Die Zukunft der Wasserrettung: Das Projekt "RescueFly" ist startklar

Automatisierte Drohnen sollen in Zukunft die Arbeit von Einsatzkäften in der Wasserrettung erleichtern. Dazu wurde nun das Projekt "RescueFly" gestartet, in dem ein interdisziplinäres Team von Wissenschaftlern und Unternehmen unter Koordination der Björn Steiger Stiftung, technische und operative Lösungen für drohnenunterstützte Rettungsaktionen entwickelt.

Das Ziel des Projekts ist es, mithilfe von dezentral stationierten, autonomen Drohnen auch an unbewachten Gewässern, insbesondere in schwer zugänglichen und großflächigen Einsatzräumen, schnelle und effektive Hilfe bei Notfällen zu ermöglichen. Getestet wird das Potenzial dieser Drohnen-Technologie zur Wasserrettung zunächst im Lausitzer Seenland. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) mit 2,04 Mio. Euro gefördert.

Ertrinken ist nach Angaben der Weltgesundheitsbehörde WHO die dritthäufigste Unfall-Todesursache und macht global sieben Prozent aller verletzungsbedingten Todesfälle aus. Flüsse und Seen sind nach wie vor die größten Gefahrenquellen. Rund 85 Prozent aller Opfer in Deutschland ertranken im Jahr 2021 laut der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) in Binnengewässern.

Mit autonomen Drohnen schnell vor Ort

Dr. Volker Wissing, Bundesminister für Digitales und Verkehr: "Drohnen sind schnelle und intelligente Helfer. Insbesondere bei Rettungseinsätzen können Drohnen einen wichtigen Beitrag leisten. Sie erreichen schwer zugängliche Orte, übermitteln schnell detaillierte Lagebilder direkt an die Rettungskräfte oder transportieren medizinisches Equipment. Im Forschungsprojekt 'RescueFly' soll dieses Potenzial zur Unterstützung der Rettungskette genutzt werden. Es sollen Lösungen entwickelt werden, wie autonome Drohnen intelligent bei der Wasserrettung eingesetzt werden können. Dieses wegweisende Projekt unterstützen wir mit zwei Millionen Euro. Ich bin mir sicher: Ihre Erkenntnisse werden einen wichtigen Beitrag leisten, Einsätze in der Wasserrettung zu erleichtern - und das bundesweit."

Die Alarmierung und Ortsbestimmung bei Notfällen im Wasser stellen besondere Herausforderungen an die Rettungskette, da schwer zugängliche und großflächige Einsatzräume einen hohen personellen und zeitlichen Aufwand für die Erfassung von Lageinformationen erfordern. Drohnen zur Wasserrettung können hierbei eine ganze Reihe von Vorteilen ausspielen. "Das Forschungsprojekt 'RescueFly' wird damit einen wichtigen technischen und gesellschaftspolitischen Beitrag bei der Entwicklung einer modernen und schnellen Notfallrettung in Deutschland leisten. Mit dem Einsatz automatisierter Drohnen erweitern wir die Möglichkeiten in der Wasserrettung und verkürzen für eine in Not geratene Person die Zeit bis zur ersten Hilfestellung. Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI) sind Schlüsselfaktoren, diese Aufgaben effektiv zu gestalten", sagt Joachim von Beesten, Geschäftsführer der Björn Steiger Stiftung, die im Projekt die Konsortialführung übernimmt.

Rettungsdrohnen: Autonome Lebensretter aus der dritten Dimension

Mithilfe von Rettungsdrohnen können Menschen in Not durch z.B. eine niedrigere Flughöhe und deutlichere Sichtlinien, die nicht durch starken Wellengang verdeckt werden könnten, meist besser geortet werden als durch Boote oder Rettungsschwimmer. Darüber hinaus können Drohnen unbewachte Gewässer bereits vor dem Eintreffen von Rettungskräften automatisiert und zügig nach Unfallopfern absuchen und die Daten in Echtzeit an die Einsatzstellen weiterleiten. Sie können dadurch Rettungskräfte schneller zum Verunglückten navigieren. Auch kann dessen Überlebenschance durch den ortspräzisen Abwurf von Hilfsmitteln wie selbstauslösende Schwimmkörper, bis zum Eintreffen der Rettungskräfte entscheidend verlängert werden.

Weitere Vorteile: Drohnen sind in der Beschaffung weitaus günstiger als Hubschrauber und gewährleisten eine schnellere Reaktionszeit bei gleichzeitig geringeren Einsatzkosten und reduziertem Personalbedarf. Dank ihrer niedrigen Flughöhe können sie auch bei schlechten Sichtverhältnissen eingesetzt werden. Die Wasserrettung mittels Drohnenunterstützung wird somit ein wertvoller und zugleich auch ergänzender Bestandteil der Rettungskette.

Hier setzt das am 1. Januar 2022 gestartete Projekt "RescueFly" an. Das übergreifende Ziel des vom BMDV geförderten Vorhabens ist es, einen Beitrag zur Verkürzung der Rettungsfrist bei der Wasserrettung zu leisten. Dazu wird im "RescueFly"-Vorhaben beabsichtigt, spezielle, mit Kameras ausgerüstete Rettungsdrohnen (UAS - Unmanned Aircraft Systems) zur Unterstützung bei der Wasserrettung zu entwickeln und einzusetzen. Sie werden in der Versuchsregion dezentral in modernen und technisch fortschrittlichen Drohnengaragen stationiert. Dort sind sie mit einer Rettungszentrale online verbunden und mit adäquater Sensorik ausgestattet. Exemplarisches Einsatzgebiet ist die Lausitzer Seenlandschaft, hier speziell die im Land Brandenburg und Freistaat Sachsen liegenden Seen Geierswalder See und Partwitzer See.

Innovationen mit Perspektiven für die Lausitz

Drohnen sind schon seit geraumer Zeit in vielen Bereichen im Einsatz, wenn eine Luftunterstützung für die Suche und Erkundung essenziell ist. Unbemannte Drohnen kommen ebenfalls bei der Versorgung mit Hilfsgütern in schwer erreichbaren Gebieten zum Einsatz. Die Besonderheit dieses Projektes liegt deshalb nicht ausschließlich bei der vom Kooperationspartner THOLEG Civil Protection Systems neu entwickelten Rettungsdrohne, sondern in dem neuartigen Zusammenwirken unterschiedlicher Technologien und autonomer Systeme.

Dafür verfolgt das Projekt einen innovativen Ansatz: der Einsatz von KI soll die Vernetzung der unbemannten Drohnen mit den Rettungsleitstellen ermöglichen. Dies geht einher mit der notwendigen digitalen Transformation des Rettungswesens, um den veränderten Rahmenbedingungen zu begegnen und die bisherigen Prozesse entsprechend zu optimieren. Dabei liegen die Forschungsschwerpunkte einerseits im Bereich der Bildanalyseverfahren und der vollautomatischen Datenauswertung von optischen und ultraschallbasierten Bildinformationen. Andererseits in der Integration der Drohne in die operative Alarmierung- und Rettungskette.

Ein weiterer Schwerpunkt von "RescueFly" ist der Bereich der Simulationsverfahren zur Darstellung der gesamten Rettungskette in den Badegewässern der Projektregion. Insgesamt gilt es, die Menge der anfallenden Informationen zur Erstellung eines Gesamtlagebildes zu verarbeiten und zu strukturieren sowie über entsprechende Schnittstellen die Einbindung aller Systeme und Verfahren zu ermöglichen. Dies soll nicht nur die Leistung und Zuverlässigkeit des Gesamtsystems erhöhen, sondern auch neue Funktionalitäten und Anwendung für das Rettungswesen erschließen.

Nahtlose Zusammenarbeit bei "RescueFly": Sieben Partner, ein Ziel

Im Projektverlauf soll hierfür zunächst der Einsatz von fortschrittlichen und vernetzten Drohnengaragen sowie zusätzliche Alarmierungs- und KI-Elemente für die Bilderkennung und Flugmissionsoptimierung in einer virtuellen Umgebung simuliert werden, um die Lage der Drohnengaragen und Flugtrajektorien der Drohnen zu den Einsatzpunkten zu analysieren und zu optimieren. Dafür vereint das Projektkonsortium die Expertise aus den Bereichen Simulation und Bildanalyse von der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg und der TU Dresden, die für die Planung von Flugtrajektorien und das Concept of Operation zuständig sind. Darüber hinaus die Expertise der TU Chemitz zur Entwicklung intelligenter Drohnengaragen, mit den Unternehmen aus den Anwendungsbereichen Dohnenentwicklung und -Steuerung.

Hier liefert THOLEG eine neuentwickelte Videodrohne, die auch Hilfsmittel zur Rettung Ertrinkender transportieren kann. Die Droniq, eine Tochtergesellschaft der Deutschen Flugsicherung und der Deutschen Telekom, gewährleistet bei den autonomen Rettungsflügen die sichere und automatisierte Integration der Drohne in den Luftraum. Dazu nutzt sie das  von ihr vertriebene und von der Deutschen Flugsicherung (DFS) entwickelte Verkehrsmanagementsystem für Drohnen (UTM), das sie auch den Rettungsleitstellen zur Verfügung stellt. Die Björn Steiger Stiftung wird in das Projekt unter anderem ihre Erfahrung im Bereich Notruftechnik einbringen. Mit der Installation moderner Notruftelefone an Uferabschnitten wird die Notfallprävention gestärkt. Durch Modifikation der bereits installierten Notruftelefone wird die Infrastruktur zur Steuerung der Drohnen und Nutzdatenübertragung direkt mit der Rettungskette verbunden.

Parallel werden darüber hinaus in einem weiteren Anwendungsfall durch das Brandenburgische Institut für Gesellschaft und Sicherheit (BIGS) die Herausforderungen, die durch den bundesland- und landkreisübergreifenden Einsatz der Drohne entstehen, auf rechtlicher, organisatorischer, flugbetrieblicher sowie ökonomischer Ebene analysiert. Im Rahmen eines Abschlusstests wird das Institut das drohnenbasierte Rettungssystem zusätzlich evaluieren. BIGS erarbeitet dann die Handlungsempfehlungen für einen zukünftigen Regelbetrieb von "RescueFly" - auch in anderen Regionen. "Letzlich gilt es, die Effizienz auch im Rettungswesen zu Gunsten der Opfer und der Gesellschaft zu erhöhen", so Dr. Tim Stuchtey, geschäftsführender Direktor des BIGS.

Nicht zuletzt wollen die Kooperationspartner von "RescueFly" auch durch die Verwendung von offenen Technologie-Standards sowie die Einbindung von nationalem und regionalem Know-how in das Forschungsprojekt, die Modellregion "Gesundheit in der Lausitz" weltweit als Vorreiter positionieren und die internationale Wettbewerbsfähigkeit des entwickelten Drohnen-Rettungssystems stärken. Die Ergebnisse des Forschungsprojekts wird das Konsortium online unter https://rescuefly.org zugänglich machen.

Kontakt

Prof. Dr. rer. nat. habil. Armin Fügenschuh
Ingenieurmathematik und Numerik der Optimierung
T +49 (0) 355 69-3127
fuegenschuh(at)b-tu.de
Das Projektteam vor dem Leuchtturm am Geierswalder See im Lausitzer Seenland (Foto: Michael Denk)