Third Mission Workshop in Heinersdorf
Das Polička Kollektiv ist ein interdisziplinärer Zusammenschluss von Forscher*innen und Aktivist*innen, die sich für dezentrale und alltägliche Alternativen zur kapitalistischen Wirtschafts- und Lebensweise in Ost- und Mitteleuropa (MOE) und der ehemaligen Sowjetunion befassen. Das Kollektiv ist im Jahr 2022 erstmals zusammengekommen, um die Erkenntnisse der eigenen empirischen Arbeiten in verschiedenen Regionen "des Ostens" zusammenzutragen und zu veröffentlichen. Zurzeit arbeitet die Gruppe an einer Idee für ein gemeinsames Forschungsprojekt. Zu diesem Zweck fand ein Arbeitstreffen im selbstorganisierten Seminarhaus Haus des Wandels in Heinersdorf (Landkreis Oder-Spree) statt.
Eine wesentliche Erkenntnis aus der bisherigen Forschung ist, dass Praktiken der ökonomischen Solidarität, der Sorge um die Natur und des sparsamen Umgangs mit Ressourcen im Alltag in den Ländern Ost- und Mitteleuropas sowie der ehemaligen Sowjetunion weit verbreitet sind. Daher gibt es dort bereits viele Anknüpfungspunkte und Lernmöglichkeiten, um die Transformation zu klimaneutralen Ökonomien voranzutreiben. Dennoch dominieren Beispiele aus westlichen und wohlhabenden Kontexten sowie globale, radikale Bewegungen den Transformationsdiskurs. Auch auf lokaler Ebene werden alltägliche und nicht explizit politische Praktiken häufig entweder ignoriert oder sogar teilweise verdrängt, was zu Konflikten und Widerstand führen kann.
Aus dieser Perspektive hat das Kollektiv zwei Austauschformate mit lokal Engagierten aus Heinersdorf organisiert, um über das Thema Transformation aus der Perspektive von zugezogenen Aktivist*innen und Menschen mit DDR-Biographie zu sprechen. Beim einem gemeinsamen Abendessen, in das Storytelling-Formate eingebettet wurden, wurden die wechselseitigen Erfahrungen der Transformationsarbeit in Heinersdorf und im Haus des Wandels diskutiert. In Fotocollagen wurden den heutigen Krisenphänomenen Bilder der Daseinsvorsorge in der DDR gegenüberstellt, um Veränderungsbedarfe im Jetzt hervorzuheben, aber auch Lernmöglichkeiten aus guten wie schlechten Erfahrungen im Damals zu diskutieren. Am zweiten Tag veranstaltete eine Gruppe von lokal Engagierten vom Denk-mal-Kulturverein und der Praxisforschungsstelle Heinersdorf eine Tour durch das leerstehende Gutshaus im Dorf und zu den Erfahrungen der älteren Generation in der Zusammenarbeit von Zivilgesellschaft und Gemeindeverwaltung. Der Austausch hat gezeigt, dass die Erfahrungen mit der Transformationsgeschichte des Ostens und das Wissen darüber spannend und lehrreich für heutige Wandel-Aktive sind. Gemeinsame Essen, verbunden mit erzählerischen und visuellen Inspirationen, können dafür eine offene und zugewandte, konviviale Gesprächsatmosphäre schaffen. Darüber hinaus ist es sehr wertvoll, ähnliche Phänomene aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten, z.B. aus der Sicht von Zugezogenen und Alteingesessenen oder aus den Erfahrungen der Teilnehmenden in unterschiedlichen Ländern und Regionen. Das Arbeitstreffen wurde durch die Third-Mission-Förderung des Instituts für Stadtplanung der BTU Cottbus-Senftenberg unterstützt.