Flexible intelligente Systeme für das Gelingen der Energie- und Mobilitätswende
Ein aktuelles Leuchtturmprojekt ist Bi-CCS, das bidirektionale Lademanagementsystem, das die Integration von Elektrofahrzeugen in die Stromnetze ermöglichen soll. Die Entwicklung von intelligenten Stromnetzen spielt in dem dreijährigen Projekt eine zentrale Rolle, das noch bis Oktober 2026 mit mehr als 4 Millionen Euro aus Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert wird. Bi-CCS zielt darauf ab, Elektrofahrzeuge nicht nur als Transportmittel, sondern als flexible Energiespeicher für die Stabilisierung von Stromnetzen zu nutzen.
Bi-CCS: Elektrofahrzeuge als aktive Netzstabilisatoren
In Zusammenarbeit mit Volkswagen, HagerEnergy und Stromnetz Berlin wird ein intelligentes System entwickelt, das es ermöglicht, Energie bidirektional – also sowohl zum Laden als auch zur Rückspeisung ins Netz – zu steuern. Dabei wird der CCS-Ladestandard (Combined Charging System) genutzt, der europaweit als Standard für Elektrofahrzeuge etabliert ist. Die Mitteldeutsche Netzgesellschaft Strom, EVTEC und ePHANT wurden inzwischen als weitere Partner für das Projekt gewonnen.
Das Herzstück des Projekts besteht in der Nutzung von Elektrofahrzeugen als flexible Schwarmspeicher, die Strom nicht nur aufnehmen, sondern auch in das Netz zurückspeisen können. Diese sogenannte Vehicle-to-Grid (V2G) Technologie bietet enormes Potenzial, um Netzengpässe auszugleichen und gleichzeitig die Integration erneuerbarer Energien zu fördern. Dies ist besonders relevant für die Maßnahmen zur Beseitigung von Netzengpässen, wie etwa den Redispatch 3.0.
Sechs Testfahrzeuge der ID-Baureihe von Volkswagen als Schlüsseltechnologie
An den Standorten der BTU in Cottbus und Senftenberg entsteht ein anwendungsnaher Technologiedemonstrator, der die praktische Erprobung der bidirektionalen Ladeinfrastruktur ermöglicht. Dabei kommen sechs speziell modifizierte Volkswagen-Fahrzeuge zum Einsatz, die von dem Team für Feldtests genutzt werden.
Die Prototypen werden in den nächsten zwei Jahren sowohl im Alltag als auch in gezielten Tests auf ihre Funktionalität geprüft. Die Wissenschaftler erforschen dabei:
- Wie sich häufiges Laden und Entladen auf die Batterielebensdauer auswirkt.
- Wie die Kommunikation zwischen Fahrzeugen und Stromnetz zuverlässig gestaltet werden kann.
- Wie ein intelligentes Flottenmanagement entwickelt werden kann, das Netz- und Nutzeranforderungen gleichermaßen erfüllt.
Testfahrer-Ausbildung für die E-Fahrzeuge
Um die modifizierten Fahrzeuge sicher bewegen zu können, mussten sechs Fahrer*innen einen speziellen Prototypen-Führerschein erwerben. Diese anspruchsvolle Ausbildung beinhaltete Tests auf einem Prüfgelände, bei denen die Teilnehmer unter Extrembedingungen – etwa Vollbremsungen, Schleudermanöver oder das Beherrschen des Fahrzeugs nach plötzlichem Kontrollverlust – ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen mussten. Diese Qualifikation ist notwendig, um die Fahrzeuge legal und sicher in Forschung und Alltag einzusetzen, da die Autos aufgrund ihrer Modifikationen keine Serienzulassung besitzen.
15 Jahre Expertise in Elektromobilität und Smart Grids – ein Erfolgsmodell
Das Bi-CCS-Projekt knüpft an eine lange Tradition der Spitzenforschung an der BTU Cottbus-Senftenberg an. Seit 2008 haben die Lehrstühle „Energieverteilung und Hochspannungstechnik“ sowie „Dezentrale Energiesysteme“ wegweisende Konzepte entwickelt, um erneuerbare Energien und Elektromobilität effizient in bestehende Stromnetze zu integrieren. Ein herausragendes Beispiel ist das Projekt Smart Capital Region 2.0, bei dem ein einzigartiges Forschungs-Smart-Grid geschaffen wurde. Dieses vereint regenerative Energiequellen, Speichersysteme und eine sektorenübergreifende Nutzung und dient als Modell für intelligente Energiesysteme.
Auch die Zusammenarbeit mit BMW im Bereich des bidirektionalen Ladens ist hier zu erwähnen. „Zwischen 2021 und 2024 wurden im Rahmen eines groß angelegten Feldversuchs 50 rückspeisefähige BMW i3 getestet, um die Rückspeisung von Energie ins Netz unter realen Bedingungen zu erproben. Parallel dazu wurde im Rahmen der Smart Campus-Initiative ein nahezu klimaneutrales Campusmodell entwickelt, das Photovoltaik-Anlagen, Batteriespeicher und intelligente Ladeinfrastruktur integriert und so eine nachhaltige Energienutzung demonstriert.“ erklärt Prof. Dr.-Ing. Harald Schwarz, Emeritus des Lehrstuhls Energieverteilung und Hochspannungstechnik an der BTU.
Ein weiterer Meilenstein war die Gründung des EXIST geförderten Start-ups ePHANT, das sich auf intelligente Ladelösungen spezialisiert hat. Dieses Spin-off entstand durch die enge Verknüpfung von Forschung und Praxis und zeigt, wie Innovationen der BTU aktiv zur Gestaltung der Elektromobilitätswende beitragen. Das Bi-CCS-Projekt baut auf diesen fundierten Erfahrungen auf und führt die Forschung der BTU in eine neue Phase – mit dem Ziel, Elektromobilität und erneuerbare Energien noch enger zu verknüpfen und die Energie- und Mobilitätswende voranzutreiben.
Technologische und gesellschaftliche Auswirkungen
Bi-CCS ist ein wegweisendes Projekt, das die Energiewende und Mobilitätswende miteinander verknüpft. Die Fähigkeit, Elektrofahrzeuge als Schwarmspeicher in das Stromnetz einzubinden, kann nicht nur Netzengpässe reduzieren, sondern auch die Nutzung erneuerbarer Energien effizienter machen. Gleichzeitig profitieren Fahrzeugnutzer*innen von einer optimierten Ladeinfrastruktur und zusätzlichen Möglichkeiten der Batterienutzung.
Die BTU Cottbus-Senftenberg knüpft mit Bi-CCS an ihre langjährige Expertise in den Bereichen Smart Grids, Elektromobilität und erneuerbare Energien an. Projekte wie Smart Capital Region 2.0, die Entwicklung eines klimaneutralen Smart Campus und das bidirektionale Laden mit BMW und Kostal als Ladesäulenhersteller, sowie NISSAN und Delta Electronics aus Taiwan bilden die Grundlage für diese innovativen Entwicklungen. Mit Bi-CCS setzt die BTU erneut Maßstäbe und treibt die Transformation hin zu einer nachhaltigen und klimaneutralen Zukunft voran.
Gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz
Das Projekt wird durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Rahmen des Programms „Bidirektionale Flottenkraftwerke 2025“ mit über 4 Millionen Euro von Oktober 2023 bis Oktober 2026 gefördert. Diese Unterstützung ermöglicht es, die Technologie bis 2026 zur Marktreife zu bringen und deren praktische Anwendung im großen Maßstab zu demonstrieren.
Kontakt
Dezentrale Energiesysteme und Elektrische Netze
T +49 (0) 355 69-4044
ahner(at)b-tu.de