Durch dick und dünn: Vampirfledermäuse schließen stabile Freundschaften
Freundschaften sind eine Schlüsselquelle für menschliches Glück, Gesundheit und Wohlbefinden. Immer mehr Beweise zeigen, dass ähnliche Beziehungen auch bei anderen Arten, einschließlich der bluttrinkenden Vampirfledermaus, wichtig sind. Die engen freundschaftlichen Bindungen bei den Fledermäusen überdauern sogar schwere Belastungsproben wie etwa den dramatischen Wechsel von einer Laborumgebung zur Wildnis. Diese neue Studie wurde erst durch die neue Funksensorik ermöglicht und ist nun in der Fachzeitschrift Current Biology publiziert worden.
Vampirfledermäuse sind hochsozial und kooperativ. Sie würgen erbeutetes Blut wieder hoch, um andere hungrige Fledermäuse in ihrem sozialen Netzwerk zu füttern. Sie versorgen so sogar nicht verwandte erwachsene Artgenossen, was evolutionsbiologisch besonders bemerkenswert ist. „Die Erforschung sozialer Interaktionen bei wilden Vampirfledermäusen war in der Vergangenheit ein schwieriges Unterfangen und erforderte Monate und Jahre, um die Fledermäuse in ihrem natürlichen Lebensraum zu beobachten“, sagt Simon Ripperger, Fledermaus-Forscher am Museum für Naturkunde Berlin.
Hightech-Rucksäcke zeichnen das soziale Leben auf
Die Arbeitsgruppe von Prof. Alexander Kölpin der BTU hat im Rahmen der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Forschungsgruppe „FOR1508 – BATS: Betriebs-Adaptive Tracking-Sensorsysteme“ neuartige miniaturisierte Funksensoren entworfen, mit deren Hilfe die Biologen Simon Ripperger und Frieder Mayer vom MfN die sozialen Netzwerke von freilebenden Fledermäusen erforschen konnten. Die Sensoren sind Mini-Computer, die leichter sind als eine 1-Cent-Münze und durch die Biologen wie kleine Hightech-Rucksäcke an jede Fledermaus angebracht werden. Die Elektronik misst per Funk den Abstand zu benachbarten anderen Sensoren. Da die Gewichtslimitierung auf unter 2 Gramm nur sehr kleine Batterien mit extrem wenig Energie gestattet, ist neben dem Gewichtslimit vor allem die Minimierung des Stromverbrauchs eine der Hauptherausforderungen. „Durch optimale Abstimmung aller Komponenten aufeinander und ein adaptives Betriebskonzept konnten wir eine Batterielaufzeit von bis zu drei Wochen realisieren“, sagt Kölpin. „Nur so ist es möglich, die Fledermäuse individuell zu kennzeichnen und automatisiert lückenlos und über längere Zeiträume das Verhalten der Tiere zu erfassen“. So werden alle Interaktionen zwischen den Fledermäusen in der sozialen Gruppe protokolliert. „Vor einigen Jahren konnten wir nur davon träumen, das soziale Netzwerk freilebender Fledermäuse so detailliert zu verfolgen“, ergänzt Ripperger, Hauptautor der Studie.
Dieser technologische Fortschritt ermöglichte es den Forschern, die Stabilität sozialer Beziehungen zu untersuchen, wenn dieselben Fledermäuse nach einem Laboraufenthalt zurück in die Wildnis entlassen werden. „Seit einigen Jahren führen wir Experimente zum Teilen von Nahrung zwischen verwandten und unverwandten Vampirfledermäusen in Gefangenschaft durch. Allerdings haben wir uns auch gefragt, ob die stabilen Beziehungen, die wir hier beobachten, lediglich von den unnatürlich stabilen Bedingungen in Gefangenschaft herrühren", sagt Gerald Carter Professor für Biowissenschaften an der Ohio State University. Carter, Mitverfasser der Studie, stellte fest, dass die Fledermäuse durch das erzwungene Zusammensein in Gefangenschaft eher Nahrung teilen. „Aber wir wollten testen, ob diese Beziehungen bestehen bleiben, wenn die Fledermäuse wieder in der Wildnis sind, wo sie sich frei entscheiden können, wohin sie fliegen und mit welchen anderen Individuen sie interagieren. Oder anders ausgedrückt: Haben wir es hier mit stabilen sozialen Bindungen zu tun, die sich in der Wildnis fortsetzen?“
Sensoren sammelten riesigen Datensatz
Um das herauszufinden, schlossen sich Carter und Ripperger zusammen. Nachdem Carter die Tiere fast zwei Jahre lang in Gefangenschaft beobachtet hatte, statteten sie eine Gruppe von Fledermäusen mit Prof. Kölpins Näherungssensoren aus und entließen sie wieder in ihre Ursprungskolonie in einem hohlen Baum auf einer Rinderweide in Panama. Die Sensoren sammelten einen riesigen Datensatz, der die täglichen Veränderungen in den sozialen Netzwerken zeigt. „Nur durch diese neuartige Technologie konnten wir zeigen, dass Individuen, die sich in Gefangenschaft gegenseitig putzen und füttern, ihre sozialen Beziehungen aufrechterhalten, weil sie sich auch in der Wildnis wieder zusammentun“, sagt Ripperger. Aber nicht alle Beziehungen hielten dem Ortswechsel stand. „Räumliche Nähe ist wirklich wichtig für den Aufbau sozialer Beziehungen, aber sie ist nicht alles“, sagt dazu Carter. „Ähnlich wie beim Menschen: Wenn du zur Uni gehst, freundest du dich mit den anderen Studenten in deinem Wohnheim an. Aber nach dem Abschluss werden einige dieser Freundschaften weitergehen und andere verblassen. Das kann von deiner Persönlichkeit oder den individuellen sozialen Erfahrungen abhängen, die du gemacht hast.“
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