Interview mit BTU Alumna Dr. Jadranka Halilović (Wirtschaftsingenieurwesen)

"Ich bin eher breit interessiert und kann mich für vieles begeistern, daher war ich meinem Wirtschaftsingenieursstudium schon ganz gut aufgehoben."

Jadranka studierte und promovierte an der BTU und arbeitet inzwischen als Projektleiterin im COLab, einem Teilprojekt des Startup Revier EAST, der Mitmachwerkstatt im Startblock B2 für alle, die ihre Ideen in die Wirklichkeit umsetzen wollen. Außerdem ist sie Mitgründerin des Wurzelwerk Lausitz e.V., der darauf zielt, eine freie Schule zu gründen.

Hallo Jadranka, wie bist Du auf das Studium an der BTU gekommen und welchen Leuten würdest Du so ein interdisziplinäres Studium empfehlen?
Als ich mit meinem Abitur fertig war, hatte ich rechtliche Probleme als Geflüchtete aus Bosnien-Herzegowina eine Ausbildung aufzunehmen oder ein Hochschulstudium anzufangen. Da ich mich aber gerne weiterentwickeln wollte, habe ich dennoch ein Studium an der BTU begonnen. Ich habe mich für ein Wirtschaftsingenieursstudium entschieden, weil ich diese Mischung zwischen Betriebswirtschaft und Technik spannend fand. Im ersten Semester kam dann der Schock. Ich erhielt die Aufforderung zur Abschiebung und sollte des Landes verwiesen werden. Nach einem langen Kampf und einer kleinen Auszeit hat sich mein Aufenthaltsstatus aber geklärt und ich konnte regulär weiter studieren, worüber ich wirklich sehr froh war! Und hinsichtlich der Empfehlung für das Studium kann ich natürlich nur für mich sprechen. Es gibt Menschen, die sind einfach Spezialist:innen auf ihrem Gebiet. Ich bin eher breit interessiert und kann mich für vieles begeistern, daher war ich meinem Wirtschaftsingenieursstudium schon ganz gut aufgehoben.

Du hast außerdem an der BTU im Fachgebiet ABWL, insbesondere Organisation und Unternehmensführung promoviert. Wie kam es dazu, was war Dein Promotionsthema und was hast Du gelernt, was Dir jetzt bei der Projektleitung hilft?
Eigentlich bin ich aus purer Neugierde in mein Thema reingerutscht. Ich habe um 2012 festgestellt, dass Menschen in meinem Freundeskreis zunehmend ihre sicheren Jobs kündigen, um eine Weltreise zu machen oder einen kompletten beruflichen Umschwung zu vollziehen. Da habe ich mich gefragt – warum passiert das? Ist das eine Generationenfrage, eine Besonderheit der Generation Y, vielleicht nur in Deutschland? Mit dieser Frage bin ich einfach in die Sprechstunde von Frau Prof. Hipp gegangen, denn dort am Lehrstuhl habe ich einige Kurse im Studium zu ABWL und Personalmanagement absolviert. Daraufhin hat sie mir eine Stelle angeboten und ich habe mit meiner Doktorarbeit angefangen. In der Promotionszeit habe ich vor allem mich selbst sehr gut kennengelernt. Wie kann ich mich am besten organisieren? Wie schaffe ich mir Freiräume? Die Lehre hat mir auch unglaublich viel Spaß gemacht und ich habe ein Modul konzipiert, was interdisziplinäre und soziale Kompetenzen in den Fokus rückt und in der Tat ist es auch dieses Modul, was wir im Rahmen eines fächerübergreifenden Moduls wieder im COLab und Startup Revier EAST aufgegriffen haben. Darüber freue ich mich sehr!

Was genau ist das COLab und für wen sind die Angebote vor allem gedacht?
Das COLab ist ein Ort des Machens! Wir sind ein Strukturwandelprojekt und ausgestattet mit modernsten Technologien mit denen wir kreieren und erproben können. Neben unseren niederschwelligen Mitmachbereich haben wir fünf High-Tech-Werkstätten, in denen man beispielsweise Kleinserien im Rahmen einer Gründungsidee fertigen kann, egal ob aus Holz, Kunststoff oder Metall. Aber auch Weiterbildungen und Schulungen sind angedacht und wir veranstalten bereits viele Workshops. Am besten ist es eigentlich, wenn man selbst mal reinschaut und sich ein Bild macht! Immer mittwochs 10-18 Uhr haben wir im Rahmen von unserem open.COLab.day die Türen für alle Interessierten geöffnet. Ich persönlich mag am COLab besonders, dass es für alle Menschen unserer Region da ist, egal ob Studierende, Unternehmer:in, Technikverrückte oder Schüler:in. Unsere Mission ist es, möglichst vielen Menschen neue Kompetenzen zu vermitteln. Sie zu befähigen und zu stärken und damit auch die Standortattraktivität zu erhöhen.

Was genau sind Deine Aufgaben als Projektleiterin im COLab und wie kann man sich Deinen Arbeitsalltag vorstellen?
Ich bin auf operativer Ebene dafür verantwortlich, dass das Projekt erfolgreich läuft. Ganz klassisch sind das Managementaufgaben wie Projektmanagement, Personalverantwortung oder Finanzplanung und -controlling. Konkret heißt das: ganz, ganz viel Abstimmung, da sehr viel Dynamik im Projekt ist und wir gerade alles von Grund auf aufbauen und beschaffen. Das mache ich zum Glück nicht allein, sondern habe ein tolles Team! Wir sind fachlich divers aufgestellt, was ich als eine unglaubliche Stärke für unser Projekt empfinde.  

Du hast auch selbst nebenberufliche Gründungserfahrung mit dem Wurzelwerk Lausitz e.V. Bitte erzähl uns mehr über euer Anliegen eine freie Schule in der Lausitz zu gründen.
Ich finde, Cottbus ist eher so der Underdog unter den Städten. Hier wird man von den kulturellen Angeboten nicht erschlagen so wie z.B. in Berlin. Man muss sie eher detektivisch entdecken. Aber Cottbus ist der Ort, an dem ich bislang am längsten in meinem Leben bin und daher habe ich eine besondere Verbindung zu der Stadt. Das ist auch der Grund, warum ich es schön finde, hier kulturelle und gesellschaftliche Alternativangebote zu erschaffen. Mit meiner Freundin und Mitgründerin Josefine Martha Pritschkoleit haben wir im Sommer 2019 ein Kerngruppentreffen initiiert. Schnell schlossen sich uns genug Menschen an, um unseren Verein Wurzelwerk Lausitz e.V. für unsere Schule zu gründen. Die Idee wurde immer konkreter, so dass wir 2021 den Antrag beim Ministerium eingereicht haben. Wir verstehen unsere Schule als Lern- und Lebensort, welcher Beziehungen in den Fokus des Lernens rückt, naturverbunden ist und demokratische Prozesse stärkt. Ein Anliegen ist unter anderem auch die regionale Unternehmen als Vorbilder in den Unterricht zu integrieren und von den Expert:innen zu lernen und so auch die Vielfalt der Beruf in unserer Region aufzuzeigen. In so einem ehrenamtlichen Projekt erlebt man tatsächlich ähnliche Dinge wie im Arbeitsalltag an der Universität: Fluktuation, Abgleich von Projektvorstellungen, unterschiedliche Finanzierungsmodelle, Strukturgebung, Organisation und Konflikte. Wir lernen alle viel und freuen uns natürlich sehr, wenn die Idee Wirklichkeit wird und die ersten Kinder in unserer Schule hoffentlich im Schuljahr 2023 in unserer Schule eingeschult werden. Wenn die Diversität auf vielen kulturellen und gesellschaftlichen Ebenen ankommt, glaube ich auch, dass diese noch mehr Menschen zum (wieder) ansiedeln in die Region bewegen kann. Das wäre jedenfalls eine schöne Entwicklung!

Kontakt

Daniel Ebert
VP S 3 ALUMNI
T +49 (0) 355 69-2420
daniel.ebert(at)b-tu.de
BTU Alumna Dr. Jadranka Halilović