Zu viel Solarstrom: BTU-Forschende beschreiben den Umfang des Problems

Damit die Energiewende gelingt, muss nachgeschärft werden. Dazu nimmt eine neue Studie das Problem der Überproduktion von Solarstrom in den Blick. An der Studie mitgewirkt hat ein Team unter der Leitung von Prof. Dr. Felix Müsgens und Silvian Radke von der BTU Cottbus-Senftenberg.

 "Es ist Eile geboten", sagt Prof. Felix Müsgens (Fachgebiet Energiewirtschaft der Fakultät Maschinenbau, Elektro- und Energiesysteme der BTU Cottbus-Senftenberg). Wenn der durch Photovoltaik (PV) erzeugte Solarstrom weiterhin unkontrolliert in die Netze eingespeist werde, habe dies negative Konsequenzen. Laut der Studie "Warmer Lichtsturm – Umgang mit Erzeugungsspitzen aus PV und Wind", an der Prof. Müsgens und weitere Expert*innen im Rahmen des 50Hertz Scientific Advisory & Project Boards gearbeitet haben, drohe dann nicht nur eine dauerhafte finanzielle Schieflage, da es an den Strombörsen nicht genug Nachfrage für den teuer eingekauften Solarstrom gibt, sondern auch eine Überlastung der Stromnetze.

Wann dies in welchem Umfang der Fall sein wird, das haben Müsgens und sein Team anhand von drei Szenarien bis 2030 durchgespielt. Diese zeigen, dass in den kommenden Jahren dringend Maßnahmen ergriffen werden müssen, um "systemgefährdenden PV-Einspeisespitzen entgegenzuwirken", so Müsgens. Sein Arbeitspaket "Erzeugungsüberschuss – wann wird das Problem wie groß?" lieferte damit den grundlegenden Datensatz der Studie. Er veranschaulicht die Herausforderung, für die am Ende fünf Maßnahmen vorgeschlagen werden, damit flexibel auf die Einspeisung aus Wind- und Solaranlagen reagiert werden kann. Diese lassen sich wie folgt skizzieren:

  1. Große Solaranlagen sollen besser auf negative Preise reagieren. Technische und rechtliche Hürden müssen beseitigt werden, damit Betreibende flexibel handeln können.
  2. Auch kleinere Anlagen sollen ins System integriert werden und auf Marktpreise reagieren. Dafür braucht es mehr Smart-Meter-Technik (intelligente Stromzähler), die schneller eingeführt werden muss.
  3. Falls schnelle Lösungen für die Steuerbarkeit kleiner Solaranlagen nicht umsetzbar sind, könnte man vorübergehend ihre Einspeiseleistung begrenzen, bis die Technik bereit ist.
  4. Große Stromverbraucher wie etwa Heizsysteme können helfen, die Netze zu entlasten. Es fehlt aber an klaren Regeln und langfristiger Planungssicherheit
  5. Mit Batterien können Stromspitzen abgefangen werden. Doch auch dafür brauchen Betreibende klare Vorgaben und Sicherheit für ihre Investitionen.

Nun sei laut Müsgens die Politik am Zug, die entscheiden müsse, ob, wann und welche der von den Expert*innen vorgeschlagenen Maßnahmen umgesetzt werden.

Die Studie "Warmer Lichtsturm – Umgang mit Erzeugungsspitzen aus PV und Wind" ist hier abrufbar.

Hintergrund-Info:

Mit der Studie "Warmer Lichtsturm – Umgang mit Erzeugungsspitzen aus PV und Wind" beauftragt waren Mitglieder des 50Hertz Scientific Advisory and Projekt Board (SAPB), bei dem es sich um ein Konsortium aus Expert*innen handelt, das den Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz berät und Lösungsmöglichkeiten erforscht.

Die Professorinnen und Professoren des SAPB forschen und lehren in den Bereichen Elektrotechnik, Energiemarkt- und -systemmodellierung, Netzplanung, Systemführung, Energiewirtschaft und Ressourcenökonomie, Energierecht und Digitalisierung, und decken ein umfangreiches Spektrum an Themen ab, die für einen Übertragungsnetzbetreiber relevant sind.

Arbeitspakete der Studie und Leads:

Paket 1 "Erzeugungsüberschuss – wann wird das Problem wie groß?":
BTU Cottbus-Senftenberg: Silvian Radke, Prof. Dr. Felix Müsgens

Paket 2 "Dynamischer Einspeisetarif – Ausgestaltung und Bewertung eines variablen Einspeisetarifs für eine Reaktion von PV-Kleinstanlagen auf negative Strompreise":
Neon Neue Energieökonomik GmbH: Prof. Dr. Lion Hirth, Dr. Clemens Lohr, Jonathan Mühlenpfordt

Paket 3 "Erhöhung der Steuerbarkeit von Kleinstanlagen":
Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik: Prof. Dr. Jens Strüker, Michael Schneider, Paula Heeß

Paket 4 "Neue große Lasten":
Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie: Dr. Felix Panitz, Daniel Scholz, Prof. Dr. Mario Ragwitz, Dr. Clemens Schneider

Weitere Teilnehmende:

Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und -systemtechnik: Dr. Rafael Fritz
TU Berlin: Prof. Dr. Kai Strunz
TU Clausthal: Prof. Dr. Ines Hauer
TU Dresden: Prof. Dr. Peter Schegner
TU Ilmenau: Prof. Dr. Dirk Westermann
TU Wien: Prof. Dr. Bernd Klöckl

Kontakt

Silvian Radke
Energiewirtschaft
T +49 (0) 355 69-4513
radkes(at)b-tu.de

Dr. phil. Britta Radkowsky
Kommunikation und Marketing
T +49 (0) 355 69-3837
britta.radkowsky(at)b-tu.de
Photovoltaik-Anlagen produzieren ständig Strom, das ist ein Problem. Foto: BTU, Ralf Schuster