Annika Jöster erhält den Preis für die beste Bachelorarbeit 2020 der Fakultät 1

Titel der Arbeit »Potential- und Spektraltheorie von reversiblen, metastabilen Markovketten«, Betreuer: Prof. Dr. rer. nat. Carsten Hartmann (Stochastik und ihre Anwendungen), Prof. Dr. rer. nat. habil. Ralf Wunderlich (Wirtschaftsmathematik)

Annika Jöster hat sich in ihrer Arbeit mit einem Thema auseinandergesetzt, das Theoretiker wie Praktiker seit vielen Jahren fasziniert und beschäftigt. Reversible Markovketten spielen bei der Modellierung komplexer Systeme aus Natur- und Ingenieurwissenschaften eine wichtige Rolle. Zudem sind sie in der Statistik das Werkzeug schlechthin, um komplizierte und hochdimensionale Wahrscheinlichkeitsverteilungen effizient zu simulieren. Ein typisches Phänomen dabei ist die Metastabilität. Sie beschreibt die Eigenschaft eines Systems, auf kurzen bis mittleren Zeitskalen stabil zu wirken, langfristig allerdings große Zustandsänderungen zu durchlaufen. Beispiele für metastabile Systeme sind Proteine im menschlichen Körper, Festkörper oder das Klimasystem.

Mathematisch lassen sich die charakteristischen Zeitskalen, auf denen metastabile Markovketten relevante Zustandsänderungen durchlaufen, durch die Eigenwerte des zugrundeliegenden Zeitentwicklungsoperators (der so genannten ”Halbgruppe“) beschreiben. Die Berechnung dieser Zeitskalen ist für das Systemverständnis wichtig und hilft zugleich, die Komplexität von Computersimulationen metastabiler Systeme abzuschätzen.

Annika Jöster hat den relevanten Teil des Eigenwertspektrums einer metastabilen Markovkette mit einem graphentheoretischen Ansatz präzise untersucht, der auf der Cheeger-Konstante basiert. Damit berührt sie brandaktuelle Forschungsfragen und verbindet versiert verschiedene Teilgebiete der Mathematik – von der Stochastik über die Analysis bis hin zur linearen Algebra und Graphentheorie. Auch wenn sie sich in ihrer Arbeit auf Markovketten mit endlichem Zustandsraum beschränkt, so gelingt ihr eine vollständige und rigorose Charakterisierung des dominanten Spektrums. Ihre theoretischen Resultate unterlegt sie eindrucksvoll mit entsprechenden numerischen Simulationen.

Im Rahmen dieser Arbeit wurden einige Kenngrößen aufgeführt, anhand derer metastabile Markovketten quantifiziert werden können: Im Hinblick auf das Konvergenzverhalten einer metastabilen, reversiblen, ergodischen Markovkette wurden im Rahmen der Arbeit die für die Metastabilität relevanten, über Potentiale eingeführten Kenngrößen quantifiziert. Von besonderem Interesse waren dabei die spektralen Eigenschaften und die Abschätzung der Spektrallücke durch die sogenannte Cheeger-Konstante. Die Ergodizität garantiert dabei die Konvergenz der Verteilung der Markovkette gegen die eindeutige stationäre Verteilung. Jedoch sorgt metastabiles Verhalten vor allem für eine deutlich langsamere Konvergenz.

Für dieses Phänomen wurden basierend auf Potentialen und Rückkehrwahrscheinlichkeiten sogenannte Kapazitäten eingeführt. Durch Letztere konnte nun die Cheeger-Konstante ausgedrückt werden. Diese impliziert wiederum, dass die Markovkette ein beinahe reduzibles Verhalten aufweist. Das heißt, dass der Übergang zwischen gewissen Teilmengen des Zustandsraums erschwert ist. Außerdem erhält man ein Cluster von Eigenwerten in der Nähe der Eins. Anhand einer Abschätzung der Spektrallücke durch die Cheeger-Konstante und dem Satz von Perron-Frobenius konnte der äquivalente Zusammenhang einer kleinen Spektrallücke, einer geringen Cheeger-Konstante und einer langsamen Konvergenz hergestellt werden. In Bezug auf die Austrittszeiten einer Teilmenge des Zustandsraumes ergab sich für einen hinreichend großen Wert der mittleren Austrittszeiten und beinahe konstanten Werten der Austrittszeiten auch hier eine ähnliche Aussage für eine kleine Cheeger-Konstante. Das umfasst abermals eine langsame Konvergenz. Die Metastabilität konnte nun anhand eines Beispiels veranschaulicht werden.

Kontakt

Kristin Ebert
Stabsstelle Kommunikation und Marketing
T +49 (0) 355 69-2115
kristin.ebert(at)b-tu.de
Annika Jöster (Foto: privat)