Wie entwickelt sich ein professioneller Physiotherapielehrer:innenhabitus? Welchen Einfluss haben die derzeitigen Professionalisierungsbestrebungen auf den professionellen Physiotherapielehrer:innenhabitus bei gleichzeitigem Reformstau im Feld?

Im Feld der Physiotherapie zeigen sich seit langem intensive Professionalisierungsbestrebungen. Die deutschen Berufsgesetze sowie Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen aus dem Jahr 1994 offenbaren besonders im europäischen und weltweiten Vergleich den Reformbedarf der physiotherapeutischen Bildungs- und Versorgungspraxis in Deutschland. Sowohl das prolongierte Ausstehen dieser Reformen als auch deren Inkrafttreten zu gegebener Zeit bedeuten für das Bildungspersonal im Berufsfeld eine enorme Herausforderung. In der Pflege und im Hebammenwesen lässt sich dies im Zuge der aktuellen Reformprozesse schon gut nachvollziehen.

Hauptberuflich Lehrende in der Physiotherapie vollziehen bezüglich ihrer akademischen berufspädagogischen Qualifizierung nicht unbedingt den klassischen Weg eines Studiums des Berufsschullehramtes mit der damit angestrebten Entwicklung eines professionellen Habitus als Lehrende. Stattdessen gibt es sehr verschiedene akademische Zugänge, die zudem jedes Bundesland individuell regelt. In Brandenburg zum Beispiel formuliert die Gesundheitsberufeschulverordnung für hauptberufliche Lehrkräfte neben einem pädagogischen Masterabschluss auch die Notwendigkeit eines (berufs- oder hochschulischen) Berufsabschluss als Physiotherapeut:in sowie den Nachweis physiotherapeutischer Berufserfahrung. Somit erlernen Physiotherapielehrende (mindestens) zwei Berufe, wobei der akademische Lehrberuf (im Sinne der Medizinpädagogik, Gesundheitspädagogik oder etwas Vergleichbarem wie Berufspädagogik für Gesundheitsberufe) in sehr unterschiedlichem zeitlichem Abstand nachfolgt. Es ergibt sich die interessante und kaum beforschte Situation einer doppelten professionellen Habitualisierung bei zudem heterogenen Qualifizierungswegen. Welches der beiden Berufsfelder dabei vorrangig die Handlungslogik des professionellen Lehrer:innenhandelns bestimmt, lässt sich zunächst nicht einfach erkennen. Bezüglich des professionellen Habitus von Lehrenden in Gesundheitsberufen liegt ein klar formuliertes Desiderat vor, denn empirische Befunde gibt es kaum. Den Hintergrund des Promotionsvorhabens bildet eine auf intuitiver, reflexiver Könnerschaft beruhende Konzeptionierung von Lehrer:innenprofessionalität. Explorative Interviews mit Physiotherapielehrenden ermöglichen eine sozialwissenschaftliche Perspektive auf (Berufs)Biographien und Habitus. Ziel ist es, empirisch fundierte Erkenntnisse über Prozesse professioneller Habitustransformationen von Physiotherapielehrenden zu generieren, welche die Entwicklung eines professionellen Lehrhabitus begleiten und sich als Subjektwerdungsprozesse vollziehen.

Bearbeiter*in: Maria Rilling