Einsatz Künstlicher Intelligenz in Leitstellen

Stärkung der Rettungskette unter Extremwettereinfluss: das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) fördert das Projekt "AIRCIS" mit 2,98 Millionen Euro

Extremwetterereignisse werden immer häufiger und bedrohen Mensch und Natur. Um derartige Phänome besser vorhersagen zu können und die damit verbundenen Risiken und Gefahren für die Bevölkerung durch entsprechende Vorsorgemaßnahmen zu reduzieren, fördert das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) in den nächsten drei Jahren den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) im Rettungswesen in der Modellregion Lausitz mit 2,98 Millionen Euro.

Mit dem Projekt AIRCIS (Artificial Intelligence in Rescue Chains) erforschen Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft praxisorientiert, wie im Bereich Gesundheit und Mobilität mit dem Einsatz von KI-Methoden die Rettungskette unter Extremwettereinflüssen gestärkt werden kann und entwickeln innovative Handlungsoptionen zur effizienten Einsatzplanung der Rettungskräfte.

Die Zunahme von Extremwetterereignissen wie Hitze und Starkregen in Deutschland stellt Leitstellen, Feuerwehren, Rettungsdienste, Katastrophenschutz und Krankenhäuser vor neue Herausforderungen. Obwohl Leitstellen große Datenmengen entlang der Rettungskette sammeln, kommt die systematische Auswertung dieser Daten immer noch zu kurz. Es gibt zudem bisher keine Instrumente, um die Rettungskette auch unter dem Einfluss von Extremwetterereignissen zu simulieren oder Planungen durchzuführen. Das umfasst neben Rettungseinsätzen auch die qualifizierte Patientenbeförderung (Krankentransporte).

Mit Künstlicher Intelligenz gegen die Folgen des Klimawandels

Hier setzt das Projekt AIRCIS an: Ziel des Forschungsprojekts ist die Erhöhung der Resilienz der Daseinsvorsorge im Bereich Gesundheit und Mobilität in der Modellreigion Lausitz. Dazu soll das Einsatzaufkommen auf Basis der Realdaten der integrierten Regionalleitstelle Lausitz mittels KI prognostiziert und eine Simulation zur Abbildung der gesamten Rettungskette entwickelt werden. Mithilfe weiterer Daten können Extremwetterereignisse wie Sturm, Starkregen, Hochwasser und hitzebedingte Gesundheitsfolgen in die Simulation eingespielt werden und Leitstellen bei der gezielten Planung von Einsatz-Ressourcen unterstützt werden. Der Einsatz von KI kann so frühzeitig Entscheidungshilfen für Leitstellen und Krisenstäbe bei der Disposition von Rettungskräften vor, während und nach den Ereignissen bieten.

Dr. Volker Wissing, Bundesminister für Digitales und Verkehr: "Künstliche Intelligenz ist eine Chance für mehr Fortschritt, die wir ergreifen müssen. Auf dieses Potenzial setzt das Forschungsprojekt AIRCIS, das wir mit rund drei Millionen Euro unterstützen. Dank der KI soll die Rettungskette bei Extremwettereignissen simuliert und geplant werden. Die Forscher werden testen, wie Patienten unter Extremsituationen wie Hochwasser oder Starkregen gerettet und sicher in das nächste Krankenhaus transportiert werden können. Das ist ein wegweisendes Projekt, denn Extremwetter sind eine reale Bedrohung, mit der wir umgehen müssen. Digitale Lösungen können dabei helfen, intelligent und vorausschauend zu planen und knappe Ressourcen – so wie Rettungskräfte – effizient zu steuern. Ich bin mir sicher: Ihre Erkenntnisse werden einen wichtigen Beitrag leisten, Rettungseinsätze zu stärken – und das bundesweit."

Die erarbeiteten Lösungsansätze zur Optimierung der Rettungskette in der Modellregion Lausitz sollen zunächst die Kooperationen zwischen den Bundesländern Brandenburg und Sachsen stärken und eine Übertragbarkeit auf andere Gebiete ermöglichen. Damit wird eine Modernisierung des Rettungs- und Gesundheitswesens mit Impulsen weit über die Region hinaus angestrebt und eine Verbesserung der allgemeinen Notfallversorgung möglich.

Joachim von Beesten, Geschäftsführer der Björn Steiger Stiftung und AIRCIS Projektkoordinator: "Der Klimawandel wird absehbar zu mehr und intensiveren Extremwettern in Deutschland führen. Damit ist eine erhebliche Zunahme von Gesundheitsproblemen sowie Einsätzen im Rettungsdienst und Katastrophenschutz verbunden. Dies wird zu einem erhöhten Aufkommen an Notrufen und somit zu einer verstärkten Belastung der Rettungskette führen. Künstliche Intelligenz ist dabei der Schlüssel, um die großen Anforderungen hinsichtlich der Optimierung der Einsatzmittelplanung – auch bei Extremwetterlagen – zu bewältigen. Das Projekt AIRCIS, in dem Wirtschaft und Wissenschaft eng miteinander kooperieren, ist ein wichtiger Baustein für die Ausgestaltung und Entwicklung eines effizienten und effektiven, datenbasierten Rettungswesens in unserem Land."

Sechs Akteure für mehr Sicherheit

Die Projektarbeit umfasst die systematische Auswertung der Daten von Leitstellen und weiterer Rahmendaten wie Wetter- oder geografische Daten und die Entwicklung eines Modells zur KI-basierten Prognose des Einsatzaufkommens und Nutzerverhaltens unter Regel- und Extrembedingungen. Darauf aufbauend wird eine Multi-Agenten-Simulationsumgebung konzipiert und implementiert, mit der die gesamte Rettungskette für das Untersuchungsgebiet abgebildet werden kann. Zuletzt wird eine Software für die Nutzung in der Leitstelle zur Prognose und Planung von Einsätzen entwickelt.

In dem Projekt AIRCIS arbeiten neben der Björn Steiger Stiftung aus Winnenden, die als Konsortialführer die Anwenderkompetenz entlang der Rettungskette im Dienst der Notfallhilfe beisteuert, fünf weitere Partner zusammen:

  • Brandenburgisches Institut für Gesellschaft und Sicherheit (BIGS) – Das überparteiliche und nicht-gewinnorientierte Institut  in Postdam verantwortet im Verbund die Einbindung aller relevanten Akteure und ist für die Organisation von Workshops zu Beginn und Ende der Projektlaufzeit zuständig. Die Leitung hat Dr. Tim Stuchtey.
  • Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) – Die Forscher der BTU aus dem Fachgebiet Ingenieumathematik und Numerik der Optimierung unter der Leitung von Prof. Dr. Armin Fügenschuh repräsentieren das Lausitzer Zentrum für Künstliche Intelligenz und bringen ihre Expertise auf dem Gebiet so genannter Emergency Medical Services Systeme auf nationaler und internationaler Ebene im Projekt ein sowie bei der Anwendung verschiedener Simulationstechniken, einem Teilgebiet der Künstlichen Intelligenz.
  • Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft mbH (IAGB) – Die IAGB mit Hauptsitz in Ottobrunn ist ein europäisches Technologieunternehmen und trägt mit ihrem Know-how bei der Erstellung der KI-Modelle zur Vorhersage des Einsatzaufkommens zum Gesamtvorhaben bei. Abgerundet wird die Expertise über den Rückgriff auf Experten des gesamten IABG-Portfolios wie beispielsweise das Competence Center zur KI-gestützten Geodatenverarbeitung.
  • Moxi GmbH – Das Hannoveraner Unternehmen betreibt und entwickelt eine Mobilitätsplattform zur Digitalisierung und Optimierung von Patientenbeförderungen. Moxi wird das entwickelte KI-Modell in Software für die Nutzung in den Leitstellen umsetzen.
  • Stadt Cottbus mit der Integrierten Regionalleitstelle Lausitz (IRLS Lausitz) – Die IRLS versorgt die Landkreise Dahme-Spreewald, Elbe-Elster, Oberspreewald-Lausitz, Spree-Neiße und die kreisfreie Stadt Cottbus mit der Notrufnummer 112 und koordiniert Rettungs- und Feuerwehr- sowie Katastropheneinsätze. Die IRLS unterstützt Projekte zur Digitalisierung im Rettungswesen und Brandbekämpfung, liefert im Projekt die Datenbasis und übernimmt die Überprüfung der Praxistauglichkeit.

Mit diesem Ansatz leistet das Projekt einen wesentlichen Beitrag zur KI-Strategie der Bundesregierung in den Bereichen Forschung, Datenverfügbarkeit und -nutzung und Transfer von KI-Lösungen in die Wirtschaft und das Gesundheitswesen. Auch der Aktionsplan "Digitalisierung und Künstliche Intelligenz in der Mobilität" des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr wird durch die AIRCIS-Projektarbeit vorangetrieben, insbesondere durch die Schaffung einer Datengrundlage und Standards für die Optimierung der Rettungskette und qualifizierte Patientenbeförderung.

Das Forschungsprojekt AIRCIS unter der Leitung der Björn Steiger Stiftung wird im Rahmen der Innovationsinitiative mFUND in den nächsten drei Jahren bis Ende 2025 mit rund 2,98 Millionen Euro vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr gefördert.

Über das Förderprogramm mFUND des BMDV

Im Rahmen des Förderprogramms mFUND unterstützt das BMDV seit 2016 Forschungs- und Entwicklungsprojekte rund um datenbasierte digitale Innovationen für die Mobilität 4.0. Die Projektförderung wird ergänzt durch eine aktive fachliche Vernetzung zwischen Akteuren aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Forschung und die Bereitstellung von offenen Daten auf dem Portal mCLOUD.

Fachkontakt

Prof. Dr. rer. nat. habil. Armin Fügenschuh
Ingenieurmathematik und Numerik der Optimierung
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Methoden der Künstlichen Intelligenz sollen künftig die Rettungskette unter Extremwettereinflüssen stärken und die Effizienz der Einsatzplanung der Rettungskräfte verbessern (Foto: VanHope – stock.adobe.com)