen Bevölkerung ermöglichen oder sogar erzwingen: Mit dem Fahrrad, zu Fuß, und damals auch per Anhalter. Ich bin von Kanada nach Guatemala getrampt und mehrmals quer durch Kanada; zu Fuß über die Alpen gewandert und mit dem Fahrrad von Süddeutschland bis Asien gefahren. Ich habe tolle Menschen kennengelernt und Geschichten erlebt, die ich nur glauben kann, weil ich selbst dabei war. Ich bemühe mich immer, vorurteilsfrei auf die Menschen zuzugehen - Ich denke das ist eine meiner Stärken. Ich schätze die Gesellschaft anderer, auch fremder Menschen. Meine Freude daran Fremdsprachen zu lernen und eine Prise Humor haben mir geholfen tiefe Einblicke in andere Lebensweisen zu erhalten. Wenn sich meine neue Tätigkeit als selbstständiger Solarplaner etabliert hat, ist es mein Wunsch, auch interessante Projekte in einer Region zu realisieren, wo ich die Sprache beherrsche, wie zum Beispiel Mexico, Lettland, Afrika, Südamerika. Ich bin dafür auch schon in andere Regionen gereist um mich mit potentiellen Projektpartnern auszutauschen, in Mexico und Mallorca. Dabei handelt es sich unter anderem auch um BTU Alumni.

Sie engagieren sich auch bei www.bewelcome.org. Das ist ein internationales Open Source Gastfreundschaftsnetzwerk. Bitte erzählen Sie uns mehr davon.
Hierbei geht es um ein Internetportal, bei dem sich Reisende gegenseitig in Ihrem Heimatland kostenlose Übernachtungsplätze anbieten. Die Nutzung von derartigen Netzwerken ist natürlich eng mit meinem früheren Lebensstil verbunden. Als um die Jahrtausendwende das Internet Einzug in die Wohnzimmer hielt, war Hospitality Club die größte einschlägige Website im Netz. Hier war ich seinerzeit aktiv und habe viele Menschen auf dem ganzen Globus besucht, aber auch Besuch aus der ganzen Welt erhalten. Nachdem diese Internetseite nicht mehr funktionierte, wurde von den ehemaligen Volonteers ein neues Netzwerk gegründet: BeWelcome. Das ist im Gegensatz zu bekannten Netzwerken wie Cochsurfing kostenfrei und sehr gut aufgestellt, allerdings nicht so groß. Die Gründung dieser Organisation fiel in die Zeit meiner temporären Seßhaftwerdung, deshalb habe ich hier ein Profil mit nur wenigen Kommentaren von Besuchern. Aktuell baue ich gerade für meine Familie und mich unser Fachwerkhaus zu einem Sonnenhaus um. Wenn das abgeschlossen ist beabsichtige ich in Zukunft BeWelcome wieder mit mehr Engagement zu nutzen. Die Aufenthalte bei Locals in Lateinamerika, Skandinavien und Russland waren unvergessliche Erlebnisse. In Costa Rica waren wir bei Harold eingeladen, der aber den ganzen Tag unterwegs war und uns die Schlüssel in die Hand drückte. Die Übergabe an die nachfolgenden Gäste drei Tage später und die Einführung in seinen Haushalt haben wir ohne seine Anwesenheit übernommen – ein so tiefes Vertrauen erlebt man doch selten in anderen Lebensbereichen. Im Anschluss an unsere Nachfolger holte Harold uns wieder zurück und ließ uns zwei Wochen bei sich wohnen bis wir eine Wohnung gefunden hatten. In Nicaragua wurden wir sehr herzlich von der Familie unserer Gastgeberin empfangen; die Gastgeberin selbst befand sich noch in der Hauptstadt, wo sie als Radiomoderatorin arbeitete und uns anstatt mit einer direkten Begegnung stattdessen mittels Radioansage begrüßte. Sie hieß uns willkommen und ließ uns per Telefoninterview die nächsten Lieder aussuchen. Erst abends nach der Arbeit konnten wir sie persönlich kennenlernen. Am nächsten Tag wurden wir auf ein traditionelles Dorffest eingeladen, wo ein mit Öl eingeriebenes Ferkel in die Menge geworfen wurde, welches dem gehören sollte, der es schaffte das quirlige Tier einzufangen und festzuhalten. Auch wenn wir ohne tierischen Reisebegleiter weiterreisen mussten waren es Eindrücke, die bleiben. Über die Anmeldung bei BeWelcome kann sich jeder einen Abend voll Reiseanekdoten auf seine Couch einladen. Das ist für jeden ein Gewinn egal ob Reisender oder Gastgeber und fördert das gegenseitige Verständnis der Kulturen.

Sie haben Ihre Karriere mit einer Ausbildung begonnen. Was ist Ihrer Erfahrung nach der Vorteil, wenn man neben der wissenschaftlich-theoretischen Ausbildung auch eine praktische Ausbildung vorweisen kann?
In den technischen Berufen kann ich jedem raten, zunächst eine Ausbildung anzudenken. Nach meiner Erfahrung füllt eine zuvor absolvierte Lehre bei Akademikern die Lücke zwischen den beiden manchmal sich argwöhnisch beäugenden Welten einerseits der Handwerker und auf der anderen Seite der Planer und Architekten. In meiner zuletzt siebenjährigen Tätigkeit als Projektleiter und Montageleiter bei der Planeco GmbH in der Schweiz habe ich daher den Bereich der komplexen dachintegrierten PV-Anlagen übernommen. Hierbei werden die Ziegel teilweise oder  komplett ersetzt durch sich überlappende PV-Module. Dadurch entstehen zusätzliche Schnittstellen - außer zum Elektriker auch noch zu den Gewerken der Zimmerer, Spengler und Architekten. Bei solchen Projekten kann ich als eine Art Dolmetscher fungieren, weil ich die Sprache der Handwerker spreche und mit Ihnen Detaillösungen erarbeiten kann. Aber gleichzeitig kenne ich die Sichtweisen und Vorgaben der Planer und Architekten und kann mich gut in Ihre Position hineinversetzen. Am Ende eines anstrengenden Arbeitstages konnte ich beispielsweise scherzhaft zu meinen Monteuren sagen: „Vielen Dank an Euch, fürs Rumstehen“, ohne dass jemand beleidigt war, weil sie genau wissen, dass ich Ihren Einsatz in Wirklichkeit sehr gut wertschätzen kann. Mit meiner Selbstständigkeit sehe ich mich ebenfalls als Vermittler zwischen Bauherren und Architekten, Planern und Handwerkern.

Wie sind Sie damals auf das Studium in Cottbus gekommen und wie waren Ihre Erfahrungen hier?
Ich habe meine berufliche Laufbahn ganz der Sonnenenergie und dem nachhaltigen Bauen gewidmet. Die Inhalte vom Studiengang Environmental- and Resource Management aus dem Umweltingenieurswesen in Verbindung mit dem internationalen Hintergrund haben mich daher sehr gereizt an dem Cottbuser Studiengang. Das Pflicht-Auslandssemester bei einer Partner-Uni und die Möglichkeit eines Leonardo-Praktikums in Lettland waren für mich wertvolle Erfahrungen. Nicht zuletzt war es für mich ein großer Vorteil, dass es seinerzeit sehr günstige Wohnmöglichkeiten in wunderschönen Altbau-WGs gab, weil ich mir das Studium größtenteils selber finanziert habe über Bauarbeiten in den Semesterferien.

Sie arbeiten inzwischen als selbstständiger Solarplaner. Wie war Ihr Weg in die Selbstständigkeit und wie sieht jetzt Ihr Arbeitsalltag und vor allem Ihre Projekt-Akquise aus?
Ich erinnere mich, wie damals in Cottbus die Einwohnerzahl unter die kritische Marke von 100.000 gesunken ist und es bei den Liegenschaften sehr viel Leerstand gab. Abgerissen wurden als erstes nicht die leerstehenden Altbauten in der Altstadt, sondern die Plattenbauten in Sachsendorf. Das zeigt uns, dass nachhaltiges Bauen auch mit Ästhetik zu tun hat, denn Gebäude, die sich architektonisch gut ins Bild fügen, haben eher die Chance zu überdauern. Daher sehe ich die integrierte Solarenergie als einen wichtigen Baustein der Energiewende. In geschützten Ortskernen und in der Altstadt ist eine optische Integration ein wichtiger Aspekt um die Akzeptanz der Photovoltaik zu steigern. Hier kann ich meine gesammelte Erfahrung am besten einbringen um beispielsweise im Denkmalschutz ästhetische Lösungen anzubieten, die den Charakter der schützenswerten Gebäude erhalten. Integrierte PV-Anlagen werden in der Schweiz schon sehr lange eingesetzt. Aber ich stelle fest, dass der Zeitgeist in Deutschland einem Wandel unterliegt und auch hier verstärkt Indach-PV-Anlagen nachgefragt werden; diese Rückmeldung erhalte ich von Architekten und Herstellern. Das gilt natürlich insbesondere im Denkmalschutz und bei historischer Bausubstanz, aber auch im Ein– und Mehrfamilienhausbereich. Da ich in den letzten Jahren die meisten integrierten Projekte in der Firma als Projektleiter oder als technischer „Dolmetscher“ begleitet habe, möchte ich dieses Know-How an diesem Punkt mit meiner Existenzgründung einem breiteren Publikum zugänglich machen und biete mich als Ansprechpartner an für anspruchsvolle architektonische PV-Projekte. Der Arbeitsalltag sieht so aus, dass ein Großteil der Zeit in die Planung investiert wird. Es muss ein separater Modulplan, Lattenplan und Stringplan für die elektrische Auslegung gezeichnet werden. Die Anmeldung bei den Behörden und die Kommunikation mit den Projektbeteiligten nimmt auch einige Zeit in Anspruch. Anders als bei Standard-PV sind bei Indach-Anlagen häufigere Vor-Ort Termine unerlässlich: Genaues Aufmaß vor Ort, Lattenkontrolle, Einbindung der Dachfenster, Kamine, Kehlen und Dachaufbauten. Nach der Installation der sogenannten Solarlattung wird vom Montageteam die Unterkonstruktion für die PV-Paneele geschraubt. Daraufhin werden vom Spengler die Einfassungen gemacht und erst dann können die Module gelegt werden. Das tolle an den Systemen: Sie sind witterungs-, hagel- und wasserbeständig und ersetzen bei Bedarf komplett die Ziegel, fügen sich nahtlos in die Dachfläche ein und sind optisch wie aus einem Guss. In Zeiten des Solar-Booms fällt die Akquise nicht sehr schwer. In der Schweiz profitiere ich von einem Netzwerk aus Freunden, ehemaligen Arbeitskollegen, Partnerfirmen und Architekturbüros, die mich schon seit längerer Zeit kennen und gelegentlich anfragen. In Deutschland wiederum kooperiere ich mit verschiedenen Herstellern, 3S Solar Plus, Sunstyle, Axsun und weiteren, die mit Ihren Produkten derzeit in mehrere europäische Länder expandieren.

Was vermissen Sie am meisten aus Ihrer Studienzeit in Cottbus?
Die herzliche Gesellschaft. Ich habe viele sehr gute Freunde gefunden, aber die meisten zwischenzeitlich aus den Augen verloren. Ich würde mich freuen, wieder dem einen oder anderen zu begegnen. Vielleicht lesen ja manche das Interview und schreiben eine kurze Nachricht? Wer weiß. Die Studierenden, die aus Berlin stammen, belächeln mich dafür zwar manchmal, aber ich habe die sympathische Subkultur in Cottbus oft vermisst. Besonders schön fand ich die vertrauliche Atmosphäre der Campus-Uni, wo man relativ schnell sehr viele Studierende kennenlernte. In meinem Studiengang Environmental- and Resource Management hatten wir rund 50% internationale Studierende und waren daher immer eine Truppe mit verschiedenen kulturellen Backgrounds und Fremdsprachen. Die internationalen Studierenden haben in den „Culture Nights“ Ihr Land vorgestellt mit kulinarischen, tänzerischen und informativen Elementen, das war für mich immer ein echtes Highlight. Ein tolles Angebot waren die Fremdsprachen-Stammtische. Ich habe eine Zeit lang den Spanischen Stammtisch organisiert und habe von dort viel Sprachpraxis mitgenommen. Nicht nur wegen meiner plumpen Aussprache gab es manchmal einiges zu Lachen, aber immerhin hat es mich befähigt mein Pflichtauslandssemester in Spanischer Sprache in Costa Rica zu absolvieren. Das war die Krönung aus meiner Studienzeit.

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Daniel Ebert
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