Interview mit BTU Alumnus Matthias Kernig (Pflegewissenschaft, Berufspädagogik im Gesundheitswesen)

"Ich denke, dass immer mehr Rollen für Pflegefachkräfte entstehen mit entsprechenden Kompetenzbereichen, die ein Studium voraussetzen."

Matthias Kernig hat eine Ausbildung als staatlich anerkannter Heilerziehungspfleger und examinierten Gesundheits- und Krankenpfleger, sowie einen Bachelor in Pflegewissenschaft und Master in Berufspädagogik im Gesundheitswesen. Er arbeitete als Dozent und Ausbilder. Aktuell ist er akademischer Mitarbeiter für das Fachgebiet Pflegewissenschaft und klinische Pflege an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg.

Hallo Matthias, was fasziniert Dich an dem Pflegeberuf und der Pflegewissenschaft und wie bist Du auf das Studium an der BTU gekommen?
In den Pflegeberuf „hineingeraten“ bin ich durch den Zivildienst. Ich habe nach meinem Abitur 12 Monate lang Zivildienst an einer Behindertenwerkstatt geleistet und habe so den Berufszweig für mich entdeckt. Fasziniert hat mich schon immer die Vielzahl an Menschen und deren Schicksale, die man kennenlernt. Kaum ein Tag ist wie der andere. Zudem ist der Pflegeberuf mit einer Vielzahl von anspruchsvollen Tätigkeiten verbunden, welche die Arbeitsalltage wirklich abwechslungsreich werden lassen. Daher habe ich im Anschluss an meinen Zivildienst eine Ausbildung zum Heilerziehungspfleger in Potsdam begonnen. Mit Abschluss der Berufsausbildung wollte ich allerdings gern noch mein Wissen in Bezug auf Pflegewissenschaft und Pflegetheorien vertiefen. Ich wusste also – ich möchte gerne noch studieren. Auf den damals noch sehr neuen Studiengang an der BTU hat mich meine Schwiegermutter aufmerksam gemacht. Es gab einen Artikel in der Lausitzer Rundschau, den hat Sie mir zugeschickt und daraufhin habe ich mich beworben.

Du arbeitest seit 2019 an der BTU. Was sind Deine Aufgaben im Fachgebiet? Wie kann man sich Deinen Arbeitsalltag vorstellen?
Mit Beginn der Tätigkeit habe ich mich vorrangig mit der Aufarbeitung von bereits aufgenommenen Datensätzen beschäftigt. Hauptsächlich ging es hierbei um die Bearbeitung und Auswertung qualitativer Interviews. Schwerpunkt war vor allem die Akzeptanz der Digitalisierung und eHealth Lösungen durch entsprechende Anwender:innen. Zudem habe ich natürlich meine Kolleg:innen beim Verfassen von Berichten oder Veröffentlichungen unterstützt. Nebenher durfte ich vereinzelt Lehrveranstaltungen mitgestalten. Seit 2021 bin ich fest im Projekt zur Entwicklung eines Regelversorgungsangebotes zur altersfreundlichen Wohnraumanpassung verankert, welches bis Oktober 2022 läuft. Hierbei stehen die Aufgaben der Projektarbeit im Fokus, also vorrangig die Koordination und Austausch mit den jeweiligen Projektparteien. Momentan beschäftigen wir uns mit der Aufnahme und Evaluation von Dokumentationsbögen, welche wir erstellt haben. Ich finde es sehr spannend herauszufinden, wie diese von uns theoretisch erstellten Bögen sich in der Praxis behaupten und wie das Feedback der Anwender:innen darauf ist. Mein Arbeitsalltag findet also, im Moment noch, hauptsächlich am PC und Telefon statt.

Wem würdest Du das Studium der Pflegewissenschaft empfehlen, was für Interessen und Kompetenzen sollten Studieninteressierte mitbringen?
Prinzipiell jedem der eine Ausbildung oder Weiterbildung im pflegerischen Tätigkeitsbereich anstrebt. Vor allem sollte man an der Professionalisierung des Berufszweigs interessiert sein. Es geht bei der Pflegewissenschaft darum, die Berufspraxis zu beeinflussen. Entsprechend sollte man sich sehr für die Arbeit mit Konzepten und Theorien interessieren sowie deren Transfer in die Berufspraxis. Da in Bezug auf bestimmte Themenbereiche deutschsprachige Literatur nicht flächendeckend vorhanden ist, sollte man auch gewillt sein sich mit englischsprachigen Informationen auseinanderzusetzen. Das Studium an der BTU behandelt sehr breitgefächerte Themengebiete. Dadurch ist es auch für Pflegefachkräfte interessant die bereits über eine Ausbildung verfügen und sich entsprechend weiterbilden möchte, da entsprechende Spezialisierungen in der Praxis häufig eine geeignete Qualifikation voraussetzen. Das Studium bietet hierfür eine sehr gute Basis. Wer noch über keine Berufsausbildung verfügt kann hier in 4 Jahren sowohl den Abschluss als Pflegefachkraft sowie auch den Bachelor of Science parallel abschließen. Dadurch spart man sich einiges an Zeit, wenn man ohnehin über ein Studium, im Anschluss an die Berufsausbildung, nachgedacht hat.

Du hast mit deinen Ausbildungen und dem Studium viel Theorie- und Praxiswissen sammeln können. Worin siehst Du den Vorteil an der Kombination von beidem?
Theorien werden schlichtweg greifbarer. Mit vielen sah ich mich schon in meiner Erstausbildung konfrontiert, doch dort nahm ich diese eher als notwendiges Übel wahr. Aber praxisbezogen zu verstehen, warum es jene Theorien gibt und aus welchen Ursprüngen Sie entstanden sind, ist ein extremer Mehrwert für das eigene Rollenverständnis. In der Pflege machte ich leider häufig die Erfahrung, das in der Praxis nach dem Motto „das machen wir schon immer so“ gearbeitet wird. Das wollte ich aber nie so recht akzeptieren. Entsprechend spannend ist dann der Blick über den Tellerrand und der damit verbundene Anreiz, Abläufe eben nicht „wie immer“ zu gestalten, sondern nach theoretischen Alternativen zu suchen und diese dann auch praktisch zu erproben. Auf der anderen Seite bringt der Blick aus der Praxis auf die Theorie auch Vorteile mit sich. Theoretische Konzepte sind manchmal unglaublich spannend, können aber auch sehr praxisfern daherkommen, da diese sich sehr an einem Idealbild orientieren. Sich diesen beiden Dingen bewusst zu sein, hat für mich einen großen Mehrwert.

Auf der einen Seite wurde in der Pandemie viel über die stetig steigende Relevanz der Pflege berichtet, auf der anderen Seite aber auch über die teilweise prekären Umstände. Was würdest Du Leuten sagen die deswegen noch an einem Studium in der Richtung zweifeln?
Die Gesellschaft und entsprechend auch der Arbeitsmarkt befinden sich im ständigen Wandel, nicht zuletzt durch die Digitalisierung. Das hat man gerade in der Pandemiezeit überall gemerkt. Ich denke, dass immer mehr Rollen für Pflegefachkräfte entstehen mit entsprechenden Kompetenzbereichen, die ein Studium voraussetzen. Das sieht man vor allem im internationalen Vergleich. Hier hängen wir zwar aktuell noch hinterher, aber ich glaube fest daran, dass wir den Anschluss noch suchen werden. Dafür braucht es vorrangig studierte Pflegefachkräfte, die eine solche Professionalisierung vorantreiben und diesen Prozess Strukturieren und Organisieren. Auch die Rolle der Patient:innen verändert sich stetig. Daher gilt es die Pflege als Profession darauf vorzubereiten. Ein Studium ist hierfür der Grundstein. Es geht ja nicht nur darum professionsspezifische Fähigkeiten zu erlernen und zu fördern, sondern auch um allgemeine Dinge, die für die Praxis relevant sein können. Also bspw. richtiges Recherchieren und Aufbereiten von Informationen, um diese dann nachvollziehbar weitergeben sowie implementieren zu können. All das bringt ein Studium mit sich. Zudem könnte sich, meiner Meinung nach, die prekäre Situation der Pflege oder allgemein auch im Gesundheitswesen durch den zusätzlichen Einsatz studierter Pflegefachkräfte zum Teil deutlich entspannen. Zudem steigt die Zahl an attraktiven (Master-) Studiengängen speziell für den Fachbereich der Pflege. Daher wird, mit Blick auf die Zukunft, ein Studium für Pflegefachkräfte immer attraktiver und gefragter werden.

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Daniel Ebert
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