Von Cottbus nach Tokio – Zwei BTU-Alumni berichten über ihren Weg nach Japan und ihre Selbstständigkeit
Sie haben an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) studiert. Was genau denn?
Anne Groß: Wir haben beide an der BTU Architektur studiert – ich habe 2004 im Diplomstudiengang begonnen, Sebastian 2005 im Bachelor. Gemeinsam haben wir 2008/2009 ein Auslandsjahr in Japan verbracht. 2010 haben wir unsere Master im Fach Architetkur begonnen, wobei wir am Masterprogramm Architektur.Studium.Generale teilnahmen. 2012 habe ich mein Studium mit einem Diplom und einem Master abgeschlossen, Sebastian mit einem Masterabschluss.
Welche Merkmale oder Vorteile des Studiums an der BTU haben Sie dabei besonders begeistert?
Anne Groß: An unserem Studium an der BTU in Cottbus haben wir besonders das Arbeitsumfeld geschätzt. Gerade in der Architektur ist es wichtig, große Arbeitsbereiche und freien Zugang zu Werkstätten und Druckservices zu haben. Auch die Computerpools waren ein großer Vorteil – so konnten Studierende ohne leistungsstarke Rechner trotzdem am Rendering-Kurs teilnehmen.
Besonders hoch rechnen wir der Hochschule an, dass sie uns so viel Vertrauen entgegengebracht und uns einen 24-Stunden-Zugang zu den Atelierräumen ermöglicht hat.
Sie sind nach Ihrem Studium nach Japan gegangen. Wie kam es zu diesem Schritt und warum haben Sie sich dafür entschieden?
Sebastian Groß: 2016 sind wir mit einem sehr großzügigen Stipendium des DAAD nach Japan gegangen. Das Programm heißt "Sprache und Praxis in Japan" und existiert bereits seit vielen Jahren.
Anne war Teil des 33. Jahrgangs. Das Stipendium ermöglichte uns einen anderthalbjährigen Aufenthalt in Japan, inklusive intensiver Sprachausbildung und eines frei wählbaren Praktikumsplatzes. Aufgrund dieser Chance haben wir damals unsere Jobs in Berlin gekündigt und sind zunächst für begrenzte Zeit nach Japan gegangen.
Dass wir heute immer noch hier leben, war ursprünglich nicht geplant – es hat sich vielmehr aus guten Konstellationen und spannenden Projekten ergeben.
In Tokio haben Sie sich dann mit Ihrem Studio GROSS selbstständig gemacht. Welche Schwerpunkte verfolgen Sie damit?
Sebastian Groß: Studio GROSS haben wir 2019 gegründet. Es ist ein vielseitiges Büro, das sich mit Architektur, Film und Kuration beschäftigt und dabei stark auf nachbarschaftliches Arbeiten setzt. So haben wir zunächst einen kleinen Ausstellungsraum kuratiert, wodurch wir in engen Austausch mit der Nachbarschaft kamen. Daraus ergaben sich erste Sanierungsprojekte. Parallel dazu brachte Anne ihre Leidenschaft für Fotografie und Film ein, was zu internationalen Kooperationen mit starkem Japan-Bezug führte.
Ausgehend von diesem physischen Ort entwickelte sich Studio GROSS Schritt für Schritt zu einem professionellen Studio. Auch heute noch kuratieren wir Ausstellungen in unseren Räumen und erweitern unsere Aktivitäten derzeit um ein kleines Residenzprogramm, das ebenfalls in unserer Nachbarschaft verankert ist.
Nun kennen Sie sowohl das Leben in Deutschland als auch in Japan. Wo sehen Sie für sich die größten Unterschiede zwischen den beiden Ländern?
Anne Groß: In Japan haben wir den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt – eine ganz andere Erfahrung als unsere früheren Anstellungen. Selbstständigkeit bringt viel Freiheit, vor allem in der zeitlichen Gestaltung der Arbeit, birgt aber auch Unsicherheit, da man sich die eigene Daseinsberechtigung immer wieder erkämpfen muss, besonders im Ausland. Dennoch gelingt uns das nun seit neun Jahren, und wir planen, im kommenden Jahr die Permanent Residency zu beantragen. Damit möchten wir fest in Tokio verwurzelt sein, ohne dabei unser zweites Standbein in Berlin zu vergessen, wo wir seit diesem Jahr kleine Projekte entwickeln.
Rückblickend hätten wir uns die Selbstständigkeit in Deutschland wohl kaum zugetraut. Denn während wir in Berlin nie eine solche Resonanz auf unsere Arbeit gespürt hatten, war das in Japan anders: Hier wurde unsere Arbeit von Beginn an wertgeschätzt – etwas, das auch viel über die Kultur des Kollektivs aussagt. Diese Anerkennung hat uns letztlich in die Selbstständigkeit getragen.
Gibt es sonst noch etwas, das Sie gern erzählen möchten?
Anne und Sebastian Groß: 2018 ist unser Sohn zur Welt gekommen – eine Erfahrung, die unser Leben hier entscheidend geprägt hat. Wir möchten ihn gerne erwähnen, denn er hat wesentlich dazu beigetragen, dass wir uns die Selbstständigkeit und den Aufbau von Studio GROSS zugetraut haben. Uns war bewusst, dass die Arbeitsmoral im Angestelltenverhältnis in Japan noch fordernder ist als in Deutschland. Während dort die 40-Stunden-Woche schon eine Herausforderung für beide Elternteile darstellt, ist hier eine 60-Stunden-Woche in vielen Branchen Realität. Unter diesen Bedingungen wäre es für uns unmöglich gewesen, Beruf und Familie gleichberechtigt zu vereinbaren.
Gerade deshalb sind wir dankbar, dass uns die Selbstständigkeit ermöglicht, Arbeit und Erziehung miteinander in Einklang zu bringen. Wir erleben täglich, wie wertvoll es ist, Verantwortung partnerschaftlich zu teilen – sowohl für die Familie als auch für die Arbeit.



