Fit für die Zukunft: Zwei Braunkohleregionen machen sich bereit
Der langjährige und vielfältige Braunkohlebergbau hat die Landschaften in der Lausitz und im Rheinland grundlegend umgestaltet. Mit dem fortschreitenden Rückgang des Bergbaus und seiner geplanten Beendigung innerhalb des nächsten Jahrzehnts werden beide Regionen ihr Gesicht nachdrücklich verändern.
Das Ende des Braunkohleabbaus bedeutet nicht nur für die Lausitz einen tiefgreifenden Wandel. Auch im Rheinland steht eine Region vor großen Veränderungen. Was können beide Regionen voneinander lernen? Was sind identische oder spezifische Herausforderungen? Wie können sie gelöst werden? Antworten auf diese Fragen gibt ein Autor*innenteam von Umwelt-, Geo- und Wirtschaftswissenschaftler*innen der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) und der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH) in ihrem jüngst erschienen Beitrag in der renommierten Zeitschrift Environmental Sciences Europe mit dem Titel "Perspectives of lignite post-mining landscapes under changing environmental conditions: what can we learn from a comparison between the Rhenish and Lusatian region in Germany?".
Die BTU-Wissenschaftler Prof. Dr. Thomas Raab und Dr. Werner Gerwin sind gemeinsam mit Prof. Dr. Frank Lehmkuhl von der RWTH die Initiatoren der Studie. Gemeinsam mit elf Kolleg*innen haben sie sowohl Herausforderungen als auch Chancen für die Bergbaufolgelandschaften aufgezeigt. "Die beiden Braunkohlereviere unterscheiden sich deutlich", so Dr. Werner Gerwin vom Forschungszentrum Landschaftsentwicklung und Bergbaulandschaften (FZLB) der BTU. "Insbesondere die abiotischen und biotischen Umweltfaktoren, konkret vor allem Bodeneigenschaften und die klimatischen Bedingungen, aber auch die sozioökonomischen Voraussetzungen führen zu sehr unterschiedlichen Perspektiven für die Entwicklung dieser beiden Regionen während und nach dem laufenden Transformationsprozess."
Die beiden größten Braunkohlereviere Deutschlands befinden sich in geographisch entgegengesetzten Regionen: die Lausitz im Osten und das Rheinland im westlichen Teil Deutschlands. Aufgrund der unterschiedlichen Gegebenheiten bestehen deutliche Unterschiede bei den Funktionen und Dienstleistungen, die die jeweiligen Ökosysteme dem Menschen bieten können. In den beiden Regionen wurden entsprechend der natürlichen Voraussetzungen verschiedene Bergbautechnologien, aber auch Rekultivierungsstrategien entwickelt und eingesetzt, die sich auf die Landschaften nach dem Bergbau und die von ihnen zu erbringenden ökosystemaren Dienstleistungen auswirkten. "So können beispielsweise im Rheinland hochwertige Ackerböden mit dem fruchtbaren Löss wiederhergestellt werden, während in der Lausitz häufig nur sandiges und meist nährstoffarmes Bodenmaterial zur Verfügung steht", so Dr. Gerwin. "Das führte dazu, dass im Rheinland auch in den Bergbaufolgelandschaften eine ertragreiche Landwirtschaft betrieben werden kann, während in der Lausitz aktuell über alternative Landnutzungsoptionen verstärkt nachgedacht wird." Neben der Produktionsfunktion ist jedoch auch die Biodiversität als weitere Landschaftsfunktion im Blick zu behalten.
Bioökonomie und Tourismus in der Lausitz
Aus Sicht der Forschenden bieten die ostdeutschen Bergbaufolgelandschaften gerade wegen ihrer kargen Böden Potenziale für eine zukünftige Bioökonomie. Anstelle des Versuchs, auf diesen Böden wenig ertragreiche Landwirtschaft zu betreiben, könnten sie wichtige Produktionsstandorte für Bioenergiepflanzen (vor allem schnellwachsende Gehölze oder Gräser) oder von als nachwachsenden Rohstoffen nutzbaren Pflanzen sein. Beispiele wären bisher wenig genutzte Sträucher wie Ginster oder Faserpflanzen wie Luzerne oder auch Nutzhanf. Überlegt wird auch, derartige Kulturen mit angepasster Photovoltaiktechnik (Agri-PV) zu kombinieren.
Kurz- bis mittelfristig erwarten die Wissenschaftler*innen im Lausitzer Revier große Potenziale im Hinblick auf den Tourismus. Zentrale Rolle spielen dabei die neu entstehenden Seen. Voraussetzung für eine zukünftige wirtschaftliche Entwicklung sei die Modernisierung der Lausitzer Infrastruktur, etwa ein leistungsfähiges Verkehrssystem und schnelles Internet.
Nachhaltige Landwirtschaft im Rheinland
Im Rheinland sieht das Studienteam mehr Potenzial für eine intensive nachhaltige Landwirtschaft. Der Fokus müsse aus Sicht der Wissenschaftler*innen aber vor allem auf dem Schutz der biologischen Vielfalt liegen: integrierter Rückzugsräume für Pflanzen und Tiere sowie die Einbindung von ökologisch wichtigen Strukturen wie Hecken oder natürlichen Bachläufen.
Die Wissenschaftler*innen sind sich einig: Die Voraussetzungen für eine positive sozioökonomische Entwicklung und für nachhaltige Landnutzungskonzepte, die auch ökologische Aspekte berücksichtigen, sind in beiden Regionen verschieden. Dennoch oder gerade wegen dieser Unterschiede sind der Wissens- und Erfahrungstransfer zwischen den beiden Bergbauregionen von zentraler Bedeutung für das Gelingen dieses umfassenden Transformationsprozesses.
Kontakt
Dr. Werner Gerwin
Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg
Forschungszentrum Landschaftsentwicklung und Bergbaulandschaften (FZLB)
Telefon: +49 (0) 355 69 4225
werner.gerwin(at)b-tu.de
Prof. Dr. phil. Thomas Raab
Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg
Lehrstuhl Geopedologie und Landschaftsentwicklung
Telefon. +49 (0) 355 69 4226
raab(at)b-tu.de
Prof. Dr. Frank Lehmkuhl
RWTH Aachen University
Lehrstuhl für Physische Geographie und Geoökologie
Geographisches Institut
Telefon: +49 (0) 241 80 96064
FLehmkuhl(at)geo.rwth-aachen.de
Zum Beitrag:
Gerwin et al. 2023: Perspectives of lignite post-mining landscapes under changing environmental conditions: what can we learn from a comparison between the Rhenish and Lusatian region in Germany? https://doi.org/10.1186/s12302-023-00738-z