Interview mit BTU Alumnus Eckart Rehberg (Kultur und Technik)

"Man erlernt den Umgang mit Konzepten oder Werkzeugen und dann stellt man oft fest, dass man diese auch auf andere Bereiche anwenden kann."

Eckart Rehberg hat Kultur und Technik im Bachelor in Cottbus studiert und einen Master in interkultureller Kommunikation an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) gemacht. Er unterrichtet Deutsch als Fremdsprache in Berlin und war als Dozent auch in Ghana unterwegs. Musik ist seine große Leidenschaft und zweites berufliches Standbein. Er singt unter anderem bei den Operators und legt als DJ Eggs Delicious mit Vinyl auf. Im August 2021 hat er mit Elevation auf radioeins (rbb) seine eigene Radioshow bekommen in der er seine ungewöhnlichen Platten am Samstagmorgen zur Partyzeit von 1 – 4 Uhr nachts spielt.

Hallo Eckart, wie bist Du zu Deiner eigenen Radioshow gekommen und was erwartet die Zuhörer da?
Ich würde sagen erst Fleiß und dann Glück! Mein allererstes Mal habe ich tatsächlich in Cottbus im Muggefug aufgelegt, aber intensiver so seit neun Jahren. Das sind anfangs oft kleinere Rockkonzerte in Berlin gewesen, die Freunde von mir organisiert haben und ich hab dann die Aftershow geschmissen. Oder in Bars, was manchmal langweilig sein kann, manchmal aber gerade cool, weil der DJ nicht ständig gezwungen ist, dass die Leute zu Hits tanzen wollen. Wichtig ist beim Auflegen auf jeden Fall Eigeninitiative und auch mal online Veranstalter*innen anschreiben und Vorschläge machen und sowas. Dann schlug das Glück zu und eine Freundin, die bei radioeins arbeitet, hat mich für eine Nachtsendung vorgeschlagen. Dann hab ich eine Pilotsendung aufgenommen, also so, als ob es fast schon eine fertige bestehende Radiosendung von mir wäre. Die hat dann Anja Caspary bei radioeins überzeugt. Drei Stunden stimmig zu füllen ist erstmal gar nicht so einfach, die Mischung macht es aus. In der Sendung hört man viel Musik aus den goldenen Jahren 1966-1974. In dieser Zeit gab es nicht nur im Rockbereich, sondern auch z.B. im Funk und Soul geradezu eine Explosion an künstlerischer Kreativität, neuen spannenden Studio- und Soundmöglichkeiten und auch im Rahmen des Albumformats viel Platz über das Format einer drei-minütigen Hitsingle hinaus. Natürlich hört man aber auch immer ein paar Neuerscheinungen. Bei Elevation spiele ich außerdem nicht nur „westliche“ Musik, sondern auch psychedelischen Rock aus der Türkei oder Afrobeat aus Ghana oder Nigeria. Garniert ist das Ganze mit ein paar Moderationen von mir, die ein paar Hintergrundinfos zu den Songs geben. Klar im Vordergrund stehen aber positive, groovende Songs mit ein paar Hits und viel Raum zum Entdecken!

Du bist leidenschaftlicher Plattensammler, wie ist das gekommen und wie gehst Du beim Plattenstöbern vor?
Mein Bruder sagt, dass ich schon als Kind eine Sammlernatur war. In den Jahren um 2000 herum habe ich wohl mein komplettes Taschengeld zu Saturn am Alexanderplatz getragen und eine nette CD-Sammlung aufgebaut. Mit Vinyl habe ich während meines Kultur und Technik-Auslandssemesters in Arlington, Texas angefangen. Dort in Texas habe ich vielleicht 25 alte Schallplatten gekauft, die es günstig im Supersale gab. Irgendwie war das alt und neu zugleich für mich und dadurch spannend. Beim Plattenstöbern bin ich am liebsten in Plattenläden unterwegs, online kaufe ich selten Platten. Für mich macht es einfach am meisten Spaß, Platten in der Hand zu haben, die Cover zu bestaunen, sie umzudrehen und die Credits zu lesen und das alles. Wenn du in einen Laden kommst und es gibt einen freundlichen Menschen hinter dem Tresen und es läuft geschmackvolle Musik wie DJ Shadow oder The Roches, dann macht es gleich mehr Spaß. Es ist definitiv auch eine nerdige Community, in der man mit gewissen Fragen oder Bemerkungen auch gleich eine bestimmte Reaktion erhält. Und das ist weltweit so, deshalb suche ich auf Reisen immer auch Plattenläden in jeder Stadt, egal, ob das jetzt in Texas (billig), in Kopenhagen (teuer) oder Ghana (spannend) ist. Dort findet man dann auch automatisch viel über die jeweilige Musikkultur heraus. Und noch was: Über die Jahre sind bei mir die kleineren Vinyl-Singles, auch 7inches genannt, auf jeden Fall immer wichtiger geworden. Sie sind einfach perfekt für DJs. Die klassischen LPs sind toll, aber nicht wenn man 60 davon nachts in einem schweren Koffer durch die Gegend schleppt!

Neben deiner Leidenschaft für Musik unterrichtest Du auch Deutsch als Fremdsprache, wie sieht dein Berufsalltag aus und was für Leute unterrichtest Du?
Ich unterrichte an einer Volkshochschule in Berlin und das Publikum sind normalerweise Leute zwischen 25 und 45 Jahren aus der ganzen Welt. Seit Corona sind die Kurse auf maximal 12 Teilnehmer beschränkt, was aus Lehrerperspektive super ist, weil man viel besser auf die Menschen eingehen kann als mit 20 Leuten. Das heißt, dass oft 12 Leute aus vielleicht 10 verschiedenen Ländern vor mir sitzen. Und ich liebe den interkulturellen Aspekt des Ganzen, wenn die indische Kursteilnehmerin dem polnischen Kollegen von einem Samosa-Rezept vorschwärmt. Klingt ein bisschen kitschig, ist aber wirklich so! Mein Berufsalltag ist relativ entspannt, weil die Kursteilnehmer*innen erwachsen und motiviert sind. Ich habe keinen pädagogischen Auftrag. Dennoch ist im Deutschkurs neben Freundlichkeit und Respekt einfach am wichtigsten: Geduld, Geduld, Geduld. Ich habe noch niemanden getroffen, der „der, die, das“ oder die Adjektivdeklination besonders abgefeiert hätte. Ich erinnere mich dann manchmal kurz an meine Schul- und Unikurse in Französisch und Russisch und schwupps, bin ich sehr geduldig.

Du bist kulturell vielseitig aktiv, unter anderem als Musiker und Stadthistoriker, was hat Dir das Kultur und Technik Studium dafür gebracht?
Ein gewisses Brückendenken. Man erlernt den Umgang mit Konzepten oder Werkzeugen und dann stellt man oft fest, dass man diese auch auf andere Bereiche anwenden kann. Andererseits ist das  Themenspektrum bei „Kultur und Technik“ schon ziemlich breit, man braucht auf jeden Fall eigene Ideen und einen starken Antrieb, um dann auch wirklich ein, zwei dieser Bereiche stringent zu verfolgen. Naja, den Spaß sollte man auch nicht vergessen: Es war schon ein Genuss und eine Investition in kulturelles Kapital in dieser Zeit viel zu lesen. Dann hab ich in Texas für einen Yoga-Kurs Uni-Credits erhalten, auch toll! Und ich habe in Cottbus mit einem Tape-DJ zusammen aufgelegt. Mit Kassetten auflegen, das ist so bescheuert, das ist schon wieder genial!

Was vermisst Du am meisten aus deiner Studienzeit in Cottbus?
Die günstigen Mieten, haha! Es gab an der Uni manchmal so Crossover-Effekte, zum Beispiel, wenn 10 Senioren mit in der Vorlesung saßen. Das fand ich irgendwie immer toll. Die haben Lebenserfahrung und gute Fragen mitgebracht, von denen wir 21-Jährigen profitiert haben. Definitiv auch die Einfachheit im Nachtleben. Es war eigentlich meistens was los, es reicht ja auch eine Party, zu der man geht, zu mehreren gleichzeitig kann man ja eh nicht. Zu guter Letzt: Idealismus, wenn sich Studierende zu irgendeiner Aktion zusammengeschlossen haben, ob das jetzt gegen die nächste Dorf-Abbaggerung von Vattenfall war oder eine Antirassismus-Demo.

BTU Alumnus Eckart Rehberg | Foto: Ralf Schuster (rbb)