"Innovation entsteht dort, wo Forschung und Industrie aufeinandertreffen"
Der Ingenieur Marco Gambitta arbeitet seit sieben Jahren im University Technology Centre in Cottbus. Gemeinsam mit fünf weiteren Wissenschaftlern am Fachgebiet für Strukturmechanik und Fahrzeugschwingen forscht er an Turbofan-Triebwerken. Sein Ziel ist es, neue und kostengünstige Messmethoden zur Überwachung der Schwingungen von Triebwerksschaufeln zu entwickeln. In diesem Interview erklärt er, wie er zur Luftfahrt gekommen ist, woran er heute arbeitet und warum er glaubt, dass die Verbindung zwischen Wissenschaft und Industrie der Schlüssel zu echter Innovation ist.
Von der Simulation zur Realität
In der modernen Luftfahrtforschung spielen virtuelle Modelle eine immer größere Rolle. "Der Bau und Test eines Flug-Triebwerks ist extrem teuer und aufwendig", sagt der Forscher. "Deshalb werden Simulationen immer wichtiger, weil sie uns erlauben, die Triebwerke digital nachzubilden und zu verstehen." Das Ziel seiner Forschung: die Lücke zwischen virtueller Modellierung und realer Hardware so weit wie möglich zu schließen. "Wir wollen unsere Simulationen so genau gestalten, dass sie die Realität nahezu vollständig widerspiegeln. Dafür brauchen wir den engen Kontakt zur Industrie – denn dort gibt es die echten Messdaten, mit denen wir unsere Modelle abgleichen können."
Faszination Luftfahrt
Obwohl Marco Gambitta ursprünglich Maschinenbau studierte, hat ihn die Luftfahrt besonders in ihren Bann gezogen. "Die Luftfahrt ist ein anspruchsvoller Bereich, weil sie strengen Sicherheits- und Effizienzanforderungen unterliegt. Heute in diesem Umfeld zu arbeiten, fühlt sich für mich an wie ein Traum, der wahr geworden ist." Was ihn an seiner Arbeit besonders fasziniert, ist die enge Verbindung zwischen Forschung und Industrie. "Ich bin überzeugt, dass beide Bereiche nur gemeinsam wirklich erfolgreich sein können", sagt er. "Die Wissenschaft bietet den Raum für neue Ideen und Experimente, während die Industrie dafür sorgt, dass diese Ideen in der Praxis umgesetzt werden. Wenn beides zusammenkommt, entsteht echter Fortschritt."
Langjährige Partnerschaft mit Rolls-Royce
Seit vielen Jahren besteht eine enge Kooperation zwischen der BTU Cottbus-Senftenberg und Rolls-Royce – ein Modell, das für beide Seiten funktioniert. "Ich habe meine Karriere nach dem Masterabschluss bei Rolls-Royce begonnen und diese Zusammenarbeit von Anfang an als sehr bereichernd erlebt", erzählt der Forscher. "Über die Jahre sind starke Verbindungen entstanden – nicht nur beruflich, sondern auch persönlich. Ich kann jederzeit mit Kolleginnen und Kollegen bei Rolls-Royce in Kontakt treten. Einige unserer gemeinsamen Projekte wurden sogar mit Innovationspreisen ausgezeichnet – ein Zeichen dafür, dass unsere Forschung wirklich in der Industrie ankommt."
Blick in die Zukunft
Auch der wissenschaftliche Austausch über Ländergrenzen hinweg liegt ihm am Herzen. "Wir bauen derzeit Kooperationen mit meinen früheren Universitäten auf und betreuen Erasmus-Studierende, die ihre Abschlussarbeiten bei uns schreiben", berichtet er. "Ich hoffe, dass noch mehr junge Menschen aus aller Welt die Chance nutzen, bei uns zu forschen. Unterschiedliche Ideen und kulturelle Perspektiven sind eine große Bereicherung."
Über das Projekt VIT VI - Virtuelle Triebwerksentwicklung mit Verfahren der künstlichen Intelligenz
Marco Gambitta arbeitet in einem besonderen Projekt: dem "Virtuellem Triebwerk". Ziel der Forschenden im Projekt ist es, Triebwerke und Triebwerkskomponenten am Computer möglichst realistisch zu beschreiben, einen Digitalen Zwilling (Digital Twin) zu erstellen. Zum virtuellen Triebwerk gehören zum Beispiel Rechenmodelle zur Simulation der Strömung in der Turbine eines Triebwerks, aber auch die detaillierte CAD Darstellung des Triebwerks in Virtual Reality zum Trainieren von Montageschritten. So können Triebwerke und Triebwerkskomponenten optimiert, aber auch Kosten eingespart werden, da auf viele Experimente und Testläufe verzichtet werden kann.
Über das University Technology Centre
Die Forschungskooperation von Rolls-Royce mit der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) feiert in diesem Jahr ihr 20-jähriges Bestehen. Das University Technology Centre (UTC) Cottbus wurde 2005 als erstes von vier deutschen UTCs (BTU Cottbus-Senftenberg, TU Dresden, KIT Karlsruhe und TU Darmstadt) gegründet.
Seit der Gründung wurden über 40 Millionen Euro an Forschungsprojekten umgesetzt – allein im Jahr 2024 lag das Projektvolumen bei rund 4,5 Millionen Euro. 12 Fachgebiete der BTU entwickeln und optimieren im UTC komplexe Triebwerksprozesse. Ziel ist es, durch integrative Modellierung und Simulation die Effizienz, Zuverlässigkeit und Nachhaltigkeit zukünftiger Luftfahrtantriebe weiter zu verbessern. Seit der Gründung des UTC haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Cottbus über 300 Publikationen, 45 Dissertationen, zwei Habilitationen und Studierende über 300 Abschlussarbeiten verfasst. 30 promovierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wechselten seither zu Rolls-Royce. Über 38,5 Millionen Euro an Drittmitteln wurden in die Forschung investiert.
Kontakt
Strukturmechanik und Fahrzeugschwingungen
T +49 (0) 355 69-5006
marco.gambitta(at)b-tu.de

