Transformationsprozesse in Ostdeutschland als Forschungsgegenstand
Das Graduiertenkolleg wendet sich den miteinander verwobenen gesellschaftlichen, politischen, sozio-kulturellen und ökonomischen Folgen der Transformationsprozesse in Ostdeutschland – mit besonderem Schwerpunkt auf Brandenburg – sowie in Polen und Rumänien zu, indem aktuelle Herausforderungen für die Professionalisierung von Sozial- und Gesundheitsberufen an ihren Schnittstellen untersucht werden. Der Fokus liegt dabei auf der Erforschung der Wechselwirkungen übergreifender Transformationsprozesse mit den regionalen bzw. lokalen Gemeinwesen (Communities).
Spezifik von Transformationsgesellschaften in postsozialistischen Gesellschaften
Eine Herausforderung ist, dass das Ende der sozialistischen Ära und der damit eingeleitete gesellschaftliche Transformationsprozess in den fokussierten Regionen von einer Neoliberalisierung (vgl. Brown 2015) begleitet war und ist, die die Orientierung aller Lebensbereiche eines jeden Menschen an ökonomischen Marktprinzipien verlangt. Räumliche Mobilität, berufliche und zeitliche Flexibilisierung sowie Notwendigkeiten lebenslangen Lernens bieten einerseits Chancen für eine individuelle Lebensgestaltung, beinhalten aber andererseits Risiken einer Überforderung bei geringerer psychischer oder gesundheitlicher Belastbarkeit. Wessen personale und soziale Ressourcen nicht ausreichen, um die damit verbundenen Zumutungen zu bewältigen, bei dem steigt die Gefahr der sozialen Erschöpfung (vgl. Lutz 2014) und damit des Abbaus der Fähigkeit, den Alltag eigenständig zu bewältigen. In diesem Kontext nehmen Tendenzen sozialer Schließung und der Desintegration sozioökonomisch benachteiligter Bevölkerungsgruppen zu. Zudem geht die gesellschaftliche Transformation mit dem Abbau öffentlicher Infrastruktur sowie sozial- und gesundheitlicher Angebote in vielen postsozialistischen Regionen einher. Strukturelle Ungleichheiten im Zugang zu Bildung sowie der Gesundheitsversorgung und Pflege (vgl. Geisen u.a. 2013) nehmen zu. Eine wahrgenommene Ungleichwertigkeit lässt sich unter Personen konstatieren, die in der DDR sozialisiert sind; sie wird u.a. begründet mit der strukturell geringeren Repräsentation in Führungs- und Entscheidungspositionen, ökonomischer Benachteiligung, Entwertung von Berufsbiografien und geringer gesellschaftlicher Partizipation (vgl. Foroutan 2018).
Forschungsperspektiven des Graduiertenkollegs
Das Graduiertenkolleg wählt vier Forschungsperspektiven auf Probleme der vielfältigen Transformationsfolgen aus und denkt diese in Richtung Professionalisierung der Sozial- und Gesundheitsberufe. Damit greift das Kolleg bestehende Forschungsdesiderate auf und will diese grundlagentheoretisch ausloten und anwendungsbezogen bearbeiten:
- Wie können demokratische Akteure und Strukturen, insbesondere marginalisierte communities im Gemeinwesen gestärkt werden im Umgang mit rechtspopulistischen und –extremen Gruppierungen? Welche Ansätze der Gemeinwesenarbeit können in ländlichen und urbanen Räumen identifiziert und im Sinne einer Professionalisierung weiterentwickelt werden? Welche Bedeutung erhält hierbei die Thematisierung der Transformationserfahrungen nach 1989 und in der Gegenwart?
- Wie können Ansätze der Migrationssozialarbeit angesichts der unter 1. beschriebenen Herausforderungen im Gemeinwesen professionalisiert werden? Von Interesse sind Handlungsansätze, die auf die Arbeit mit Familien im Sinne eines weiten, ausdifferenzierten Begriffsverständnisses abzielen.
- Welchen Beitrag können Bildungsprozesse in Gesundheits- und Sozialberufen zu den gesellschaftlichen Transformationsprozessen leisten? Wie kann aus Bildungsperspektive auf die Herausforderungen reagiert werden, die sich aus der demographischen Entwicklung – insbesondere der Versorgung im ländlichen Raum – ergeben? Welche Möglichkeiten bieten caring communities für die sozial-pflegerische Versorgung der Bevölkerung im ländlichen Raum? Wie muss sich das berufliche Selbstverständnis Pflegender in den Transformationsprozessen verändern?.
- Gelingen einer inklusiven professionellen Haltung in Sozial- und Gesundheitsberufen, mit dem Thema transkulturelle Vielfalt in der Pflege: Aspekte einer erfolgreichen transkulturellen Interaktion im Rahmen des Erstkontaktes aus der Sicht von Patient*innen und Pflegekräften in Einrichtungen der stationären Gesundheits- und Krankenpflege in Brandenburg.