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Harmonik

Mozart Rondo a-Moll KV 511 und KV 331 erster Satz oder: Wie wirkt sich die harmonische Sprache auf den Interpretations-Ansatz aus

Zunächst ist der Unterschied von Dur und Moll zu konstatieren, aber beide Werke sind Andante überschrieben und stehen im 6 Achteltakt. Selbst der Siciliano-Rhythmus verbindet die beiden Stücke und immerhin ist die dritte Variation in KV 331 auch in Moll. Auch der Klaviersatz und die Lage sind ähnlich. Wenn wir den jeweils ersten Takt betrachten haben wir sogar denselben Ambitus (kleines a bis e‘‘). In beiden Fällen schreibt Mozart am Beginn ein piano vor.
Trotz dieser vielen Gemeinsamkeiten nehmen wir die beiden Werke als sehr gegensätzlich wahr.
Warum? Vor allem wohl wegen der harmonischen Sprache. In KV 331 konsonante parallele Dezimen zwischen Bass und Melodie, die Zusammenklänge sind eher weich (kleine Septime als ‚härteste Dissonanz‘ in den ersten Takten) und der einzige nicht-diatonische A-Dur Ton ist in Takt 12 ein doppel-dominantisches ‚dis‘.
Dagegen klingt bei korrekter Ausführung der Verzierung in KV 511 bereits auf der Eins des ersten Taktes der Tritonus a-dis zusammen, die Eins des zweiten Taktes bringt die kleine None a-b, chromatische Durchgänge finden wir selbst in relativ diatonischen Dur- Abschnitten (T. 12). Auch der ausgedehnte A-Dur Teil (ab T. 89) ist vergleichsweise schroff und dissonant.

Wie reagieren wir als Interpreten darauf?

  • Erster Ansatz: Wir reagieren gar nicht, Mozart hat so komponiert und das drückt sich in der Musik so aus, ohne dass wir uns einmischen!
  • Zweiter Ansatz: Wir versuchen in KV 511 so weich und schön wie möglich zu spielen, um dem Stück die Schönheit und Unschuld, die wir von Mozart erwarten, zu erhalten.
  • Dritter Ansatz: Wir reagieren bewusst auf die andere harmonische Sprache; unsere Hand (die Fingerspitzen!) wird bei KV 511 etwas fester und stabiler, unser Klang wird etwas spitzer werden und so können wir den Unterschied, das Besondere an diesem Stück unterstreichen.
  • Vierter Ansatz: Ich fühle den Unterschied und ich verlasse mich auf meine Musikalität und meine Empfindung die Unterschiede in der harmonischen Sprache auszudrücken.

Der erste Ansatz ist möglich und wir können dieses Vertrauen in die Sprache der Musik, dieses Prinzip der ‚Nichteinmischung‘ bei einigen sehr guten Werken (z. B. KV 511), die für sich selbst sprechen, durchaus vertreten. Es führt aber oft einfach zu einer wenig charakteristischen, tendenziell langweiligen Interpretation.

Der zweite Ansatz hat etwas Altmodisches (‚Mozart der Götterliebling‘). Alles klingt stets schön aber auch etwas langweilig, passiv und in der Tendenz cliché-behaftet und immer ähnlich. Der Mozart des ‚Don Giovanni‘, des d-Moll Konzerts, des Requiems und vieler anderer Werke wird harmonisiert. Heute ist diese Art des Mozart-Spiels (hoffentlich!) nicht mehr möglich.

Der dritte Ansatz birgt die Gefahr der Übertreibung, auch der Künstlichkeit, ist aber durch einen hohen Grad an Bewusstheit geprägt und bietet vielfältige Variationsmöglichkeiten. Pädagogen sollten die Möglichkeiten dieser Art der Reaktion bewusst nutzen, um je nach der Unterrichtssituation angemessen reagieren zu können.

Der vierte Ansatz ist vom ersten grundsätzlich verschieden, da das Ergebnis im Umgang mit KV 331 und KV 511 hier durchaus sehr unterschiedlich ausfallen kann. Für Interpreten mit einem ausgeprägten musikalischen Instinkt ist dies der normale Ansatz. Auch pädagogisch kann man über Bilder und mit Fantasie den Schüler ansprechen. Dennoch bleibt dieser Ansatz eher subjektiv.

Im Übrigen können wir diese unterschiedlichen harmonischen Sprachen auch im Verlauf von KV 511 feststellen und sollten nicht nur in diesem Werks spieltechnisch und klanglich zwischen den harmonisch schärfer gewürzten Abschnitten und den weicher gestalteten Stellen unterscheiden und das Stück auch durch unterschiedliche Spielarten gliedern.

In KV 331 ist es natürlich gleichfalls sinnvoll die unterschiedlichen Charaktere der Variationen bewusst zu gestalten.

Mozarts Sinn für eine in jedem Werk neu zu entdeckende subtil gefärbte harmonische Sprache ist – trotz der vielen Standard-Formeln, die er verwendet – ein wichtiges Element seines Komponierens und für die Interpreten eine Quelle vielfältigster Inspiration.

Bezeichnung durch den Komponisten Angaben im Notentext oder aus anderen Quellen

Motivik Thematisches Material, Verarbeitung, Intervalle, Rhythmik

Dauer des Stückes Wichtig für die Verwendung im Unterricht zur Zeitplanung

Stil Zeitstil, Personalstil, Werkstil, Klanggestaltung, Farbvaleurs, etc

Zuverlässigkeit der verwendeten Ausgabe Besonders wichtig bei Bach, Beethoven, Mozart, Chopin, Verwendung von Urtexten

Warum Urtexte? und warum es Unterschiede bei Urtext-Ausgaben gibt

Pädagogischer Zweck Hat das Stück per se einen pädagogischen Zweck, wenn ja welchen ?

Emotionalität, Grundcharakter Maestoso, Agitato, Commodo, etc

Tempo Welchen Temporahmen geben die Anweisungen des Komponisten vor ?