Leben auf dem Wasser

Forschung zur autarken Versorgung von schwimmenden Häusern mit Wasser und Energie

In Amsterdam sind schwimmende Häuser keine Seltenheit mehr. Sie bieten bezahlbare Wohnräume bei steigendem Meeresspiegel. Gut ein Drittel der Niederlande liegt auf oder unter dem Meeresspiegel. Aber auch in Deutschland wären Küsten wie in Hamburg, Wilhelmshaven oder Bremen bereits überflutet, würden sie nicht mit Hilfe von Deichen, Sperren oder Wehren geschützt werden. Neue Technologien für autarke Gebäude auf dem Wasser erarbeiten Forscherinnen und Forscher der BTU Cottbus-Senftenberg gemeinsam mit 15 Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft innerhalb des Verbundvorhabens autartec®.

Im Gegensatz zu den Floating Homes in Amsterdam unterscheiden sie sich von Häusern auf dem Festland. Ihre Bewohner können sich unabhängig von öffŸentlichen Leitungen mit Strom, Wärme und Wasser versorgen. "Der Klimawandel und der damit verbundene Anstieg des Meeresspiegels wird dazu führen, dass die Menschen in Zukunft Bauland auf dem Wasser in Anspruch nehmen. Doch bisher gibt es kaum wissenschaftliche Arbeiten und keine Normen für dieses spezielle Feld des Bauens", so Prof. Dr.-Ing. Horst Stopp. Im Rahmen des Konsortiums AUTARTEC plant eine Forschergruppe der Universität ein sich selbst versorgendes schwimmendes Haus. Entstehen soll es auf dem Bergheider See, einem von 23 künstlich angelegten Gewässern im Lausitzer Seenland.

Das Haus auf dem 13 mal 13 Meter großen Schwimmkörper aus Stahl erstreckt sich über zwei Ebenen: das Erdgeschoss hat eine Wohnfläche von 75, das Obergeschoss eine von 34 Quadratmetern. Es verbindet moderne Architektur und Bautechnik mit hoch effzienter Ausstattung, Technik und BaustoffŸen. Der Strom kommt aus Solarzellen und wird in Lithium-Ionen-Akkus gespeichert. Als Heizung dient unter anderem ein Salzhydrat-Kamin. Brennt das Feuer, wird das Salzhydrat flüssig und nimmt Wärme auf, die sich nahezu unbegrenzt speichern lässt. Diese Öfen funktionieren nach dem Prinzip der Wärmekissen, die durch Eintauchen in warmes Wasser mit thermischer Energie aufgeladen werden. Allerdings reicht ein Kamin nicht aus, um das Haus den ganzen Winter über wohlig warm zu halten.

Die Forscher um Prof. Mügge entwickeln daher gemeinsam mit den Projektpartnern einen Langzeitspeicher auf der Basis des Minerals Zeolith. Der Speicher soll es ermöglichen, den von einer Hochtemperatur-Solarthermieanlage produzierten Wärmeüberschuss im Sommer im kristallinen Mineral zu speichern. Zeolith hat die Eigenschaft, Wasserdampf anzusaugen, in seine poröse Struktur einzubinden und dabei Wärme abzugeben. Im Winter reicht dazu im Prinzip bereits feuchte Luft aus. Damit es im Sommer nicht zu heiß wird, kommt eine Kühlung zum Einsatz, die die bei der Verdunstung von Luft und Wasser entstehende Kälte nutzt. Um diesen EŸffekt zu erzielen, wird eine Seite des Hauses begrünt und befeuchtet. Die entstehende Verdunstungskälte kühlt so die Gebäudehülle. Anders als bei herkömmlichen Klimaanlagen benötigt das System damit keine elektrische Energie.

Im Rahmen eines zweiten Teilprojekts arbeiten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter der Leitung von Prof. Dr. Frieder Weidhase an einem Mikro-Inverter. Er wandelt die von den Solar-Modulen erzeugte Gleichspannung mit höchstem Wirkungsgrad in eine Wechselspannung um. Diese Bauteile ermöglichen eine dezentralisierte Versorgung und sind flexibler als herkömmliche Technologien. Um die Sicherheit zu erhöhen, werden Sicherheitskleinspannungen genutzt. Sie sind bei einer Berührung nicht lebensbedrohlich. Gleichzeitig muss das schwimmende Haus leicht sein und hohem Wellengang, aber auch Eis standhalten. Dazu werden neue WandbaustoffŸe in Verbindung mit Textil-Beton entwickelt.

Industrielle Halbzeuge wie Rohre aus KunststoffŸ oder Guss-Stahl sind eine entscheidende Voraussetzung für eine dauerhafte, sichere und kostengünstige Verbindung des Schwimmkörpers mit dem Haus. Das Fachgebiet Bauphysik entwickelt unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Horst Stopp und Dr.-Ing. Peter Strangfeld Pontons unter Nutzung industrieller Halbzeuge, die passiv klimatisiert werden sollen und die genügend Platz für Technologien zur Wasserverund -entsorgung, als auch Klimatisierung bieten. Die BTU erhält für das Projekt im Rahmen des Förderprogramms Innovativer Regionaler Wachstumskern des Bundesministeriums für Bildung und Forschung 1.04 Mio. Euro für eine Laufzeit von drei Jahren.