Interview mit BTU Alumnus Sascha Lademann (Betriebswirtschaftslehre)
Sascha Lademann hat den Bachelor und Master in BWL an der BTU absolviert und arbeitete danach in der Forschungs- und Innovationsförderung, als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Finanzwissenschaft der TU Dresden und Referent beim Lausitzbeauftragten in der Staatskanzlei Brandenburg. Inzwischen leitet er das spannende Projekt Startup Labor Schwedt. Wir reden im Interview mit ihm über Herausforderungen und interessante Projekte.
Hallo Herr Lademann, wie kam es, dass Sie Betriebswirtschaftslehre an der BTU studierten und wie waren Ihre Erfahrungen hier?
Ich hatte mich zunächst für ein heimatnahes Studium im Bereich „Finanzmanagement“ an der damaligen FH Eberswalde entschieden. Bereits im zweiten Semester hatte ich da allerdings bemerkt, dass der Praxisbezug eines Studiums für mich weniger entscheidend ist, als eine vertiefende Auseinandersetzung mit Theorie und Forschungsmethoden. Also habe ich mir verschiedene Unis angeschaut und letztlich auf das damals noch sehr junge BWL-Programm der BTU gesetzt, da ich so auch meine politische Aktivität und meinen gerade begonnen Nebenjob am besten fortführen konnte. In den ersten Semestern in Cottbus war dann alles super und man merkte, dass die Studiengangsleitung kontinuierlich an der Weiterentwicklung des Studiengangs arbeitete und sogar das Kursangebot wuchs. Und dann ging es leider durch den Fusionsprozess in die andere Richtung und Studieren wurde etwas unplanbarer, da Forschende und Lehrende kamen und gingen. Das war aber irgendwie auch ganz aufregend. Letztendlich war ich aber sehr zufrieden und durch die Größe der Uni war der Kontakt zu den Forschenden immer sehr gut. Das war letztlich auch der Schlüssel dazu, dass ich mit meinem damaligen Master-Thesis-Betreuer Gunther Markwardt nicht nur über die Arbeit gesprochen habe, sondern ihm auch vorgeschlagen habe, mit meinem Thema der Masterarbeit auch an einer Förderbekanntmachung vom Bundesforschungsministerium teilzunehmen und zum Glück ausgewählt wurde. Durch abermalige Umstrukturierungen an der BTU bin ich mit dem Projekt dann aber an der TU Dresden gelandet, was natürlich in Wirklichkeit total cool war.
Was würden Sie Studierenden empfehlen zur Balance von „Allround-Wissen“ und „Spezial-Wissen“?
Das ist glaube ich von Studienfach zu Studienfach unterschiedlich. Wenn man in den MINT-Fächern später in die Technologieentwicklung einsteigen möchte, wird man sehr viel Spezialwissen benötigen und wenn man da bereits im Studium seine Leidenschaft für etwas findet, macht man bestimmt nichts falsch. Bei den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften würde ich schon sagen, dass der Trend wieder mehr zu „Allround-Wissen“ und auch Interdisziplinarität geht. Ganz einfach deshalb, weil sich die Arbeitswelt verändert und man sich wirklich oft in neue Themengebiete und Fragestellungen einarbeiten muss und auch die Fähigkeit zur Kooperation immer wichtiger wird. Da hilft es sehr, wenn man als BWLer auch ein Gespür für rechtliche, technologische oder politische Fragestellungen hat. Ich bin noch keine 10 Jahre im Beruf und hab mich nun schon mit Kommunalfinanzen, Regionalökonomik, verschiedenen Industriebranchen, Entwicklung von Förderprozessen und politischen Strategien und vielen digitalen Technologien beschäftigt. Entscheidend war eigentlich immer, dass ich die gestellte Aufgabe sehr gut löse; nach meiner Spezialisierung im Studium hat mich wirklich noch nie jemand gefragt.
In wie weit hat Sie das Studium auf Ihre aktuelle Tätigkeit als Leiter des Startup Labors Schwedt vorbereitet?
So ein Projekt ist ja am Anfang nicht vielmehr als ein Budget und eine abstrakte Aufgabenstellung. Das heißt, man kümmert sich wirklich um alles. Stellenbeschreibungen fürs Personal, Büros einrichten, Arbeitsprozesse aufbauen, das Budget in konkrete Maßnahmen übersetzen, Netzwerke aufbauen usw. usw. Wenn ich da an meinen Modulkatalog im Studium zurückdenke, dann wurden da viele Grundlagen gelegt. Das reicht vom Projektmanagement, über das Controlling, Informationssysteme, Privatrecht bis hin zur VWL, wo es dann mehr darum geht im Blick zu haben, wohin man so ein Projekt zu steuern hat. Insoweit kam mir das eher breite, statt spezialisierte, Modulangebot in Cottbus sehr entgegen. Die Fachexpertise für bestimmte Dinge baut man ohnehin erst im Arbeitsleben auf.
Was ist das Startup Labor Schwedt und was machen Sie da genau? Wie kann man sich Ihren Arbeitsalltag vorstellen?
Wir sind Teil eines Bund-Länderprogramms für die ostdeutschen Raffineriestandorte und Häfen. Es ist also ein Projekt an der Hochschule Eberswalde, welches durch das Bundeswirtschaftsministerium im Rahmen vom EXIST-Programm gefördert wird und durch das Land Brandenburg kofinanziert ist. Die Idee ist, den industriellen Transformationsprozess in Schwedt durch innovative Ansätze aus den Startup-Ökosystemen zu unterstützen und hier tolle Ansätze junger Teams mit etablierten Industrien zusammenzubringen. Wir sind also kein Gründungszentrum oder Startup-Inkubator, sondern arbeiten vielmehr als eine Art industrielles Reallabor mit Innovationsökosystemen und Startups zusammen, die Bedarf an einem Standort wie Schwedt haben z.B. Anwendungsszenarien für ihre Technologie suchen, oder ein industrielles Umfeld außerhalb der Metropolregionen benötigen, um auf bestimmte Services, Ressourcen oder Genehmigungslagen zugreifen zu können. In der Regel sind das also Startups z.B. aus dem Greentech-Bereich, die nun bereit für den „Scale-up“ ihrer Technologie aus dem Labor heraus sind und beispielsweise ein Demonstrationsprojekt in einem Industriegebiet machen möchten. Ein großer Teil der Arbeit ist also die vielen Startup-Anfragen aufzunehmen und Projekte anzubahnen. Der andere große Teil der Arbeit ist, daraus verwertbare Ergebnisse für den Standort zu machen. Das können sehr operative Dinge sein z.B. längerfristige Kooperationen zwischen Industrie und Startups oder gar die Ansiedlung eines neuen Geschäftsmodells am Standort, aber auch strategische Fragestellungen z.B. hinsichtlich der benötigten Technologiepfade für den Wandel. Hier geht es also insbesondere viel um Wissensmanagement.
Was sind Herausforderungen eine Startup Kultur im Nord-Osten Brandenburgs aufzubauen?
Wo fängt man da an und wo hört man auf? Aus meiner Sicht wird es kurzfristig kaum möglich sein, eine eigenständige Startup-Kultur aufzubauen. Einerseits ist das Gründungspotenzial durch die Bevölkerungsdichte, Bevölkerungsstruktur und bestehender F&E-Aktivität in der Region sehr begrenzt. Andererseits sind die strukturellen Schwächen kaum wegzudiskutieren. Netzwerke müssen aufgebaut werden, Zugang zu Risikokapital ermöglicht werden, geeignete Innovationsthemen identifiziert und weiterentwickelt werden, Infrastrukturen und Strukturen geschaffen werden, aus denen Communities oder gar ein vernetztes Ökosystem entstehen kann. Mit der Hochschule in Eberswalde ist die Aufzählung der Hochschulstandorte dann auch schon vollständig. Letztlich muss es also eine aktive Strukturpolitik werden, die auf Innovationen als Treiber für eine neue Dynamik in der Region setzt. Da sind wir als Projekt Startup Labor Schwedt sicherlich eine erste anekdotische Evidenz, dass so etwas auch im Nordosten Brandenburgs angestoßen werden kann, aber eine echte Kultur kann daraus nur werden, wenn dafür auch die richtigen Bedingungen, wie oben aufgezählt, geschaffen werden. Allein aus der Region heraus wird man das, in Analogie zur Lausitz, kaum schaffen können.
Was sind spannende Projekte und Events im Startup Labor Schwedt von denen Sie berichten können?
Momentan läuft unsere erste Startup Challenge zum Thema „Steigerung der Energie- und Ressourceneffizienz“. Die Idee dahinter ist, dass wir mit Startup-Technologien in die Zukunft schauen wollen und anhand von Pilotprojekten herausfinden wollen, wie die industrielle Transformation in Schwedt konkret ausgestaltet werden kann. Dabei agieren wir quasi als öffentlicher Auftraggeber im Rahmen einer „innovativen Beschaffung“. Heißt, die Teams bekommen einen F&E-Auftrag von uns und arbeiten dann gezielt daran, die noch in der Entwicklung befindliche Technologie einzusetzen. Wir kooperieren dabei auch mit der regionalen Industrie, die uns hier als Anwendungsszenario, Infrastrukturgeber und im Mentoring der Teams unterstützt. Das läuft in zwei Phasen: Für die Konzeptphase hat unsere Jury 10 Teams aus knapp 40 Angeboten von Teams aus ganz Deutschland und darüber hinaus ausgewählt, die nun ein mögliches Pilotprojekt für den Standort konzipieren. Danach werden die 5 besten Ansätze ausgewählt, welche dann ihr Pilotvorhaben in Schwedt umsetzen können. Für die Konzeptphase liegen die Auftragswerte bei etwa 25.000 €, für die Umsetzung dann jeweils bis zu 300.000 €. Auf die Ergebnisse sind wir wirklich sehr gespannt und total stolz, dass sich so viele, häufig auch sehr renommierte Teams, bei unserer Challenge beworben haben und auch eine große Bandbreite an Technologien finden konnten. Die Ansätze reichen vom Beton-Recycling, über Plasmakatalysen zur Herstellung von Synthesegas aus Reststoffen, über Künstliche Intelligenz bis hin zu virtuellen Bilanzierungsgebieten für den Energieverbrauch.
Was vermissen Sie aus Ihrer Studienzeit an der BTU am meisten?
Am meisten vermisse ich wahrscheinlich den Beginn eines Semesters. Kursangebote checken, Stundenplan basteln, Modulbeschreibungen lesen und in Moodle schauen, ob schon Unterlagen hochgeladen wurden. Obwohl man natürlich schon größtenteils wusste, was man im Bachelor und Master belegen muss und will, gab es doch immer mal wieder schöne Überraschungen bei Seminaren und Vorlesungen. Gerade kurz nach der Fusion gab es ja dann doch einen regen Wechsel von Lehrenden, sodass ich mit einigen Angeboten wirklich nicht gerechnet hatte. Bei mir war es dann immer so, dass ich total ambitioniert gestartet bin: Unterlagen ausgedruckt, Ordner angelegt, Lehrbuch besorgt und schon mal ins Thema eintauchen. In den ersten ein, zwei Wochen bin ich dann meistens auch noch weitestgehend zu allen Veranstaltungen gegangen, bis dann die Disziplin doch nachgelassen hat und ich wieder viel zu viel Zeit mit meinem Nebenjob, parteilichem Engagement und sonstigen Interessen verbracht habe und mir die Module meistens komplett im Selbststudium erarbeitet habe. Da hätte ich es mir auch leichter machen können und wäre dann auch nicht von der ein oder anderen Prüfung so überrascht gewesen.