Denkmaltopographie

"Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile."

Diesem Ansatz ist auch die bundesweit geplante Publikationsreihe der Denkmaltopographie der Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, die denkmalwerte Objekte innerhalb ihres räumlichen und städtebaulichen Zusammenhanges dokumentiert. Mit dieser Darstellungsform können über das Einzelobjekt hinausgehende geschichtliche Entwicklungsprozesse eines Ort- oder Stadtgefüges veranschaulicht werden. Außerdem findet die städtebauliche Bedeutung eines Objektes, die Teil der Denkmalbegründung sein kann, stärkere Berücksichtigung. Als eine sich an die Allgemeinheit wendende Publikationsreihe dient die Denkmaltopographie neben der Dokumentation vor allem der Denkmalvermittlung. Sämtliche denkmalwerte Strukturen eines Raumes - meistens eines Stadt- oder Landkreises - werden in den jeweiligen Einzelbänden topographisch gegliedert mit Bild und Text vorgestellt. Damit ist ein Schritt in Richtung der von Bauherren und Architekten vielfach eingeforderten Planungssicherheit getan.

Denkmaltopographie Cottbus

2001 erschien die Denkmaltopographie Cottbus. Herausgeber ist das Brandenburgische Landesamt für Denkmalpflege. In die Vorbereitung war der Lehrstuhl Denkmalpflege mit verschiedenen Bereichsdokumentationen eingebunden:

Die westliche Stadterweiterung

Antje Mues
Die westliche Stadterweiterung ist das bedeutendste Cottbuser Stadterweiterungsgebiet der wilhelminischen Zeit. Architektur und städtebauliche Struktur haben sich hier in einer ungewöhnlichen Geschlossenheit erhalten. Um das historisch geprägte Erscheinungsbild erhalten zu können, wurde die westliche Stadterweiterung 1998 als Denkmalbereich unter Schutz gestellt.

Bereichsprägend ist die im Wesentlichen die zwischen 1885 und 1914 entstandene Miethausarchitektur. Mit dem orthogonalen Straßensystem und den auf eine geschlossene Randbebauung ausgerichteten Baublöcken zeigt sich hier eine zeittypische städtebauliche Gestaltung des späten 19. Jahrhunderts.

In vielen Bereichen präsentiert sich die Architektur noch im Rahmen der historisch geprägten Straßenräume mit Alleen, Vorgärten und der originalen Kopfsteinpflasterung.

In seiner Geschlossenheit vermittelt der häufig noch bis in Details erhaltene Bestand einen Eindruck von der dynamischen Stilentwicklung dieser Zeit. Historismus, Jugendstil und die verschiedenen Gestaltungstendenzen der Jahre vor dem Ersten Weltkrieg zeigen sich in bemerkenswert vielfältigen Ausprägungen. Im Rahmen der Dokumentationsarbeiten wurde eine vollständige Datierung des gut 300 Gebäude umfassenden historischen Bestandes vorgenommen. Damit ließen sich die für Cottbus spezifischen stilistischen Entwicklungslinien herausarbeiten, die auch im Kontext mit der sozialen Struktur der westlichen Stadterweiterung stehen. Außergewöhnlich ist der weitreichende Einfluss des Jugendstils in der Cottbuser Architektur dieser Zeit. Seine formalen Neuerungen fanden - teils auf hohem Niveau - Eingang in die Miethausarchitektur, in der sich bis heute an zahlreichen Beispielen die Individualität und gestalterische Vielfalt dieser Stilrichtung widerspiegelt. Den krönenden Abschluss dieser Stilphase bildet das 1908 auf dem zentralen Platz der westlichen Stadterweiterung errichtete Theater von Bernhard Sehring. Es gehört zu den ganz wenigen Jugendstiltheatern Deutschlands und im Rahmen dieser kleinen Gruppe zeichnet es sich durch einen bemerkenswert innovativen Entwurf aus.

Im Zentrum der frühen Tuchindustrie von Cottbus: Ostrower Damm und Parzellenstraße

Der Schwerpunkt der industriellen Entwicklung von Cottbus im späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts erfolgte im Bereich Ostrower Damm und Parzellenstraße entlang von Spree und Mühlgraben. Vorwiegend sind es mit der Textilproduktion in Verbindung stehende gewerbliche Einrichtungen, wie Spinnereien, Webereien, Appreturen und Färbereien.

Das Textilgewerbe hat in Cottbus und in der Niederlausitz eine lange Tradition. Der Übergang von der kleingewerblichen, noch handwerklich geprägten zur industriellen Textilherstellung vollzog sich in Cottbus erst im letzen Drittel des 19. Jahrhunderts. Ein wesentlicher Expansionsschub ging von dem zwischen 1866 und 1876 erfolgenden Anschluss an das Eisenbahnnetz aus, der die Exportbedingungen erheblich verbesserte. Aber auch technische Neuerungen wie die zunehmende Mechanisierung der Herstellungsverfahren und die effizientere Energienutzung förderten diesen Prozess. Die frühen Bauten vorwiegend der 1860/70er Jahre entstanden südlich der Altstadt im Bereich von Mühleninsel und Ostrower Damm, während nach 1900 entstandene Fabrikbauten den Bereich der Parzellenstraße prägen. In der ehemaligen Tuchfabik Elias (Ostrower Damm 1-3) zeigt sich ein hervorragend erhaltener Fabrikkomplex, dessen Gebäudebestand die damaligen Produktionsabläufe exemplarisch widerspiegelt. Auch die zugehörigen Fabrikantenvillen, sonst vielfach zerstört, haben sich hier erhalten.

Bemerkenswert ist die Umfeldgestaltung am "Ostrower Damm" zwischen Franz-Mehring- und Wasserstraße. Dieser Straßenteil wird von einer großzügig angelegten, von Baumreihen flankierten Promenade erschlossen. In Verbindung mit der Kopfsteinpflasterung und den Ziergittern der Einfriedungen zeigt sich hier strukturelle Vielfalt und gestalterische Qualität von Straßenräumen der Jahrhundertwende.

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