Start TEXUS 57 - Strömungsforschung der BTU in einer Höhenforschungsrakete

Am Samstag, 1. Oktober 2022, hebt ein Experimentaufbau der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) in einer Höhenforschungsrakete in Schweden ab, um für ungefähr sechs Minuten in der Schwerelosigkeit zu bleiben.

Ziel der Wissenschaftler vom Lehrstuhl Aerodynamik und Strömungslehre ist die Untersuchung des Wärme- und Stofftransportes in einer Flüssigkeit unter Weltraumbedingungen. Mit den Erkenntnissen lassen sich beispielsweise Wärmetauscher in speziellen Kühlsystemen oder in Satelliten optimieren.

Als eines von vier Teams beginnen die Wissenschaftler Dr. Martin Meier, Dr. Vasyl Motuz und Dr. Antoine Meyer am Montag, 19. September 2022, ihre Reise von Bremen nach Kiruna in Nordschweden. Dort begleiten die Forscher den Start einer Höhenforschungsrakete, die im Rahmen des Wissenschaftsprogramms TEXUS (Technologische Experimente unter Schwerelosigkeit) biologische, materialwissenschaftliche und physikalische Experimente unter Weltraumbedingungen ermöglicht. An Bord ist neben drei weiteren Experimenten aus der physikalisch-chemischen und biologischen Forschung ein Experimentmodul ("TEKUS") des BTU-Projektes "DEPIK – dielektrophoretisch induzierte Konvektion". Im Fokus des neuen Vorhabens steht die thermische Konvektion in einer Zylinderspaltgeometrie unter dem Einfluss eines elektrischen Zentralkraftfeldes. Während die Untersuchungen auf der Erde durch schwerkraftgetriebene Strömungsbewegungen überlagert werden, können die Wissenschaftler die Effekte unter Schwerelosigkeit ohne diesen Einfluss beobachten und mit Computermodellen vergleichen.

Nach bisher zwölf erfolgreichen Experimentkampagnen zur thermoelektrischen Konvektion im freien Fall bei Parabelflug-Missionen mit dem Zero-g-Flugzeug der CNES (Centre National d’Études Spatiale) ist dies nun die erste Mission in einer Höhenforschungsrakete. Prof. Christoph Egbers, Inhaber des Lehrstuhls Aerodynamik und Strömungsforschung an der BTU Cottbus-Senftenberg, sagt stolz: "Die Möglichkeit, dass unser Experiment als eines von vier Versuchsaufbauten in der TEXUS-Rakete mitfliegt, ist für unsere Forschungen sehr bedeutend. Während des Raketenfluges können unsere thermoelektrischen Strömungsexperimente in einem etwa 18-fach längeren Zeitraum in annähernder Schwerelosigkeit stattfinden, als die Parabelflüge mit dem Flugzeug es ermöglichen." Der Projektleiter Dr. Martin Meier ergänzt: "Damit erhöht sich die Qualität unserer Versuchsergebnisse deutlich. Mit einer Kombination von zwei optischen Messtechniken, der Shadowgraph- und der Particle Image Velocimetry (PIV)-Messtechnik, können wir das Strömungsfeld gleichzeitig in vier Experimentzellen sichtbar machen und charakterisieren."

Der Experimentaufbau in der Rakete musste auf einer Fläche von 60 Zentimetern Durchmesser und einer Höhe von etwa einem Meter untergebracht werden. Entwickelt wurde das Experimentmodul von dem Unternehmen Airbus Defence and Space in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl. Die Daten werden per Fernmessung übertragen und im Experimentmodul gespeichert. Bei Bedarf können die Wissenschaftler während des Raketenfluges ihre Versuche vom Boden aus über eine Videoübertragung beobachten und auch durch Telekommandos steuern. Die zweistufige 13 Meter lange Rakete wird bei dem 15-minütigen TEXUS 57-Flug eine Gipfelhöhe von etwa 250 Kilometern erreichen. Die Raketenspitze mit den Experimentmodulen – die wissenschaftliche Nutzlast – wird mit einem Fallschirm wieder sicher zurück zum Boden gebracht werden.

Die BTU-Experimente werden vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klima über die Raumfahrtagentur des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) gefördert.

Über das Experiment

Im Rahmen des Projektes wird der Einfluss eines elektrohydrodynamischen Kraftfeldes auf den Wärme- und Stofftransport in einem Zylinderspalt untersucht. Der Zylinderspalt entsteht zwischen zwei ineinander gestellten, senkrechten Rohren und ist oben und unten durch Deckel- und Bodenplatte begrenzt. Der Spalt ist mit einem elektrisch nichtleitenden Öl gefüllt. Während das innere Rohr beheizt wird, wird das äußere Rohr von außen gekühlt. Der Temperaturunterschied führt zu einer Grundströmung. Erhöht sich der Temperaturunterschied, nimmt die Grundströmung neue Formen an, der Wärmetransport zwischen Innen- und Außenrohr ist verstärkt. Wenn auf dieses System nun ein Kraftfeld in Form einer angelegten Wechselspannung wirkt, entsteht eine elektrohydrodynamische Kraftwirkung. Unter Erdbedingungen stört dieses künstliche Kraftfeld die Stabilität der Auftriebsströmung und kann den Wärmetransport verstärken. Unter Mikrogravitationsbedingungen, wie sie beispielsweise im Parabelflug auftreten, wird die Auftriebsströmung jedoch vernachlässigbar klein. Das durch die Hochspannung aufgebaute Kraftfeld ist dann allein ausschlaggebend für das Entstehen von Strömungen im Zylinderspalt, die vielfältige Formen bis zu turbulenten Strömungen annehmen können. Diese Strömungsformen – und damit auch der Wärmetransport zwischen Innen- und Außenrohr – können mit der Höhe der elektrischen Spannung kontrolliert werden.

Kontakt

Prof. Dr.-Ing. Christoph Egbers
Aerodynamik und Strömungslehre
T +49 (0) 355 69-4868
christoph.egbers(at)b-tu.de

Pressekontakt

Kristin Ebert
Stabsstelle Kommunikation und Marketing
T +49 (0) 355 69-2115
kristin.ebert(at)b-tu.de
TEKUS-Experimentmodul bei Tests im Labor
Konstruktionszeichnung des TEKUS-Experimentmoduls (Airbus DS)
Start einer TEXUS- Forschungsrakete (Foto: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Die Wissenschaftler Dr. Antoine Meyer, Dr.-Ing. Martin Meier und Dr.-Ing. Vasyl Motuz (v.l.n.r.) vor der Integrationshalle der Nutzlast
Die Wissenschaftler Dr. Antoine Meyer, Dr.-Ing. Vasyl Motuz und Dr.-Ing. Martin Meier (v.l.n.r.) neben dem offenen Experimentmodul in der Integrationshalle der Nutzlast