Ringvorlesung „Technik und Spiel“
Cheryce von Xylander
Google und der Spieltrieb
31.01.18, 19:15-20:45 Uhr ZHG Hörsaal A
Google verkörpert, wie derzeit kein anderer Konzern, das kollektive Nutzerverhalten der Netzbürger weltweit. In Nordamerika laufen 2/3 aller Suchanfrage über diese Plattform, in Europa sind es sogar 90%. Doch das selbstbestimmte, freihändige Navigieren auf dem Datenmeer der digitalen Welt – für die Alltagstauglichkeit heutzutage unverzichtbar – musste erst erfunden werden. Das geschah im Jahr 1998 als die Google-Suchmaschine, ein anthropologisches Grundprinzip aufgriff und für die anstehende Zukunft nutzbar machte. Wie bestimmt der Spieltrieb das Erscheinungsbild des High-Tech-Kapitalismus?
Jan Schnellenbach
Zwischen Konflikt und Kooperation: Spieltheorie als Instrument zur Analyse von gesellschaftlichen Dilemmasituationen
24.01.18, 19:15-20:45 Uhr ZHG Hörsaal B
In der ökonomischen Analyse werden Situationen, in denen gesellschaftlich sinnvolle Lösungen eine Kooperation erfordern, die von rational-eigennützig handelnden Menschen nicht zu erwarten ist, als gesellschaftliche Dilemmata bezeichnet. Solche Situationen sind zahlreich, besonders häufig findet man sie aber bei Umweltproblemen, die durch die gemeinsame, aber unkooperative Nutzung von Ressourcen verursacht werden. Das ökonomische Standardmodell würde hier den Eingriff zentraler Instanzen vorsehen. Diese jedoch gibt es nicht immer – man denke etwa an globale Klimaprobleme, für deren Lösung keine Weltregierung zur Verfügung steht. In dieser Vorlesung soll ein Überblick gegeben werden über die spieltheoretisch fundierte Forschung zur Frage, wie solche Dilemmasituationen dennoch kooperativ gelöst werden können.
Stefan Poser
Alte Bahnstrecken und neue Skipisten: Infrastrukturen technisierter Spiele im 20. Jahrhundert
17.01.18, 19:15-20:45 Uhr ZHG Hörsaal B
Als technische Infrastrukturen ermöglichen Schwimmbäder Badefreuden unabhängig von geographischen Gegebenheiten. Dafür ist eine umfangreiche technische Einrichtung notwendig, zu der die großen, schweren Schwimmbecken mit ihren aufwendigen Fundamenten ebenso gehören wie Anlagen zur Erwärmung und Filtration des Wassers und ein ausgeklügeltes Heizsystem für die Raumluft. Ähnlich Bahnhöfen und Kaufhäusern wurden Badeanstalten zu charakteristischen Gebäuden moderner Städte um 1900. Die Entwicklung von Schwimmbädern als technische Infrastrukturen für eine spielerisch-sportliche Freizeitgestaltung steht exemplarisch für eine Reihe ähnlicher Anlagen: Eisbahnen, die ebenfalls im 19. Jahrhundert aufkamen, scheinen in Komplexität und Größendimension vergleichbar. Ähnliches gilt für Sportstadien, die seit dem Ende des 19. Jahrhunderts (wieder) gebaut wurden. In allen drei Fällen handelt es sich um komplexe Bauwerke, die zu spielerisch-sportlichen Zwecken entwickelt wurden, während sich eine Reihe von Infrastrukturen für Spiel- und Sportzwecke netzartig über die Landschaft spannen: beispielweise Skipisten, Liftanlagen und Seilbahnen.
Bereits anhand dieser Beispiele wird deutlich, dass das Spiel mit Technik von seinen zugehörigen Infrastrukturen abhängig ist. Dies gilt für den Sport ebenso wie für Jahrmarktsattraktionen und das Spiel mit technischem Spielzeug. Am Beispiel von Naumachien – ‚Seeschlachten‘ in speziell dafür umgebauten römischen Amphitheatern – wird deutlich, dass Infrastrukturen des Spiels eine lange historische Tradition haben. Seit der Industrialisierung wurde das Spiel zunehmend technisiert und die Zahl der spielbezogenen Infrastrukturen wuchs ebenso wie die damit verbundenen Umweltveränderungen.
Die Einflüsse sind vielfältig: So bedeutet das Skifahren mit seinem System von Seilbahnen, Skiliften und Pisten eine ganz erhebliche Umweltbelastung in Regionen, die über viele Jahrhunderte kaum von Menschen betreten wurden. Umgekehrt wurden alte Industrieanlagen als Sport-, Spiel-, Freizeit- und Tourismusstandorte vor dem Abriss bewahrt. Die Frage nach Infrastrukturen des Spiels eröffnet einen neuen Forschungsbereich zum Thema ‚Spiel mit Technik‘, in dem technikhistorische Untersuchungen bisher rar sind. Bei diesem Vortrag liegt der Focus auf Umweltveränderungen infolge technisierter Spiele; dabei werden Verbindungen zur Urbanisierungsgeschichte und zur Umweltgeschichte deutlich.
Stefan Böhme
MASCHINEN DER KONKURRENZ - PRAKTIKEN DER QUANTIFIZIERUNG UND NORMALISIERUNG IM SPIEL
10.01.18, 19:15 - 20:45 ZHG Hörsaal B >ENTFÄLLT<
Kennzahlen sind ein zentrales Element eines umfassenden Ensembles der Verdatung, das Entitäten als objektivierbare Zahlenprofile konstituiert und dessen Subjekte sich reflexiv beobachten, vermessen und normalisieren - beispielsweise in Form von Computerspielen oder Praktiken der Selbstvermessung. Mehr Vermessung führt dabei jedoch nicht zu mehr Vielfalt, sondern zu mehr Konformismus. In der Selbstvermessung ist man zwar unterschieden, jedoch nicht unterschiedlich. Niemand ist er selbst, sondern jeder der Andere des Anderen.
Saskia Maria Woyke
FLIEGENDE STIMMEN: GESANGSTECHNIK UND VISUELL-KLINGENDE SPIELE AUF DER BAROCKEN BÜHNE
20.12.17, 17:30-19:00 LG 10 Raum 131
Die Funktion der Musik und des Gesangs war im Barock eine ganz andere, als dies heute verbreitete Rezeptionsmuster „typischen Barocks" nahelegen. Im Vortrag wird anhand von Hörbeispielen die Gesangs-, Instrumental- und Bühnentechnik der Zeit vorgestellt und ergänzt durch eine DiskusSion von Quellen zeitgenössischer Hör- und Seherlebnisse. Dies wird ins Verhältnis gesetzt zur heutigen Barockfaszination, die sich entzündet an der „Gesangstechnik der Kastraten", überhaupt dem Spiel mit den Geschlechtern auf der Bühne und barocken Bühnenmaschinerien.
Christer Petersen, Peter Klimczak
Sprachspiele. Techniken der formalen Diskursanalyse
13.12.17, 19:15-20:45 Uhr ENTFÄLLT
Im Gegensatz zu natürlichen Sprachen bildet eine kalkülisierte, künstliche Sprache einen abgeschlossenen Handlungsspielraum, wie er allen intersubjektiv spielbaren Spielen zu eigen ist. Das wissenschaftliche Spiel spielen heißt dann, im Rahmen von dessen Regeln zu spielen. Wie man in einem solchen formalen Sprachspiel einen Begriff, eine These, ausgehend von einem schwachen formalen System aufbaut und dieses in immer komplexere Systeme überführt, wollen wir im Vortrag an ausgewählten Beispielen deutlich machen.
Antje Matern, Julia Binder
Spiele in der Stadt- und Regionalplanung – Ist Spielen Kulturgut?
06.12.17 Open BTU, 17:30-19:00 Uhr
In der Stadt- und Regionalplanung werden Simulationsformen wie Planspiele
oder digitale Experimente eingesetzt, um Nutzerverhalten zu simulieren,
Vorhaben zu kommunizieren und Wirkungen einzuschätzen oder auch um
Nutzerverhalten zu beeinflussen. Spiele werden hier als wichtiges
strategisches Kommunikations- und Kontrollinstrumentarium eingesetzt.
Zugleich sind Spiele aus alltäglichen Praktiken in Städten kaum
wegzudenken. Sie konsumieren Zeit, verändern Verhaltens- und
Bewegungsmuster in den Städten und verstärken individuelle Norm- und
Werteschemata. Welche Herausforderungen und Potenziale bieten Einflüsse von Spielen auf die Stadtentwicklung? Inwiefern provozieren Spiele aufgrund ihrer
gesellschaftlichen Relevanz planerischen Handlungsbedarf? Sind Spiele als
gemeinschaftliches Kulturgut zu definieren?
Alfred Nordmann, Sascha Loeve
Schwebende Fische und die Lust der Technik
29.11.17, Open BTU im Theater, 17:30-19:00 Uhr
Wir müssen nicht über Computerspiele, Unterhaltungsindustrie oder Sexspielzeuge sprechen, um auf die Lust der Technik zu stoßen. Sie kommt sogleich in den Blick, wenn wir vom homo faber ausgehen, für den Technik das ist, worüber die Menschen in ein Verhältnis zu den Dingen treten - so wie die Sprache das ist, worüber wir unsere Verhältnisse zu anderen, auch abwesenden Menschen regeln. Als nur eine Spielart des Technischen erweist sich somit eine instrumentelle oder asketische Technik, der es um die angemessenen Mittel zur Erreichung eines Zwecks geht. Asketisch ist diese Technik weil sie Mittel diszipliniert einsetzt, damit sie ihrem Zweck effizient und verlässlich dienen. Asketisch ist auch ihre Nähe zu Verzückung und Ekstase wenn, zugespitzt, schon die ingeniös konstruierte Mausefalle Glücksgefühle auslösen kann. Ganz anders kommt die Lust der Technik ins Spiel, wo sich die technischen Mittel hedonistisch von jeglicher Zwecksetzung lösen und sie gewissermaßen überwältigen. Dies wäre eine exzessive oder hedonisierende Technik, die sich im Feuerwerk exemplarisch manifestiert. Hier wird sie in die Labore der Ultraschallforschung verfolgt, die mit spielerischem Ernst magische Momente erzeugt und Fische widersinnig zum Schweben bringt.
Natascha Adamowsky
"His Elephants Don't Drink.“ Alexander Calders Drahtskulpturen als grenzgängerische Objekte zwischen Spiel, Technik und Kunst
22.11.17 Open BTU im Theater, 17:30-19:00 Uhr
Alexander Calders Kunst ist oft in den Kontext des Spiels gerückt worden. Der Entstehungsprozess seiner Skulpturen war von einem Ineinandergreifen sowohl ästhetisch-künstlerischer als auch technisch-handwerklicher Fertigkeiten geprägt und trug deutliche Anmutungen eines Geschicklichkeitsspiels. Spielerisch moduliert war auch die Rezeptionsästhetik: Seine Kunstwerke wurde wie Spielzeuge wahrgenommen und damit als Anlässe des Vergnügens wie auch als Verkörperung zeitgenössischer Ideen und Problemstellungen gleichermaßen.
Carsten Hartmann
Evolutionäre Spiele und die Rolle des Zufalls
15.11.17 Open BTU, 17:30-19:00 Uhr
In der Spieltheorie beschreibt der Begriff des Nash-Gleichgewichts einen persistenten Zustand, bei dem kein Akteur einen Anreiz hat, als einziger seine Spielstrategie zu ändern. Gibt es mehrere solcher Nash-Gleichgewichte, so ist nicht von vornherein klar, welches davon ausgewählt wird. In der Vorlesung soll die Rolle des Zufalls bei dieser Auswahl beleuchtet werden und diskutiert werden, welchen Einfluss die Irrationalität einzelner Akteure dabei haben kann.
Baruch Gottlieb
Vilém Flusser Playing With and Against the Apparatus
01.11.2017, 19:15-20:45 Uhr
I wish to explore to what extent Flusser’s concept of “playing against the apparatus” is still possible in an environment increasingly pervaded by computation. Accepting technology as a fundamental part of culture, the question remains how to critically understand computation and the subordinate techniques and practices, tools in the context of art, and especially digital and electronic art today. When does the understanding of one’s own condition merely follow technical, economic or political rules, in Flusser’s words “the program of the apparatus” and when or how does it allow for freedom in handling the apparatus? How can we interpret the concept of “the apparatus” in the context of digital technologies? And how can we understand culture not merely in terms of technological determinism but in a critical account of the technical conditions of knowledge, perception and thinking?
Eva Maria Froschauer
Wundertüte der Formen. Vom Kombinieren im architektonischen Entwurf.
25.10.17, 19:15-20:45 Uhr
Das Entwerfen der Architektur mag geschichtsbewusst, mit äußerstem Methodenernst, technologieorientiert oder vor dem Hintergrund ökonomischer Vorgaben angegangen werden. Doch genauso entstehen neue Entwürfe auf dem Wege des Spiels oder mit einem beherzten, bisweilen augenzwinkernden Griff in die riesige ‚Wundertüte‘ voller längst vorhandener Formen. Zieht man dann noch die Möglichkeiten des Kombinierens und Re-Kombinierens in Betracht, scheint das Reservoir architektonisch verarbeitbarer Formen nahezu unendlich."