Sebastian Ibold (Stadt- und Regionalplanung)

"Das Studium an der BTU war nicht nur Inspirationsquelle und Horizonterweiterung, sondern hat mein berufliches und privates Leben nachhaltig geprägt. Danke BTU!"

Sebastian Ibold studierte Stadt- und Regionalplanung an der BTU in Cottbus und arbeitet inzwischen seit einigen Jahren als Projektdirektor für deutsch-chinesische Zusammenarbeit für klimafreundlichen Verkehr in Peking.

Hallo Sebastian, was hat dich im Besonderen an Stadt- und Regionalplanung interessiert und wie bist Du auf das Studium an der BTU gekommen?
Bevor ich 2005 mit dem Studium der Stadt- und Regionalplanung begonnen habe, hatte ich bereits ein Jahr lang Umweltingenieurwesen an der BTU studiert. In dem Jahr verbrachte ich die meiste Zeit allerdings mit Stadt- und Regionalplanern und den Architekten. Ich bin dann 2005 in die Stadtplanung gewechselt weil ich die Vielfalt des Studiengangs toll fand. Stadtplanung ist ein Studium mit vielen fachlichen Schnittstellen. Man muss aus der Brille der Soziologie, der Raumpsychologie, der technischen Planung und des Designs auf die Dinge schauen. Das und die Vorstellung, Städte nachhaltiger gestalten zu können, haben mich sehr interessiert und angesprochen. Und natürlich die Tatsache, dass man mit dem Studium sehr nah an den Menschen, an der Gesellschaft dran ist.

Du arbeitest inzwischen seit 9 Jahren in China, wie ist es dazu gekommen?
Das habe ich der BTU zu verdanken und das meine ich ganz positiv! Ich hatte 2007 die Chance, mit Professor Volker Martin, welcher leider bereits verstorben ist, im Rahmen eines Forschungsprogramms nach Ho Chi Minh City oder kurz HCMC in Vietnam zu reisen, um dort an einem Planungsworkshop teilzunehmen. Das war meine erste Erfahrung mit Asien. Ich war sofort von der Exotik des Landes fasziniert, von der Masse an Menschen und von der Dynamik mit der das städtische Leben dort stattfindet. Und natürlich hat mich das auch aus der Brille des Stadtplaners interessiert. Ich hatte Feuer gefangen und bin dann über ein Praktikum in Vietnam und meine Masterarbeit zum Thema Stadtumbau des Distrikt 4 in HCMC weiter in das Thema Urbanisierung und Stadtplanung in Asien eingestiegen. Das hatte vor allem auch mit der sehr guten Förderung und der Motivation durch meine Professoren Volker Martin, Heinz Nagler und Frank Schwartze zu tun. Nach dem Studium wollte ich dann unbedingt nach Asien und bin, eher ungeplant, in China gelandet. Ich hatte mich spontan auf die Stellenausschreibung eines deutschen Stadtplanungsbüros in Peking beworben und es hat geklappt - ein Sprung ins kalte Wasser. Das ist nun schon 9 Jahre her.

Wie lebt es sich in einer Megacity wie Peking und wie hast Du es geschafft, dich dort „einzuleben“?
Das Leben in Peking ist nach wie vor spannend! Ich fand und finde die Größe und Dynamik der Stadt und die Vielfalt der Menschen und der Kultur in Peking toll, vor allem durch die Brille eines Stadtplaners. Peking ist, wie viele chinesische Städte, in permanenter Veränderung begriffen und hat sich in den neun Jahren, die ich nun hier bin, stark verändert. So sind ganze neue Stadtviertel und Straßenzüge entstanden, andere dagegen verschwunden. Das hat starke Auswirkungen auf die Gesellschaft, mit vielen positiven und negativen Aspekten. Das Einleben in Peking selbst war gar nicht so schwer. Ich wurde damals sehr herzlich empfangen und hatte relativ schnell einen chinesischen und internationalen Freundeskreis, der mich beim Einleben im Reich der Mitte unterstütz hat. Und auch die Tatsache, dass ich damals für ein deutsches Stadtplanungsbüro in Peking gearbeitet habe, hat das Eingewöhnen als deutscher Stadtplaner in China erleichtert - es gab natürlich erstmal viel zu lernen. Am meisten zu schaffen gemacht hat mir damals, wie allen hier, die Luftverschmutzung, die teilweise apokalyptische Ausmaße hatte. Das hat sich aber in den letzten 5 Jahren sehr stark verbessert.

Was sind kulturelle Unterschiede, die Du besonders magst und was können wir von Peking lernen?
Natürlich gibt es kulturelle Unterschiede zwischen China und Deutschland. Aber ehrlich gesagt, habe ich die Gemeinsamkeiten immer stärker wahrgenommen als die Unterschiede. Die Menschen in China sind sehr offen und insbesondere Neuem gegenüber sehr aufgeschlossen. Das gilt etwa für den Austausch zu gesellschaftlichen aber durchaus auch politischen Themen. So konnte ich viel über das Land lernen und Dinge besser verstehen, die mir vorher nicht klar waren. Ich denke, dass beide Länder viel voneinander lernen können und der Austausch zwischen China und Deutschland auch für ein Annähern von Europa und Asien insgesamt von großer Bedeutung ist.

Wie sind die Ausgeh- und Essensmöglichkeiten in Peking?
Man kann in Peking sehr gut ausgehen und essen. Ich gehe am Wochenende oft mit Freunden in die Natur, zum Beispiel in die Duftberge im Westen der Stadt oder zur großen Mauer oder flaniere in den engen Gassen der so genannten Hutongs in der Pekinger Innenstadt. Am Abend gehe ich gerne in die zahlreichen Restaurants und Bars der Stadt, entweder in einem kleinen Hofhaus in den Hutongs oder auf einer der Dachterrassen im Geschäftsviertel Guomao, von wo aus man einen tollen Blick über die Stadt hat. Das chinesische Essen ist sehr vielseitig und lecker und hat im Wesentlichen nichts mit dem zu tun, was man in chinesischen Restaurants in Deutschland zu essen bekommt. Und wenn man mal Lust hat, frisches Brot zu essen, dann geht auch das. Es gibt zahlreiche deutsche und französische Bäcker aber auch Supermärkte, die selbst die guten Spreewälder Gurken im Angebot haben.

Was vermisst Du aus dem deutschen Alltag?
Eigentlich nicht so viel. Das liegt vor allem daran, dass Peking mittlerweile eine recht internationale Stadt ist und das Leben hier eigentlich gar nicht so sehr viel anders ist als in Deutschland. Der Alltag gestaltet sich hier eigentlich genauso und selbst wenn man deutsches Fernsehen vermisst, ist etwa die Tagesschau oder der Tatort per Streaming nicht weit weg. Ich bin aber beruflich bedingt auch oft in Deutschland und sehe meine Familie und Freunde regelmäßig, so dass Heimweh nicht wirklich aufkommen kann. Und dazu kommt sicherlich auch, dass meine Frau Chinesin ist und ich somit auch familiär hier eine zweite Heimat gefunden habe.

Was machst Du genau beruflich, was sind typische Aufgaben?
Nachdem ich nach meinem Studium im Stadtplanungsbüro gearbeitet habe, bin ich Anfang 2017 zu der GIZ in den Bereich klimafreundlicher Verkehr gewechselt. Dort arbeite ich als Projektleiter im Bereich klimafreundlicher Verkehr. Im Auftrag des deutschen Umweltministeriums arbeiten wir gemeinsam mit dem chinesischen Verkehrsministerium und vielen anderen chinesischen und internationalen Partnern daran, den Verkehr in China klimafreundlicher zu gestalten, nachhaltige Mobilitätskonzepte zu entwickeln und den Austausch zwischen den beiden Ländern dazu zu fördern. Das beinhaltet zum Beispiel die Unterstützung politischer Dialoge zwischen Deutschland und China zum Thema Klimaschutz im Verkehr. Aber wir forschen, gemeinsam mit den chinesischen Partnern, auch zu Themen wie der Elektromobilität, Mobilitätsdienstleistungen wie z.B. Bike-sharing oder Car-sharing und deren Integration in den Öffentlichen Nahverkehr oder zu dem Thema klimafreundlicher Güterverkehr. Und arbeiten auch daran, nachhaltige Mobilitätsplanung, etwa mit dem Schwerpunkt auf Rad- und Fußgängerverkehr zu entwickeln und zu fördern. Da bin ich dann doch wieder ganz nah an dem, was mich ursprünglich nach China gebracht hat, der Stadtplanung.

Du arbeitest in dem spannenden Feld klimafreundlicher Mobilität. Wie ist es dazu gekommen und was begeistert dich vor allem an den aktuellen Entwicklungen?
Ich bin 2017 zur GIZ gewechselt weil ich meine Erfahrungen aus der Praxis des Stadtplanungsbüros in die internationale Zusammenarbeit zu nachhaltiger Stadt und Mobilität der Zukunft einbringen wollte. Vor allem der Klimaschutz ist heute eine der großen globalen Herausforderungen und sowohl in Deutschland als auch in China von großer Bedeutung. Verkehr spielt dabei eine wesentliche Rolle. Wir reisen immer mehr und bestellen und konsumieren Waren, welche transportiert werden müssen. Den Energieverbrauch des Verkehrs zu minimieren bzw. den Verkehr klimafreundlicher zu gestalten und gleichzeitig etwa den Anforderungen an immer mehr und immer flexiblere Mobilität gerecht zu werden, ist nicht einfach. China ist der weltweit größte Emittent von CO2-Emissionen, hat aber erkannt, dass die Förderung von nachhaltigem und klimafreundlichem Verkehr wichtig für eine nachhaltige Zukunft ist. Beide Länder können von gemeinsamem Austausch lernen und die Mobilität von Morgen nachhaltiger gestalten als alleine. Mich fasziniert vor allem, dass der Verkehrssektor heute die Chance bietet, unsere Städte komplett neu zu denken. Das gilt, auch bedingt durch die Digitalisierung, etwa für das Aufkommen von Sharing-Angeboten und die Aussicht auf Technologien wie das „Autonome Fahren“. Wenn etwa in Zukunft autonome oder besser gesagt automatisierte Fahrzeuge überwiegend in geteilten und elektrifizierten Flotten als Bestandteil des ÖPNV organisiert werden würden, könnte der motorisierte Individualverkehr reduziert und der Stellflächenbedarf in unseren Städten stark reduziert werden. Das bietet Chancen, solchen Stadträumen neue Funktionen zuzuweisen. Aber auch Herausforderungen wie der zunehmende städtische Lieferverkehr, die Frage wie Mobilitätslösungen vor dem Hintergrund alternder Gesellschaften aussehen müssen und wie wir die Mobilität im ländlichen Raum stärken können, sind Themen die ich hochspannend finde. Auch wenn noch viel zu tun ist, um die Mobilität der Zukunft nachhaltiger und klimafreundlicher zu gestalten, bin ich sicher, dass wir gute Chancen haben, es besser zu machen. Im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen Deutschland und China kann ich hieran aktiv mitwirken.

Woran erinnerst Du dich besonders gerne, wenn Du an dein Studium in Cottbus zurückdenkst?
Ich erinnere mich sehr gerne an die Zeit des Studiums in Cottbus, ohne welches ich nicht nach China gekommen wäre. Neben der schönen Stadt Cottbus und einfach tollen Campusatmosphäre, der super Lernumgebung und der Arbeit in den Ateliers und dem sehr guten Verhältnis zwischen Lehrenden und Studierenden war es einfach einmalig, was für Möglichkeiten wir hatten, die Komfortzone zu verlassen und in die Welt hinauszuschauen. Das Studium an der BTU war nicht nur Inspirationsquelle und Horizonterweiterung, sondern hat mein berufliches und privates Leben nachhaltig geprägt. Danke BTU!

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