Lebendige Innenstädte erhöhen die Attraktivität

Der Einzelhandel in Klein- und Mittelstädten steht unter großem Veränderungsdruck

Viele Läden in den Innenstädten erfreuen sich steigender Umsätze und die Verbraucher kaufen gern dort ein. Dennoch prägen leere Geschäfte und ein häufiger Wechsel der Ladeninhaber das Bild so mancher Stadtkerne in Deutschland. Und das obwohl stabile Beschäftigungszahlen und steigendes Einkommen zu einem zunehmenden Konsum führen. 523 Milliarden € wurden in Deutschland im Jahr 2018 beim Einkaufen ausgegeben – so viel wie nie zuvor. Das Problem ist: Nicht alle Läden profitieren davon: Während das Geschäft der Online-Händler boomt und auch große Filialketten weitgehend zufrieden sind, machen sich kleine Fachgeschäfte, Läden und Boutiquen Sorgen. »Die Ansprüche der Kunden haben sich verändert. Sie kaufen Elektrowaren, Mode und Deko-Artikel, Schuhe und Spielwaren vermehrt online ein. Die Innenstädte dienen zum Großteil nicht mehr der Versorgung der Menschen. Ihre Funktion ändert sich«, resümiert die Leiterin des Fachgebiets Stadtmanagement Prof. Dr. Silke Weidner. »Insbesondere die Städte um Metropolen wie Berlin, München oder Frankfurt (Main) sind betroffen. Im Schatten dieser Großstädte schaffen es nur wenige, ein attraktives innerstädtisches Einzelhandelsangebot zu halten oder sogar bisher nicht berücksichtigtes Potenzial für den Erhalt der zentralen Einzelhandelslagen zu ihrem Vorteil zu nutzen.«

Bereits im Jahr 2015 prognostizierte die Studie »Stadt, Land, Handel 2020« des Instituts für Handelsforschung (IFH) Köln, dass bis zum Jahr 2020 rund 45.000 stationäre Geschäfte deutschlandweit in nur fünf Jahren schließen könnten. »Fast jedes zehnte Geschäft wäre betroffen. Teilweise gehen die Prognosen soweit, dass klassische Einkaufsstraßen in Innenstädten in 20 Jahren keine Überlebenschance mehr haben werden«, so die Wissenschaftlerin. Die Leitfunktion »Handel« steht zur Disposition.

Auch in Brandenburg stellen die steigenden Umsatzzahlen im Online-Handel den Einzelhandel und die Innenstadtentwicklung vor erhebliche Herausforderungen. Die Fläche des stationären Einzelhandels nimmt ab, die innerstädtischen 1A-Lagen verzeichnen teils schon Rückgänge. Für Brandenburg wird ein Umsatzrückgang um bis zu 30 Prozent prognostiziert, der einen Wandel für die Innenstädte bedeutet. Kleine und mittlere Städte in Brandenburg befinden sich schon seit der Wiedervereinigung in stetiger Veränderung: Waren die 1990er- und 2000er-Jahre noch von Schrumpfung geprägt, verzeichneten einzelne Kommunen in diesem Jahrzehnt unter anderem durch das Wachstum der Stadt Berlin und den verstärkten Zuzug geflüchteter Menschen ein Wachstum. Die Kommunen im »Speckgürtel« rund um Berlin nehmen eine besondere Position ein. Durch den in der Hauptstadt unter Druck stehenden Wohnungsmarkt verzeichnen sie Einwohnerzuwächse. Andere Städte in peripherer Lage kämpfen hingegen nach wie vor mit Schrumpfungserscheinungen und Funktionsverlusten.

»Wir haben die Städte im Speckgürtel von Berlin untersucht und herausgefunden, dass die Menschen wieder gern dort wohnen. Durch die gute Anbindung an die stark wachsenden Großstädte Berlin und Potsdam nimmt die Bedeutung des öffentlichen Personennahverkehrs zu. Den Bahnhofsstraßen kommt wieder eine wachsende Bedeutung zu.« Die Forschenden sehen darin eine Chance, diese Stadtteile als erneute Eingangsbereiche in Innenstädte aufzuwerten und so für das Wohnen, Dienstleistungen und den Handel attraktiver zu machen.

Wie Klein- und Mittelstädte ihre Innenstädte erhalten können, ist von Stadt zu Stadt unterschiedlich. Zukünftig wird wieder mehr die Sicherung der innerstädtischen Funktionsvielfalt im Kern der Stadtentwicklung stehen. Angesichts des Strukturwandels sind Konzepte und Verhaltensweisen gefordert, die Konkurrenzen  im Einzelhandel weiter verringern und leerfallende innerstädtische Läden intelligent neuen Nutzungen zuführen. Gerade die Nähe zu Berlin beziehungsweise eine attraktive Anbindung stellen ein Potenzial dar, in dem sich vielfältige Wohnformen für verschiedene Generationen etablieren lassen.

Prof. Silke Weidner und ihr Team sehen Alleinstellungsmerkmale und neue konzeptionelle Ansätze als entscheidende Grundlage, sich innerhalb der verstärkten Konkurrenz zu anderen Kommunen und im Zuge des Strukturwandels auch als kleinere oder mittlere Stadt behaupten zu können. Städte wie Eberswalde und Luckenwalde zeigen, dass im aktiven Umgang mit den Herausforderungen die Chance besteht, auch stark vom Wandel betroffene Innenstädte weiterzuentwickeln und Bewohnerinnen und Bewohner anzuziehen. Jedem Megatrend folgt ein Gegentrend.