Forschungsflug in Frankreich: Strömungsforschung unter perfekten Bedingungen

Der BTU-Lehrstuhl Aerodynamik und Strömungslehre ist das einzige deutsche Team auf einem französischen Parabelflug. In einem speziellen Flugmanöver (Parabel) erreichen die Wissenschaftler 22 Sekunden Schwerelosigkeit, um Konvektionsströmungen unter verminderter Schwerkraft zu untersuchen.

Vom 20. bis 30. September 2021 ist es soweit: Die Wissenschaftler Dr. Antoine Meyer, Dr. Vasyl Motuz und Dr. Peter Szabo reisen zur wissenschaftlichen Parabelflugkampagne der Französischen Raumfahrtbehörde (CNES) nach Bordeaux.

Prof. Christoph Egbers, Inhaber des Lehrstuhls Aerodynamik und Strömungsforschung an der BTU Cottbus-Senftenberg, ist stolz darauf und sagt: „Die Möglichkeit, dass unser Experiment als einziges deutsches unter zehn anderen französischen Experimenten mitfliegt, ist für unsere Forschungen sehr bedeutend. Erst dadurch können wir unsere neuen kombinierten optischen Messtechniken Shadowgraphie und Particle Image Velocimetry (PIV) sowie eine neue Experimentflüssigkeit unter Mikrogravitationsbedingungen untersuchen und somit unsere Laborergebnisse validieren.“

Im Rahmen des Projektes mit dem Titel „TEKUS – thermoelektrische Konvektion unter Schwerelosigkeit“ untersuchen die Strömungsforscher den Einfluss eines thermoelektrohydrodynamischen Kraftfeldes auf den Wärme- und Stofftransport sowohl in einem Zylinderspalt-, als auch in einem Plattenspalt-Experiment. Bei den französischen Kollegen mitzufliegen, wird durch eine langjährige deutsch-französische Kooperation möglich, in der die Cottbuser mit der Universität Normandie, Le Havre eng zusammen arbeiten. Bei diesem Parabelflug werden die französischen Kollegen Dr. Olivier Crumeyrolle und Elhadj B. Barry dabei sein.

Parabelflugkampagnen werden mit einem speziell ausgerüsteten Flugzeug durchgeführt. Um Schwerelosigkeit zu erlangen, fliegen die Piloten ein besonderes Manöver: Sie bringen das Flugzeug auf eine parabelförmige Flugbahn. Dabei steigt das Flugzeug aus dem horizontalen Flug steil nach oben, drosselt dann die Schubkraft der Turbinen und „fällt“ durch den Restschub erst nach oben und nach dem Erreichen des Gipfelpunktes der Parabel wieder nach unten, so dass für eine Zeitspanne von rund 22 Sekunden Schwerelosigkeit herrscht. Diese Zeit nutzen die Wissenschaftler für ihre Experimente. Nach jeder Parabel wird das Flugzeug wieder in den horizontalen Flug gebracht.

Die Experimentanordnung soll zudem im diesjährigen TEXUS-Experiment im November 2021 eingesetzt werden. Sie dient somit der Vorbereitung: Während des TEXUS57-Fluges können die thermoelektrischen Strömungsexperimente in annähernder Schwerelosigkeit in einem etwa 14-fach längeren Zeitraum stattfinden, als die Flugzeug-Parabelflüge es ermöglichen. Damit erhöht sich die Qualität der Versuchsergebnisse deutlich.

Über das Experiment

Der Zylinderspalt entsteht zwischen zwei ineinander gestellten, senkrechten Rohren und ist oben und unten durch Deckel- und Bodenplatte begrenzt. Der Spalt ist mit einem elektrisch nichtleitenden (dielektrischen) Öl gefüllt, dessen Viskosität beispielweise im Bereich von Wasser liegt. Das innere Rohr wird beheizt und das äußere Rohr wird von außen gekühlt, so dass ein Temperaturunterschied aufgeprägt wird. Dies führt aufgrund des Auftriebs auf der Erde zunächst zum Ausbilden einer einzigen Konvektionszelle im Spalt (Grundströmung), die den gesamten Untersuchungsraum erfasst. Wird der Temperaturunterschied erhöht, führt diese Verstärkung des thermischen Antriebs zu Instabilitäten. Die Grundströmung nimmt neue Formen an. Im Vergleich zur Grundströmung oder der reinen Wärmeleitung bei ruhender Flüssigkeit ist der Wärmetransport zwischen Innen- und Außenrohr dann verstärkt. Wenn auf dieses System nun ein Kraftfeld in Form einer angelegten Wechselspannung wirkt, so führen das inhomogene elektrische Kraftfeld und die Temperaturabhängigkeit der Permittivität der Flüssigkeit zu einer elektrohydro-dynamischen Kraftwirkung. Unter Erdbedingungen stört dieses künstliche Kraftfeld die Stabilität der Auftriebsströmung und kann den Wärmetransport verstärken.

Unter Mikrogravitationsbedingungen, wie sie beispielsweise im Parabelflug auftreten, wird die „Archimedische“ Auftriebsströmung jedoch vernachlässigbar klein. Das durch die Hochspannung aufgebaute Kraftfeld ist dann allein ausschlaggebend für das Entstehen von Strömungen im Zylinderspalt, die vielfältige Formen bis zu turbulenten Strömungen annehmen können. Diese Strömungsformen – und damit auch der Wärmetransport zwischen Innen- und Außenrohr - können mit der Höhe der elektrischen Spannung kontrolliert und auch einfach an- und ausgeschaltet werden. Mit einer neuartigen Kombination von zwei optischen Messtechniken, der Shadowgraph- und der PIV-Messtechnik wird das Strömungsfeld sichtbar gemacht und charakterisiert. Mit weiteren Sensoren messen die Forschenden die strömungsinduzierte Veränderung des Wärmetransports zwischen dem Innen- und dem Außenrohr.

Weitere Informationen zu den Parabelflügen: www.dlr.de/rd/desktopdefault.aspx/tabid-2282/3421_read-5230/

Kontakt

Prof. Dr.-Ing. Christoph Egbers
Aerodynamik und Strömungslehre
T +49 (0) 355 69-4868
christoph.egbers(at)b-tu.de

Susett Tanneberger
Stabsstelle Kommunikation und Marketing
T +49 (0) 355 69-3126
susett.tanneberger(at)b-tu.de
Das Team von Prof. Christoph Egbers (rechts im Bild) mit dem Experimentenaufbau im Labor an der BTU (Foto: BTU, Ralf Schuster) (v.l.n.r.) Yaraslau Sliavin (Messtechnik, Programmentwicklung) Tark Raj Bista (CAD-Konstruktion und Experimentaufbau), Stefan Rohark (Werkstattleitung), Antoine Meyer (Postdoc resercher), Christoph Egbers
Die Wissenschaftler bei der Arbeit: Zwischenzeitlich ist das Experiment verpackt und auf dem Weg nach Le Havre (Foto: BTU, Ralf Schuster)