Auf Spurensuche in Grönland

Ein Team aus Cottbus unter Federführung der BTU erreicht heute Grönland, um in den nächsten Wochen den grönländischen Eisschild zu überqueren und wissenschaftliche Daten zu sammeln.

Bis zuletzt war es eine Zitterpartie. Letzte Woche erhielt das Team aus Wissenschaftler*innen und Studierenden, die zusammen den Verein Iceploration e.V. unterhalten, die Genehmigung der grönländischen Behörden. Nachdem die Kiste mit Ausrüstung, Vorräten und Messtechnik die Reise schon vor gut einer Woche antrat, plante das Team die finalen Vorbereitungen und beobachtete ständig das Wetter vor Ort.

Thomas Hitziger vom Fachgebiet Baumechanik und Numerische Methoden ist Vereinsvorsitzender von Iceploration e.V. und wissenschaftlicher Leiter des Vorhabens: „Sobald wir am Freitag in Grönland landen, startet die letzte Phase der Vorbereitung. Dazu zählt die offizielle Anmeldung bei den grönländischen Behörden und das Packen der Pulken. Nur wenige Tage später am 4. August werden wir das Eis betreten und uns unseren Weg zur Westküste bahnen.“

Daten sammeln gegen den Klimawandel

Dann beginnt auch das Sammeln der wissenschaftlichen Daten. Das Team misst in den nächsten 45 Tagen auf etwa 700 Kilometern an festen Punkten die Höhenänderungen entlang der Traverse, die bereits in den vergangenen Jahren die Route verschiedener Exkursionen darstellte. Der Vergleich mit den Daten aus den Vorjahren soll in der Nachbearbeitung Aufschluss über den Massenverlust des Gletschers geben. Außerdem sollen weitere glaziologische Parameter, wie die Dichte und der Eishorizont gemessen werden.

Die Datenauswertung wird an der BTU erfolgen. Einbezogen sind die Studierenden der BTU, Luise Näke und Fabian Fohler und ein Student der Beuth-Hochschule für Technik Berlin. Exkursionsleiter Frank Polte (Ingenieur, Molde NOR / GER) und sein Stellvertreter Steffen Welsch (Bergführer, El Calafate ARG / GER) führen die Gruppe durchs Eis.

Den Planungen ging die Suche nach finanzieller Unterstützung voran, die sich aus den Erlösen einer crowdfunding-Aktion, Hilfe seitens der Fakultät und aus Eigenanteilen der Expeditionsmitglieder zusammensetzt. Die wissenschaftliche Verantwortung liegt in den Händen des Fachgebiets Baumechanik und Numerische Methoden der BTU. Weitere Kooperationspartner sind die CTU in Prag, die TU Dresden und die Beuth-Hochschule für Technik Berlin. Medizinisch wird das Team von Prof. Dr. med. Olaf Schedler, Leiter der Unfallmedizin an der Helios Klinik Bad Saarow, betreut.

Hintergrund

Die Eiskappen in der Antarktis und Grönland, die Eisfelder in Island, Patagonien und Alaska und auch die alpinen Gebirgsgletscher reagieren auf die Veränderungen des globalen Klimas durch Volumenänderungen. Je kleiner sie sind, desto stärker reagieren sie auf regionale oder lokale Einflüsse. Die großen Eiskappen sind hingegen „Sensoren“ für globale Klimaänderungen. Die Bestimmung von Volumenänderungen des grönländischen Eisschildes ist besonders interessant, weil sich gerade hier starke Veränderungen zeigen. Die Temperaturänderungen in der Arktis liegen deutlich über den globalen Durchschnittswerten.

Das Projekt „Spurensuche“ wurde 2002 von Prof. Wilfried Korth (Berlin) ins Leben gerufen. Es ist ein Monitoring-Projekt, um die klimabedingten Veränderungen des Eises in Südgrönland mit geodätischen und glaziologischen Mitteln zu messen. Der Verein Iceploration setzt mit der Expedition „Spurensuche 2020“ dieses Projekt fort.

Entlang einer historischen Route

Im Sommer 1912 durchquerte eine kleine, vierköpfige Expeditionsgruppe Schweizer Wissenschaftler mit Hundeschlitten das Inlandeis Grönlands. Es war nach der Expedition von Friedjof Nansen die zweite erfolgreiche Eisüberquerung. Sie bestimmten das erste genaue Höhenprofil der Eiskappe. Vor dem Hintergrund der heutigen Klimawandeldiskussion haben Daten aus dieser vorindustriellen Zeit besonderen Wert. 2002, 90 Jahre später wurde die Route durch eine deutsche Gruppe auf Skiern nochmals begangen und komplett mittels modernster Satellitentechnik vermessen. Diese Messungen konnten 2006, 2010 und 2015 erfolgreich wiederholt werden, sodass hochpräzise Daten für die Höhenänderungen entlang der Route vorliegen. Zwei kleinere Expeditionen fanden 2012 und 2017 statt. Die Oberflächenverhältnisse im südlichen Grönland ändern sich infolge des Abschmelzens des Eispanzers besonders im Randbereich dramatisch: Die Gebiete mit Schmelzwasserseen und -bächen wachsen an, Spaltengebiete vergrößern und verändern sich, die Schneeauflage wird von Jahr zu Jahr geringer und feuchter.

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Baumechanik
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Quelle: Iceploration e.V.