Die Gesellschaft im Spiegellabyrinth sozialer Medien. Kultur-, Sozial- und Computer­wissen­schaft­li­che Zugän­ge zur Onlinekommunikation.

Tagung des Lehrstuhls Angewandte Medienwissenschaften

Thematische Einführung

Bildeten noch vor wenigen Jahrzehnten die Massenmedien Fernsehen, Presse und Rund­funk den pri­mä­ren Zugang der Gesellschaft zu sich selbst und ihrer Umwelt, sind heutige ge­sell­schaftliche Debatten und das Phänomen der Öffentlichkeit in hohem Maße durch den Einfluss von Online-Kom­mu­ni­kation auf Plattformen der großen Social-Media-An­bieter geprägt – verbunden mit dem Versprechen eines niedrig­schwelligen Zugangs zum Diskurs und der Flexibilisierung der Kommu­ni­ka­tions­beziehungen. In­di­vi­duelle Beiträge treten so neben die Berichterstattung durch Massenmedien. Obwohl sie einen gänz­lich anderen Entstehungs­hintergrund aufweisen, können die individuellen Beiträge in den sozialen Medien eine ähn­liche Funktion erfüllen wie die Be­richt­erstattung durch Massenmedien, indem sie die Welt, die Ge­sell­schaft oder auch die Berichterstattung der Massenmedien (reflexiv) beschreiben und so den öffentlichen Diskurs mitgestalten.

Solche digitalen Diskurse pro­du­zieren stets auch Daten respektive Metadaten, die abgefragt werden können und die (teilweise bereits auto­ma­ti­sierte) visuelle Darstellung individuellen Kommu­nikations­verhaltens oder ganzer De­bat­ten er­möglichen. Derart wird eine neue techni­sierte Beob­ach­tungsebene geschaffen, von der aus die Kom­­­­mu­ni­kation in den sozialen Medien auf Grund­lage ihrer tech­nischen Informationen und Struk­tu­ren re­­flek­tiert werden kann. Zugleich ist die Kommunikation in On­line­-Platt­formen wie YouTube, Twit­ter oder Face­­book aber auch durch algo­rith­mische Selektionen ge­formt, sie wird in hohem Maße per­so­­na­lisiert oder kann Beiträge automati­sierter Accounts ent­hal­ten.

Der Diskurs in den sozialen Medien ist für die Gesellschaft aber auch deshalb hoch brisant, weil durch ihn ihre Form selbst verhandelt wird. Par­teien, NGOs oder Protestgruppen nutzen teilweise gekonnt die neuen Mecha­nismen der Online­Me­dien, um den gesell­schaftlichen Diskurs in einer Weise zu prägen, wie es noch vor wenigen Jahren un­vor­­stell­bar erschien. In den sozialen Netzwerken existieren Formen des Protests wie (Live-)Videos (in Vlogs oder von Demonstrationen), Memes oder sogenannte Hashtag-Kampagnen. Ebenso eröffnen sich dem Protest durch Hacking oder durch den Zugriff auf Datenmaterial gänzlich neue, digitale Me­tho­­den.

Die geplante Konferenz adressiert Fragen der Medien-, Sozial- und Kommu­ni­ka­tions­wissen­schaften eben­so wie der Informatik. Das thematische Kon­zept vereint dabei erstens die Transfor­mation öf­fentli­cher Meinung und gesellschaftlicher Kommunika­tion unter den Bedingungen der Online-Kom­mu­ni­ka­tion (vornehmlich vermittelt durch Social-Media-Plattformen als neue Spielfelder des gesell­schaft­lichen Diskurses) mit zweitens der neuen Rolle und den neuen digitalen Methoden von Protest­grup­pen in diesem gesell­schaft­lichen Diskurs sowie drittens Fragen nach den informationstechnischen Dis­po­si­tio­nen dieser algorith­misch vermittelten Diskurse.

Programm der Konferenz

Veranstaltungsort: 'Crack Bellmer', Revaler Straße 99, 10245 Berlin-Friedrichshain

Anmeldungen für Gäste bitte untervietz(at)b-tu.de

Programm alspdf

Donnerstag, 19. September 2019
10:00 – 10:15 UhrPeter Klimczak, Christer Petersen, Samuel Schilling: Begrüßung
10:15 - 11:15 UhrCornelia Fedtke, Gregor Wiedemann: Diskriminierung und Gegenrede in der Kommentierung massenmedialer Berichterstattung auf Facebook.
 Kaffeepause
11:30 - 12:30 UhrChristopher Schmitz, Stefan Steiger: Wann kommt die Wut? Eine qualitativ vergleichende Studie diskursiver Eskalationsdynamiken und invektiver Sprachmuster in parteipolitischen Facebook-Kommentarbereichen im Kontext der Bundestagswahl 2017.
 Mittagspause
14:00 - 15:00 UhrSilke Fürst: Neue Öffentlichkeitsdynamiken: Selbstverstärkende Prozesse von ‚Popularität‘ im Zuge der Digitalisierung.
 Kaffeepause
15:15 - 16:15 UhrSamuel Schilling: Was von Twitter erhalten bleibt. Archivierung von Social Media-Daten und gesellschaftliche Zugangsermöglichung.
 Kaffeepause
16:30  – 17:30 UhrJens Pohlmann, Adrien Barbaresi: Mapping the German Tech Blog Sphere and its Influence on Digital Policy.
Freitag, 20. September 2019
10:00 - 11:00 UhrJulius Erdmann: Medialisierter Protest als Beobachtung, Kritik, Imagination und Produktion.
 Kaffeepause
11:15 - 12:15 UhrFlorian Muhle: Political Bots & Co. Vorschlag einer Typologie (teil-) automatisierter Accounts auf Twitter.
 Mittagspause
13:45 - 14:45 UhrDan Verständig: Soziale Medien zwischen Disruption und Synthese.
 Kaffeepause
15:00 - 16:00 UhrGertraud Koch, Lina Franken: Automatisierungspotenziale in der qualitativen Diskursanalyse. Das Prinzip des „Filterns“.
 Kaffeepause
16:15 - 17:15 UhrStefan Ziehe, Caroline Sporleder: Politisches Gezwitscher in Text und Bild: Multimodale Sentimentanalyse von Mikroblogs.
ab 17:15 UhrAbschlussdiskussion und Verabschiedung

Veranstaltungsort
Veranstaltungsort: 'Crack Bellmer', Revaler Straße 99, 10245 Berlin-Friedrichshain

Kontakt

PD Dr. phil. Dr. rer. nat. habil. Peter Klimczak
Angewandte Medienwissenschaften
T +49 (0) 355 69-3243
klimczak(at)b-tu.de

Katrin Vietz
Angewandte Medienwissenschaften
T +49 (0) 355 69-2684
vietz(at)b-tu.de