Das bauliche Erbe der Hochmoderne

Gemeinsam mit 30 Partnereinrichtungen eruieren Forschende der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) Grundlagen einer ingenieurwissenschaftlich fundierten und vernetzten Denkmalpflege für das bauliche Erbe der Jahre 1880 bis 1970.

Die Bewertung und der nachhaltige Erhalt des bautechnischen Erbes der Hochmoderne sind Themen des interdisziplinären Schwerpunktprogramms 2255 "Kulturerbe Konstruktion" (SPP 2255) der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). 

Die Cottbuser Stadtpromenade war einst ein bedeutendes Ensemble des DDR-Städtebaus der späten Hochmoderne. Ihren Mittelpunkt bildete die im Jahr 1969 erbaute Mokka-Milch-Eisbar "Kosmos", in deren sternförmig geschwungenen Schalendach Architektur und Ingenieurwesen zu einer kraftvollen Einheit verschmolzen. "Vor beinahe zwanzig Jahren wurde das Bauwerk abgetragen, weil sein Wert nicht erkannt worden war", bedauert der Koordinator des Schwerpunktprogramms Prof. Dr. Werner Lorenz. "Dieses Schicksal teilt es mit zahlreichen wichtigen Bauten aus der Epoche der Hochmoderne. Viele werden abgerissen oder durch Modernisierungen bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Täglich gehen damit Zeugnisse von Baukunst und Bautechnik einer ganzen Epoche unwiederbringlich verloren."

Um das zu verhindern, koordiniert der BTU-Wissenschaftler mit seinem Team den deutschlandweiten Forschungsverbund. Dieser vereint interdisziplinär rund 100 Forschende aus Geschichtswissenschaften, Denkmalpflege und Bauingenieurwesen, um die nötigen Grundlagen für die Bewahrung der gefährdeten Baudenkmale zu erarbeiten. Gemeinsam arbeiten sie an drei Themenfeldern:

  1. Erforschung charakteristischer Bauweisen und Konstruktionsarten der Hochmoderne
  2. Entwicklung leistungsfähiger Ansätze, Gütekriterien und Methoden für die denkmalkundliche Bewertung hochmoderner Bauten und ihrer komplexen Strukturen
  3. Erarbeitung vernetzter Handlungsstrategien für den Erhalt und die Weiterentwicklung des hochmodernen Kulturerbes

„Nicht selten bestimmen in diesen Bauten der Hochmoderne gerade die neuartigen Baustoffe, die Tragstruktur oder der Herstellungsprozess den Denkmalwert: Die Konstruktion wird zum eigentlichen Kulturerbe“, sagt Roland May, wissenschaftlicher Kurator des SPP 2255 an der BTU Cottbus-Senftenberg. „Denkmalgerechte Strategien und Methoden für dessen Bewertung und Erhalt sind aber bislang nur ansatzweise entwickelt. Es fehlen entscheidende bautechnikgeschichtliche, denkmaltheoretische und ingenieurwissenschaftliche Grundlagen.

Mit dem Schwerpunktprogramm 2255 „Kulturerbe Konstruktion“ fördert die DFG einen von Cottbus aus koordinierten Forschungsverbund, in dem die Kompetenzen der Disziplinen fach- und ortsübergreifend gebündelt werden. Ziel ist die Entwicklung einer neuartigen, ingenieurwissenschaftlich fundierten und vernetzten Denkmalpflege, die den komplexen Realitäten des hochmodernen Erbes gerecht werden kann. Inhaltlich schlagen die Projekte einen weiten Bogen von Ingenieurbauwerken wie Eisenbahnbrücken oder Hallenbauten über spezifisch hochmoderne Methoden und Baustoffe in der seriellen Vorfertigung bis hin zu Präsentations- und Versuchsmodellen. Die methodische Spannweite reicht von historisch-empirischen Zugängen über materialbezogene Ansätze für Sanierung und Erhalt bis hin zu ingenieurwissenschaftlichen Untersuchungen zu Tragverhalten und Ertüchtigungsoptionen.

Das SPP 2255 erstreckt sich über zwei Förderphasen. Neben dem Cottbuser Koordinationsprojekt umfasste es in der ersten Förderphase (2021–2023) elf Teilprojekte, deren interdisziplinäre Teams 26 eng miteinander verzahnte Forschungsvorhaben durchführten. Die zweite Förderphase (2024–2026) beinhaltet insgesamt 19 Forschungsvorhaben.

Fachkontakt
Prof. Dr.-Ing. Werner Lorenz, Dr.-Ing. Roland May
SPP 2255 Kulturerbe Konstruktion
Lehrgebäude 2 C/D, Raum 127
T +49 355 69 4640 
E kontakt(at)kulturerbe-konstruktion.de

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Im sternförmig geschwungenen Schalendach der im Jahr 1969 erbauten Mokka-Milch-Eisbar "Kosmos" verschmolzen Architektur und Ingenieurwesen zu einer kraftvollen Einheit.