Strömungsforschung im freien Fall

Der BTU-Lehrstuhl Aerodynamik und Strömungslehre untersucht auf Parabelflügen Konvektionsströmungen unter verminderter Schwerkraft

Vom 3. bis 11. Juni 2021 werden die BTU-Wissenschaftler Dr.-Ing. Martin Meier, Dr. Peter Szabo und Dr. Vasyl Motuz vom Lehrstuhl Aerodynamik und Strömungslehre von Prof. Dr.-Ing. Christoph Egbers zur 36. wissenschaftlichen Parabelflugkampagne der Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) nach Paderborn reisen. Im Rahmen des Projektes „TEKUS – thermoelektrische Konvektion unter Schwerelosigkeit“ untersuchen sie den Einfluss eines thermoelektrohydrodynamischen Kraftfeldes auf den Wärme- und Stofftransport in einem Zylinderspalt.

Bereits seit mehr als zwölf Jahren forschen die Cottbuser auf diesem Gebiet, in Kooperation mit Partnern von der Universität Normandie, Le Havre. Auch bei diesem Parabelflug werden die französischen Kollegen Dr. Antoine Meyer und Elhadj B. Barry dabei sein.

Die DLR-Parabelflugkampagnen werden mit dem A310 der Firma Novespace durchgeführt, dessen Innenraum für die Flüge speziell ausgestattet ist. Um Schwerelosigkeit zu erlangen, fliegen die Piloten ein besonderes Manöver: Sie bringen das Flugzeug auf eine parabelförmige Flugbahn. Dabei steigt das Flugzeug aus dem horizontalen Flug steil nach oben, drosselt dann die Schubkraft der Turbinen und „fällt“ durch den Restschub erst nach oben und nach dem Erreichen des Gipfelpunktes der Parabel wieder nach unten, so dass für eine Zeitspanne von rund 22 Sekunden Schwerelosigkeit herrscht. Diese Zeit nutzen die Wissenschaftler für ihre Experimente. Nach jeder Parabel wird das Flugzeug wieder in den horizontalen Flug gebracht.

Auf Grund der Pandemie ist diesmal jedoch vieles anders. Während der Parabelflugkampagne sind, täglich Fiebermessen und Coronatests, Abstand halten und regelmäßiges Desinfizieren der Hände sowie ein strenger Zeitplan notwendig, um die Zahl der Personen vor Ort klein zu halten. Auch die Wahl des Abflugortes des Parabelflugzeuges, der Flughafen Paderborn-Lippstadt statt Bordeaux ist der Pandemie geschuldet, da die Projektgruppen aus Deutschland kommen und so zusätzliche Tests und Kontrollen beim Grenzübertritt nach Frankreich wegfallen können. Allerdings verlängert sich die Flugzeit auf ungefähr fünf Stunden, da die Flüge trotzdem im Fluggebiet vor der Bretagne stattfinden.

Die Parabelflugexperimente dieser Kampagne dienen der Vorbereitung eines TEXUS-Fluges, der für Oktober/ November 2021 geplant ist. Während des TEXUS57-Fluges können die thermoelektrischen Strömungsexperimente in annähernder Schwerelosigkeit in einem etwa 14-fach längeren Zeitraum stattfinden, als die Flugzeug-Parabelflüge es ermöglichen. Damit erhöht sich die Qualität der Versuchsergebnisse deutlich.

Ein wesentliches Ziel dieser Parabelflugkampagne ist die Validierung der neuen kombinierten optischen Messtechniken Shadowgraph und PIV sowie einer neuen Experimentflüssigkeit unter Mikrogravitationsbedingungen. Die Experimentanordnung soll auch im TEXUS-Experiment eingesetzt werden.

Über das Experiment

Der Zylinderspalt entsteht zwischen zwei ineinander gestellten, senkrechten Rohren und ist oben und unten durch Deckel- und Bodenplatte begrenzt. Der Spalt ist mit einem elektrisch nichtleitenden (dielektrischen) Öl gefüllt, dessen Viskosität beispielweise im Bereich von Wasser liegt. Das innere Rohr wird beheizt und das äußere Rohr wird von außen gekühlt, so dass ein Temperaturunterschied aufgeprägt wird. Dies führt aufgrund des Auftriebs auf der Erde zunächst zum Ausbilden einer einzigen Konvektionszelle im Spalt (Grundströmung), die den gesamten Untersuchungsraum erfasst. Wird der Temperaturunterschied erhöht, führt diese Verstärkung des thermischen Antriebs zu Instabilitäten. Die Grundströmung nimmt neue Formen an. Im Vergleich zur Grundströmung oder der reinen Wärmeleitung bei ruhender Flüssigkeit ist der Wärmetransport zwischen Innen- und Außenrohr dann verstärkt. Wenn auf dieses System nun ein Kraftfeld in Form einer angelegten Wechselspannung wirkt, so führen das inhomogene elektrische Kraftfeld und die Temperaturabhängigkeit der Permittivität der Flüssigkeit zu einer elektrohydro-dynamischen Kraftwirkung. Unter Erdbedingungen stört dieses künstliche Kraftfeld die Stabilität der Auftriebsströmung und kann den Wärmetransport verstärken.

Unter Mikrogravitationsbedingungen, wie sie beispielsweise im Parabelflug auftreten, wird die „Archimedische“ Auftriebsströmung jedoch vernachlässigbar klein. Das durch die Hochspannung aufgebaute Kraftfeld ist dann allein ausschlaggebend für das Entstehen von Strömungen im Zylinderspalt, die vielfältige Formen bis zu turbulenten Strömungen annehmen können. Diese Strömungsformen – und damit auch der Wärmetransport zwischen Innen- und Außenrohr - können mit der Höhe der elektrischen Spannung kontrolliert und auch einfach an- und ausgeschaltet werden. Mit einer neuartigen Kombination von zwei optischen Messtechniken, der Shadowgraph- und der PIV-Messtechnik wird das Strömungsfeld sichtbar gemacht und charakterisiert. Mit weiteren Sensoren messen die Forschenden die strömungsinduzierte Veränderung des Wärmetransports zwischen dem Innen- und dem Außenrohr.

Fachkontakt

Prof. Dr.-Ing. Christoph Egbers
Aerodynamik und Strömungslehre
T +49 (0) 355 69-4868
christoph.egbers(at)b-tu.de
Dr.-Ing. Martin Meier
Aerodynamik und Strömungslehre
T +49 (0) 355 69-5018
meierm(at)b-tu.de
Virtueller Aufbau und Simulation des Experiments am PC
Noch im Labor, bald in der Luft: der experimentale Aufbau
Die Wissenschaftler Dr. Peter Szabo (rechts) und Dr. Vasyl Motuz begleiteten das Experiment am ersten Flugtag